Ich habe gerade nach Gesine Lötzsch' Artikel gesucht in der Onlineausgabe der jungen Welt. Sie wissen schon: "Wege zum Kommunismus". Ich sollte ruhig anmerken, dass die Suche nach den "meistgelesenen Artikeln des Jahres" mich nicht weiterbrachte, nicht mal die nach den Top-Aritkeln der letzten 48 Stunden.
Das ist schon ein bißchen merkwürdig, wenn man überlegt, wieviele Leute doch eine Meinung dazu haben. Ich habe dann zuguterletzt den Link aus meinem eigenen Senf dazu angeklickt, da gibt es wenigstens einen: Wer seinen Blick schweifen läßt von der Zeit bis zur Welt, stellt fest, dass es einen bemerkenswerten Konsens darüber gibt, dem Leser das Original nicht zuzumuten.
Dafür findet man anderes heute morgen. Zum Beispiel auf tagesschau.de:
Klausuren von SPD und Linkspartei
Eine Vision - zwei unterschiedliche Wege
(hier können Sie weiterlesen)
oder gleich
Auch die SPD findet Marx und Engels ganz prima
Linke-Chefin Lötzsch bekommt Rückendeckung in der Kommunismus-Debatte. Schließlich sei auch die SPD Anhänger linker Ideen.(und gaaanz klein darüber: "Linke in Niedersachsen")
Es gibt einen Haufen ungeschriebener Regeln im Journalismus, eine ganze Reihe von wissenschaftlich in ihrer Wirkungsweise bestätigten Taschenspielertricks, wenn Du Deinem Leser eine Meinung einflössen willst. Das machtsvollste Instrument dafür sind Überschriften, weil die größte Waffe eines Journalisten gegen das Denkvermögen seiner Leser dessen Faulheit ist.
Man könnte auch sagen: Wenn ich meinem Leser eine Meinung einflössen will, muss ich nur einen langen, unübersichtlichen Textblock schreiben, und dann kann ich da als Überschrift drübersetzen, was mir gerade in den Sinn kommt. Ich kann mich darauf verlassen, dass von denen, die meinen Artikel lesen, 80 Prozent nicht über die Überschrift hinauskommen, sie aber daher im Gegensatz zu den restlichen 20 Prozent ungefragt inhalieren und dann in Bezug setzen zu dem restlichen Halbwissen, das sie auf diese Weise ergattert haben.
Deswegen ist meine Überschrift bestenfalls eine Demonstration meiner Unfähigkeit, diesen Mechanismus zu nutzen. Ich muss trotzdem mit meinem Leser arbeiten, also zum Beispiel im Hinterkopf haben, dass ich ihm seinerzeit, als das "Hamburger Programm" der SPD erarbeitet und veraschiedet wurde, exakt einen Satz daraus präsentiert habe, meist auch in Überschriften, also zum Beispiel
Das neue SPD-Programm
"Demokratischer Sozialismus"so 2007 auf ntv.de
Und dabei haben wir uns damals soviel Mühe gegeben, ein Best-off der schönsten Sonntagsreden der letzten 10 Jahre in ein Programm zu packen - geredet wurde nur über diese Passage. Ich denke zwar, dass die Politik, die wir gleichzeitig gemacht haben, den Sozialismus-Vorwurf auf alle Zeiten entkräftet, aber das es trotzdem versucht wird, macht mir Spaß.
Wobei ich garnichts dagegen einzuwenden hätte, würde der Leser glauben, dieser "demokratische Sozialismus" hätte tatsächlich was mit der SPD zu tun, aber dafür hätten wir vielleicht mal zumindest ansatzweise dazuschreiben sollen, wie denn das wohl wäre, wenn wir ihn haben. Da ist dann auch die größte Gemeinsamkeit von SPD und Linkspartei: Was beide wollen, wissen nur ihre Gegner ganz genau - und sterben vor Angst. Die Macht der Überschriften halt.
Hier ist noch eine:
Heisser Januar: Hitzewinter in Braunschweig
Zweistellige Temperaturen Vorboten der Klimakatastrophe
Und noch mehr Wetter.
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