„Studie zu „Deutschen Zuständen“ offenbart wieder zunehmende Diskriminierung von Fremden und sozial Schwachen. Forscher beklagen „Klassenkampf von oben“.
Eine Studie zur rechten Zeit. Während sich täglich immer deutlicher herausstellt, wie rechte Terroristen über Jahre hinweg unbehelligt von Fahndern und Justiz rassistisch motivierte Morde begehen konnten, hat jetzt die Wissenschaft eine dazu passende Erkenntnis geliefert: Die Diskriminierung von Minderheiten in Deutschland nimmt wieder zu. Fremdenfeindlichkeit, Rechtspopulismus, Rassismus sowie die Abwertung von Arbeitslosen und Behinderten haben sich in den letzten Jahren deutlich verstärkt. So lauten zentrale Ergebnisse der Langzeituntersuchung „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, die ein Forscherteam um den Bielefelder Sozialforscher Wilhelm Heitmeyer am Montag in Berlin vorgestellt hat.
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Von 2002 an hat das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld im Jahrestakt repräsentativ 2000 Deutsche zu ihren Einstellungen und Befindlichen befragt, um den Grad des Mit- oder Gegeneinanders in der Bevölkerung zu ermitteln. War die Verbreitung der Fremdenfeindlichkeit lange Zeit rückläufig, zeigt sich seit 2009 wieder eine signifikante Zunahme von rassistischem Gedankengut. So hätten der Aussage „Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die in Deutschland lebenden Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken“, in diesem Jahr 29,3 Prozent der Befragten zugestimmt, fünf Prozent mehr als im Vorjahr. 47 Prozent sind der Auffassung, es lebten zu viele Ausländer in Deutschland. Der Sehnsucht nach einer homogenen, nationalen Gemeinschaft hängt also noch nahezu die Hälfte der Bevölkerung nach, wenngleich der Wert im Jahr 2002 noch bei 59 Prozent lag.
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Zu den Ursachen für die erneut zunehmende Diskriminierung von Minderheiten trifft Heitmeyers Team sehr bemerkenswerte Aussagen. In einem Handout zur Studie ist die Rede von einer „rohen Bürgerlichkeit“, die sich bei der Beurteilung sozialer Gruppen an den Maßstäben der kapitalistischen Nützlichkeit, der Verwertbarkeit und Effizienz orientiert und somit die Gleichwertigkeit von Menschen sowie ihre psychische wie physische Integrität antastbar macht“. In einem bereits Ende September in der Wochenzeitung Die Zeit veröffentlichten Beitrag hatte Heitmeyer über eine fortschreitende „soziale Spaltung und Desintegration“ sowie eine sich verschärfende Ungleichheit geklagt. Hintergrund sei ein „massiver Kontrollverlust der nationalstaatlichen Politik, verbunden mit einem ebenso großen Machtgewinn des Kapitals“. Ein von „oben inszenierter Klassenkampf“ werde über die rohe Bürgerlichkeit nach unten weitergegeben.
Anfällig für Rechtspopulismus und Rassismus sind demnach vor allem die selbst von Abstiegsängsten betroffenen Mittelschichten, die den auf ihnen lastenden ökonomischen Druck durch „Abwertung und Diskriminierung von statusniedrigen Gruppen“ zu kompensieren suchten. Die Studienautoren konstatieren eine Mentalität bei Besserverdienenden, die von der grundgesetzlichen Maxime, wonach Eigentum verpflichtet, „wenig wissen will und der sozialen Spaltung Vorschub leistet“. Dieser „Ökonomisierung des Sozialen“ entspringe so eine Sichtweise auf Menschen als „Nutzlose“ und „Ineffiziente…“
Von RALF WURZBACHER, 13. Dezember 2011 -
Quelle und gesamter Text: http://www.hintergrund.de/201112131831/politik/inland/spaltung-der-gesellschaft-schreitet-voran.html