Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy hat sein Wahlversprechen gebrochen und die Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte auf 21% erhöht. Dies sei in Anbetracht der Schuldenkrise notwendig, man müsse sich der Realität stellen, so rechtfertigte sich der konservative Politiker im Parlament. Sein vorgelegtes Reformprogramm sieht auch eine Kürzung der Arbeitslosenbezüge, sowie eine Reduzierung der Gehälter von Staatsbediensteten um 7% vor. Eine Reform der öffentlichen Verwaltung soll 3,5 Mrd. Euro einsparen. Die indirekten Steuern auf Energie werden steigen.
Die Einkommenssteuer soll in der viertgrößten Volkswirtschaft in Europa dagegen leicht sinken. Die Zahl der Staatsunternehmen soll drastisch reduziert werden. Der Eisenbahnsektor, die Häfen und die Flughäfen werden rivatisiert. Außerdem werden Subventionen im Bergbau gestrichen. Durch dieses umfassende Maßnahmen Bündel will Rajoy in den nächsten zweieinhalb Jahren insgesamt 65 Mrd. Euro einsparen. Er erhofft sich damit einen Vertrauensrückgewinn bei den Märkten und die Erhohlung der Wirtschaft. Spanien hat zur Zeit eine Arbeitslosenquote von 25%, das ist rekord in Europa. Bei den Jugendlichen ist sogar fast jeder dritte arbeitslos. Die Binnennachfrage ist deswegen seit Jahren rückläufig, das Land steckt in der tiefsten Rezession seiner Nachkriegsgeschichte. Spaniens Finanzminister hat zuletzt erklärt, er rechne im zweiten Quartal mit einer Vertiefung der Rezession. Angesichts des umfangreichen Sparprogramms, der rückläufigen Kaufkraft und Binnennachfrage, sowie den fehlenden Wirtschaftsanreizen, stellt sich die Frage, ob und wann Spanien die schwere Rezession, überwinden kann.
Die Finanzminister der Eurozone haben der Regierung zwar mehr Zeit zur Haushaltssanierung gegeben, Madrid muss erst 2014 das ursprünglich für 2013 gesetzte Defizit-Ziel von drei Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen, zudem wurde das Defizit-Ziel für 2012 von 5,3 auf 6,3 Prozent angehoben, aber eine Erholung der Wirtschaft ist mit diesem kontraproduktiven Sparwahn nicht zu erwarten. Stattdessen wächst die Armut im Land und die Empörung der Massen äußert sich in zunehmenden Protesten. Zur Frustration kommt steigende Wut auf die Politiker, die man als korrupt sieht: “Wir werden doch von den Banken regiert!”, sagte eine Demonstrantin beim sogenannten “Schwarzen Marsch” der Minenarbeiter – einem Protestzug, der sich seit Wochen durch ganz Spanien zieht. Längst haben sich Massen von Spaniern dieser Demonstration angeschlossen; gemeinsam stehen sie gegen die Ungerechtigkeiten auf. In Madrid kam es nun zu ersten gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Tränengas und Schlagstöcke wurden eingesetzt. Mindestens zwei Menschen wurden verletzt. Mehrere tausend Demonstranten hatten sich vor dem Industrieministerium versammelt, um das sparpaket zu protestieren. Die Gewerkschaften sehen weitere 30.000 Jobs alleine im Bergbau in Gefahr.
Die Sozial Proteste haben sich mittlerweile auf das ganze Land ausgebreitet; es sind die heftigsten in der Geschichte Spaniens. In einigen Regionen herrschen seit Tagen fast bürgerkriegsähnliche Zustände, die von den deutschen Systemmedien allerdings kaum thematisiert werden. Hier kann man die Proteste live verfolgen. Auch in Spanien verschweigen die Medien, dass die Bergarbeiter in ihrem Protest von über 100.000 Bürgern unterstützt werden; Bilder gibt es dazu kaum im Fernsehen.
Lediglich im Internet entwickelte sich um den jetzt allgemeinen Protest ein Hype. Viel Aufmerksamkeit auf twitter, facebook und youtube. Auch blogs berichten darüber, was die traditionellen Medien verschweigen. Auf Twitter und Facebook empören sich Nutzer über das “Medien-Blackout.” Maria Sanchez beispielweise tweetet: “Der Marsch der Minenarbeiter gestern war beeindruckend aber die Medien schweigen darüber.” Auf Facebook hingegen kursieren hunderte Fotos, die das Ereignis dokumentieren. Carmela Canas schreibt in den Kommentaren zu diesem Bild: “Madrids Arbeiter unterstützen die Bergleute. Das ist es, was das Fernsehen nicht zeigt.” Angeles Alarcos fügt hinzu: “Das kapitalistische System bringt uns zum Schweigen mit Geld und Angst.”
Untenstehend Videos zu den landesweiten Protesten in Spanien, vor und nach dem Bergarbeiter Marsch
Totschweigen, uminterpretieren oder falsch berichten. Die Mainstreammedien manipulieren, was das Zeug hält. Eine unparteiische und offene Berichterstattung gibt es bei den traditionellen Medien in Europa kaum noch. Die sozialen Aufstände, die sich intensivieren, will man nicht medial publik machen, sie am besten wegwischen, wohl deswegen, um sie nicht zu unterstützen oder im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verbreiten. Unser jetziges Wirtschaftssystem ist an seine Grenzen gelangt; die Ungerechtigkeit und Destruktivität ist nicht mehr zu übersehen. Die Menschen beginnen sich gegen eine Politik des “Weiter so” aufzulehnen, weil die Schmerzgrenze längst erreicht worden ist. Ob und wann die neo – liberalen Machteliten Europas eine Transformation zulassen, kann nicht vorhergesehen werden. Aber, dass sich die sozialen Unruhen ausbreiten, intensivieren und diese womöglich ab einen gewissen Punkt in Gewalt umschlagen, lässt sich mit ziemlicher Sicherheit sagen. Wenn die Menschen keine Dialogbereitschaft und Hinkehr zu den Bedürfnissen des Volkes bei den Politikern erkennen können, und diese auch weiterhin auf Kosten des Grossteils der Bevölkerung eine kleine habgierige Gruppe bedienen, wird es zu Auschreitungen kommen – früher oder später. Das Unerträgliche kann auf Dauer nicht hingenommen werden, eine ungerechte repressive und letztendlich undemokratische Herrschaft provoziert den Aufstand; und ja, auch eine gewaltsamen Aufstand. Dessen sollten sich die Regierungen Europas endlich mal klar werden. Damit legitimiere oder rechtfertige ich nicht die Gewalt oder rufe dazu auf. Es ist eine Feststellung, eine Prognose, die sich aus der Beurteilung der aktuellen Lage in Europa ergibt. Der Kessel steht unter Dampf, irgendwann mal wird er dem Druck nicht mehr aushalten und explodieren.
______________________________
Quellen und weiterführende Links
ARD Nachrichten
ZDF Nachrichten
N24 Nachrichten
Euronews
youtube
http://bundes.blog.de/2012/07/11/spanien-massenproteste-madrid-indignados-unterstuetzen-bergarbeiter-14087006/
______________________
es grüsst euch René Brandstädter