Mit dem Auftritt des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg unter dem Dirigat von Francois-Xavier Roth bescherte Wien Modern seinem Publikum einen äußerst spannungsreichen Abend. Und das in mehrfacher Hinsicht.
SWR-Orchester Baden-Baden/Freiburg war zu Gast bei Wien Modern. (Foto: Klaus Polkowski)
Schon vor dem Konzerthaus machte das Orchester mit einem langen Transparent auf seine prekäre Lage aufmerksam. Im Jahr 2016 soll der Zusammenschluss mit dem Radio Sinfonieorchester Stuttgart stattfinden. Zukünftiger Sitz des Orchesters wird dann Stuttgart sein, was auch mit einer drastischen Reduktion der Vorstellungen in Freiburg einhergehen wird. Mit Informationsfoldern standen einige Musikerinnen und Musiker in der Kälte, um schon vor ihrem Auftritt auf diese für sie unhaltbare Situation aufmerksam zu machen.
Am Programm standen drei Werke, die, so kann man verkürzt darstellen, von der musikalischen Idee der Spannung leben. Peter Eötvös war der Auftakt an diesem Abend vorbehalten. Sein „zeroPoints“, dessen kompositorischen Aufbau im wie immer extrem informativen Katalog des Festivals nachzulesen ist, erwies sich nicht nur als spannungsgeladen, sondern brachte auch so manch unkonventionelles Hörerlebnis mit sich. So gelang ihm mit der Gegenüberstellung von Percussionsinstrumenten, die für die hohen Tonlagen eingesetzt werden und die gelegentlich mit Geigen gekoppelt waren mit tiefen Streichern und Bläsern, die ihre volle Mächtigkeit zum Einsatz brachten nicht nur ein extrem effektvoller Einstieg. Die sich durch das Werk ziehende Verwendung eines großen Percussionsapparates gelang ihm extrem farbig und vielschichtig und stand in gewissem Sinn dem zweiten Programmpunkt des Abends zumindest korrespondierend gegenüber.
Mit einem Werk von Iannis Xenakis, einem der ganz großen Komponisten des 20. Jahrhunderts, konnte man erleben, wie andersartig sich ein abermals mächtiger Schlagwerkeinsatz gestalten kann. Mit „Alax“ für drei Ensembles wurde auch ein Kompositionsprinzip Xenakis deutlich, das er in unterschiedlichen Abwandlungen einsetzte. Darin stellt er Instrumentalblöcke gleicher Aufstellung mehrfach auf die Bühne, um ein besonderes Klangvolumen zu erreichen. Die Komposition, die sich gegen ihr Ende hin immer mehr verdichtet und deren Stimmen sich immer stärker überlagern, endet mit einer mitreißenden Rhythmik der Pauken.
Die Entscheidung, diesen beiden starken Werken ein drittes, ebensolches an die Seite zu stellen, war völlig richtig. Philippe Manourys „Sound and Fury“, das sich auf den gleichnamigen Roman von William Faulkner bezieht, stand am Ende des Abends. Auch hier waren es die auditiven Kontraste, die von Beginn an Spannung erzeugten. Ein Pizicatto in den Streichern, das gemeinsam mit dem Glockenspiel erklang, stand in scharfem Gegensatz zu kräftigen Klavier- und Bläsertönen aus den tieferen Registern. Die Komposition steht unter einem Dekonstruktionsprinzip, das bedeutet, dass der Komponist die einzelnen Teile dieses Stückes nicht in jener Reihenfolge ein die Endfassung brachte, in die sie geschrieben wurden. Das Ende gleicht einer furiosen Höllenfahrt, der noch ein überraschender kleiner Nachtakt der Streicher an den Schluss gesetzt wurde.
Roth wandte sich im Anschluss an das Konzert noch einmal zum Publikum, um auch im Saal Stimmung für das Überleben dieses Klangkörpers zu machen. Es ist zu hoffen, dass es den couragierten Musikerinnen und Musikern doch noch gelingt, das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg zu erhalten – ist es doch eines jener wenigen, die sich in ganz besonderer Weise für zeitgenössische Musik eingesetzt hat und unzählige Uraufführungen zustande brachte.
Demokratie im Kulturbereich zeigt sich auch dort, wo dem Bedürfnis einer Minderheit Rechnung getragen wird und Bemühungen erfolgen, diese Bedürfnisse auch abzudecken – und sei es wie in diesem Fall zeitgenössische Musik.
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