« Michael Schmidt-Salomon: Keine Macht den Dogmen!{lang: 'de'}Die Zahl der Räumungen steigt, weil viele Familien ihre Kredite nicht mehr bezahlen können
Eigentlich haben die Betroffenen nichts zu feiern, die am Sonntag in mehr als 40 spanischen Städten auf die Straße gegangen sind. Trotzdem protestierten viele tausende Menschen in festlicher Stimmung selbst bei der großen Hitze im Land. Sie fordern Gesetzesänderungen und wollen Familien vor der Zwangsräumung schützen, die sie tief in die Misere stürzen. Genaue Zahlen, wie viele Wohnungen in der Krise geräumt wurden, gibt es nicht. Die Plattform der Hypothekenbetroffenen (PAH) schätzt, dass seit 2007 schon mehr als 300.000 Zwangsräumungen vollstreckt wurden.
Glück gehabt hat bisher Luis Domínguez Quintana. Am 16. Juni wurde versucht, den 75-Jährigen aus der Wohnung in Madrid zu werfen. Doch die “Empörten”, die seit Mai in ganz Spanien protestieren, konnten die Räumung bisher verhindern. An der Demonstration in der spanischen Hauptstadt nahm Luis mehr als Zuschauer teil. Er ist behindert und kann nur mühsam an Krücken gehen, seit er von einem Lastwagen bei einem Unfall 1994 schwer verletzt wurde.
Den “Empörten” und der PAH ist Luis unendlich dankbar. “Sie haben mir das Leben gerettet”, erklärt er. Er verfügt im Monat über 860 Euro und die in der Finanzkrise stark gestiegenen Hypothekenzinsen für seine Wohnung machten es ihm unmöglich, neben den steigenden Lebenshaltungskosten auch seine Hypothek zu bezahlen. Deshalb leitete die Bank das Räumungsverfahren ein. Nächtelang hatte er vor dem richterlich festgesetzten Termin aus Angst nicht geschlafen, einfach auf die Straße gesetzt zu werden. Verzweifelt begab er sich zum zentralen Platz in Madrid, wo auch aus Protest dagegen kampiert wurde, dass die einfache Bevölkerung für die Krise und die Exzesse der spanischen Immobilienblase zur Kasse gebeten wird. Er schilderte seine Situation – und mit bloßer Anwesenheit verhinderten zahlreiche Empörte die Räumung. Die “Solidarität unter Menschen” zurückzugewinnen, sei etwas sehr Bedeutendes in dieser Gesellschaft, resümiert Luis.