Verantwortlich für meisterhafte Genrefilme und echte Klassiker wie „Blow Out“, „Scarface“, „The Untouchables“ und „Die Verdammten des Krieges“, hat Brian De Palma mit der Jahrhundertwende offenkundig viel seines ehemaligen Mojo verloren. Richtig, richtig schlecht wurde es dabei zwar nur selten, doch von der einstigen visuellen Kraft und der informalen Intelligenz scheint nicht mehr viel übrig geblieben zu sein. Ein Meister auf Sparflamme. Hier ein kleiner Überblick über einige Werke von Brian de Palma, die er mit dem Jahre 2000 auf die Beine stellte.
MISSION TO MARS (2000)Im Kino von Brian De Palma ging es immer um die Wahrnehmung wie die Auffassungsgabe des Zuschauers und darum, wie schnell diese dann durch gewitzte Kniffe mehr oder weniger leichte Risse davon tragen kann. „Mission to Mars“ wird mit einer Szene eröffnet, die in ihrer Konzeption und ab-sichten patentiert für De Palma scheint: Eine Rakete steigt anmutig in den Himmel empor, ein dumpfer Knall ertönt und kräuselnde Luftschlangen verteilen sich über dem Bildschirm. Von derlei wirksamer Manipulation ist De Palma im Folgenden allerdings nur noch weit entfernt, stattdessen aber entpuppt sich „Mission to Mars“ als ein waschechter Blender – Und das Drehbuch dreht De Palma zum ersten Mal einen Strick, weil es ihm keinerlei Chance auf ein reflexives Hintertürchen gewährt. Verschleiert als große Antiklimax, die, wie es heute mal Gang und Gäbe im Science-Fiction-Genre ist, fortwährend auf „2001“ schielt, sich in Elegie situiert und doch keine adäquaten Bilder findet, die dem Weltall gerecht werden. Richtig ärgerlich wird „Mission to Mars“ allerdings erst gegen Ende, wenn das Drehbuch die Evolutionstheorie auf Links krempelt und eine ungemein reaktionäre Sichtweise propagiert: Der weiße Mann muss entdecken (erobern), weil es seine Aufgabe ist, weil es ihm als Bestimmung im Blut liegt. Esoterischer und artifizieller Unfug, fernab von extraterrestrischen Naturalismus oder den horizonterweiternden, visionären Denkanstößen eines Stanley Kubricks.
4 von 10 friedlichen Gesten
FEMME FATALE (2002)
Eine Frau ohne Gewissen findet sich selbst in der gedrungenen Doppelung und entzweit sich wieder im symbolischen Bekenntnis ihrer Identität: Brian De Palma lässt die titelgebende Femme Fatale zu Luft kommen, anstatt sie untergehen zu lassen. Nachdem sich De Palma mit Zitaten und der für ihn standardisierten motivischen Aufbereitung seiner Vorbilder in den letzten Jahren zurückgehalten hat – oder zurückhalten musste -, darf er sich mit „Femme Fatale“ mal wieder ganz der Cineastik hingeben und das vermengen, was sein Herz höher schlagen lässt. Alfred Hitchcock ist genauso präsent wie De Palmas eigene Vita und der klassische Film Noir. Ob De Palma den Mythos rundum die verführerische Frau wirklich verstanden hat, darf nach Konsumierung gerne infrage gestellt werden, bricht der einstige Visionär ihren Habitus doch oftmals nur die auf Darstellung einer objektivierten Männerphantasien herunter, damit wir uns mal wieder als Voyeur in dem von Reizen der Femme Fatale überrollten Antonio Banderas zu spiegeln. Aber das war bei De Palma ja, wenn man ehrlich ist, überhaupt nicht anders zu erwarten. Der Rest ist wieder das übliche, hier leider schon etwas abgeschmackte Vexierspiel zwischen Realität und Illusion, visueller Manipulation und nackten Brüsten auf dem Silbertablett. Die 12-minütige Cannes-Heist-Sequenz zu Anfang ist allerdings großartig und so was von De Palma pur.
5 von 10 lasziven Tänzen im Kneipenkeller
BLACK DAHLIA (2006)
Der künstlerische Verwesungsprozess hatte Brian De Palma 2006 schon reichlich gezeichnet. Und während der filmverrückte Schmierfink in seiner Hochzeit mit geradezu adaptiver Raffinesse glänzte, scheint er im neuen Millennium nur noch an der saftlosen Pose interessiert zu sein. Mit akuter Ideenarmut gesattelt, kraxelt De Palma wie eine abgenutzte Schachfigur über das kinematographische Spielfeld und „The Black Dahlia steht als Sinnbild für den ärmlichen Werdegang seiner Person: Die Story will sich durch sämtliche Schlaufen wirbeln, verschwendet sich aber in der spannungsbefreiten Stagnation; genau wie die Charaktere, die zu billigen Schablonen verkommen, deren Konturen das Drehbuch mit dem Bleistift nur müde nachgezogen hat und mit Schauspielern besetzt, die entweder desinteressiert oder von Grund von fehlbesetzt wirken. Es gilt hier schon als ganz große Kunst, ein Kaliber wie Scarlett Johansson, die doch gerade für den Film Noir prädestiniert scheint, zu keiner Zeit adäquat in Szene zu setzen. Dass De Palmas Werke nie gravierende Angriffsflächen im visuellen oder auditiven Bereich boten, bleibt auch in „The Black Dahlia“ erhalten; der Unterschied ist nur, dass hier stupides Abfilmen ästhetisierter Bezugspunkte betrieben wird, anstatt eine echte Sogwirkung zu beabsichtigen - Von zeitgenössischem Flair ganz zu schweigen, wenngleich das Dekor passend erscheinen mag. Auch stilistische Bezüge zu klassischen Noirismen bleiben bloße Behauptung und mögen auf dem Papier nach einem cinephilen Kleinod klingen, sind in der Umsetzung hingegen sicher nicht als die revitalisierte Huldigung zu verstehen. Von verruchtem Schattenkabinett scheint De Palma nicht mehr viel zu halten. „The Black Dahlia“, die blasierte Verschmähung der Schwarzen Serie.
3,5 von 10 mondänen Abendgarderoben
REDACTED (2007)
Weg von Alfred Hitchcock, wegvon Billy Wilder und weg von Dario Argento, dafür gibt es Parallelen zu seinem persönlichen Meisterwerk „Die Verdammten des Krieges“ wie auch der legendären Skorpionszene aus Sam Peckinpahs „The Wild Bunch“. Von ausbalancierten Fotografien, einer optimalen Kadrierung, der formvollendet Mise en Scène im Allgemeinen distanziert sich Brian De Palma und „Redacted“ besitzt aus technischer Sicht mal wieder richtigen Stallgeruch. Seine Digitalkamera springt von einer Perspektive zur nächsten, der Film von einem Medium ins andere und führt damit die Interferenz unseres medialen Bewusstseins vor. Die fiktionalisierte Dokumentation „Redacted“ soll ein Aufruf an die Transparenz sein und wie ein Elefant im Porzellanladen spielt sich De Palma als politisch-motivierter Agitator auf, der endlich nicht mehr von seinem Land an der Nase herumge-führt werden möchte. Recht hat er, doch wirklich etwas Neues im polarisierenden Umgang mit dem Irakkrieg wird nicht geboten, dafür ist De Palma offenkundig zu wütend auf die verdeckte Berichterstattung seines Heimatlandes. Zum Glück aber legt De Palma keinen Anspruch darauf, gnadenloses Relevanzkino in Form gießen zu wollen – Dafür ist er auch viel zu ungestüm in jeder Hinsicht. Was „Redacted“ anbei nicht unwesentlich schadet, ist der Cast, bestehend aus Amateuren, mit denen De Palma nicht umzugehen weiß und ein die Aufnahmen (Unverfälschter Realätsanspruch) mit dem gesprochenen Wort (Gekünstelt bis zum Gehtnichtmehr) in einen schweren Konflikt straucheln lässt und seiner eigentlichen Intention damit vollkommen im Wege steht.
5 von 10 Sprengsätzen in der Sofagarnitur
von souli
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