Spannend wie ein schlaffer Luftballon? Was tun, wenn ein Thriller nicht zündet.

Von Mczarnetzki @m_cz

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Zum Beispiel genau das, was Christian Sidjani getan hat. Nachdem sein Kurzthriller Schließfach 644 bei der ersten Gratisaktion über tausend Mal runter geladen wurde, war das Feedback eher dürftig: 2 Rezensionen, dazu noch negativ.

Christian entschied sich zum Frontalangriff. Auf seinem Blog kündigte er eine zweite Gratisaktion an – diesmal mit der Bitte um Feedback. Um genau zu sein, der genauen Identifikation der Schwachstellen in seiner Geschichte.

Ich hatte die Geschichte schon vorher gelesen – vor allem die Einordnung als Kurzthriller hat mich dazu bewogen. Thriller heißt für mich Spannung ohne Ende. Und genau da liegt meiner Meinung nach die Schwäche von Schließfach 644: Statt lebensgefährlicher Hochspannung die ich erwartete, gab es Niedrigspannung aus der Batterie. Kribbelt auch, ist aber nicht ganz das selbe.

Wie geht es besser? Die Geschichte ist ordentlich geschrieben, doch die Handlung könnte gestrafft und mit unerwarteten Wendungen angereichert werden.

Zum Beispiel beginnt Schließfach 644 mit zwei Personen – von denen eine anschließend das Schlafzimmer und die auch Geschichte verlässt. Welchen Zweck hatte diese Szene? Der Protagonist wurde dadurch veranlasst, das Bild seiner Erbtante abzunehmen, hinter dem der Schlüssel zum Schließfach versteckt ist.

Das geht auch schneller: Statt sich mit der Prostituierten über sich und sein Leben zu unterhalten, könnte man da anfangen, wo die Szene aufhört: beim Klappen der Tür.

Die Tür schlug zu und sie war weg. Geblieben war ein leicht unangenehmes Gefühl von unbefriedigendem Sex, der Geruch nach kalten Zigarettenrauch und der Nachklang ihrer spöttischen Bemerkung über das Bild der hässlichen Alten, die sie die ganze Zeit anglotzt. Stimmt, seine Tante war keine Schönheit. Seine Erbtante. Deshalb hing das Bild hier. Aber jetzt war sie tot und von ihr nichts mehr zu erwarten. Michael stand auf, noch leicht benommen und griff nach dem Bild. Etwas verhedderte sich in seinen Füßen, Patrizias Tanga registrierte er, als er nach vorn kippte. Er suchte Halt, seine Hand fegte das Bild von der Wand und er stürzte kopfvorwärts durch die offene Badtür.

Ein Absatz und er hat den Schlüssel. Anschließend macht sich Michael auf den Weg durch die Stadt um das Schloss zum Schlüssel zu finden. Das geht so unaufgeregt zu – er hätte auch zum Bäcker gehen können. Wäre genauso spannend. Schließlich sind alte Schlüssel nicht per Definition spannend. Seine Tante hätte auch ein altes Kästchen mit Liebesbriefen haben können und den Schlüssel dazu aus verständlichen Gründen versteckt.

Mir fällt an dieser Stelle das Buch Ghost von Robert Harris ein. Der neue Ghostwriter hat gerade einen Deal abgeschlossen – einen großen, ohne Frage, aber eben nur ein Geschäft – als ihm ein scheinbar harmloser Stapel Papier in die Hand gedrückt wird. Was andere postwendend in die nächste Mülltonne werfen, beschert ihm die Begegnung mit zwei Schlägern und eine ordentliche Abreibung. Unangenehm für ihn, aber der Leser weiß sofort – das ist kein normaler Deal!

Statt also Michael mit dem Schlüssel durch die Stadt wandern zu lassen – warum ihm nicht gleich, als er aus der Tür tritt, einen Ganoven auf den Hals hetzen? Damit sofort klar ist: in diesem Schließfach sind nicht nur die schwärmerischen Liebesbriefe einer damals nicht ganz so alten Frau.

Auch zum Motiv Schulden durch Spielsucht habe ich eine Meinung – das ist aber nur eine ganz persönliche Sache: Spielsucht gehört für mich zur Kategorie Selber schuld! Damit kann ich mich persönlich nicht identifizieren und bleibe zur Hauptperson auf Distanz. Vielleicht ist etwas anderes passiert – ein Unglücksfall, der ihm seine Familie und seine Existenz geraubt hat? Das würde Mitgefühl erwecken.

Soweit meine konkreten Tipps. Nun noch eine Bemerkung zum Schluss: Jeder Absatz muss so choreografiert sein, dass dem Leser am Ende gar keine andere Wahl bleibt, als weiterzulesen, um im nächsten Absatz endlich die (Er)Lösung zu finden. Aber der nächste Absatz bringt nicht die Lösung – sondern steigert die Spannung. Dann wird es ein guter Thriller.

Einige Rezensenten bemängeln die abrupten Szenenwechsel – das ist ein Punkt, der mir nicht aufgefallen ist. Was auch daran liegen kann, dass ich dieses Mittel selbst sehr häufig benutze (was mir in einigen Rezensionen ebenfalls angekreidet wird). Obwohl ich in Zukunft darauf achten werde, die Übergänge etwas zu entschärfen, denke ich, dass es einfach Leser gibt, die so etwas mögen, und andere, die damit nicht glücklich werden. Aber ein glatt gebügeltes Buch ohne Ecken und Kanten, an dem niemand was auszusetzen hat – ist das wirklich erstrebenswert?

Das war nun meine Meinung – aber es sind noch ein paar andere Rezensionen, Tipps und Hinweise von Lesern und Autorenkollegen dazugekommen, die Schließfach 644 aus anderen Blickwinkeln betrachtet haben. Auf dem Blog von Christian Sidjani könnt ihr das Fazit lesen.