Es ist ein Phänomen der letzten Jahre, dass die Grenzen zwischen kommerziellen und ambitionierten Produktionen aus der freien Szene immer mehr verschwimmen. Grund dafür ist sicherlich, dass zunehmend professionelle Kräfte, seien es nun Autoren, Schauspieler, Sprecher, Musiker oder Effektspezialisten, sich auch an Projekten beteiligen, bei denen der finanzielle Gewinn nicht an oberster Stelle steht. Über die diversen Aktivitäten im Bereich der freien Hörspielszene berichte ich bekanntlich regelmäßig.
Auf dem Sektor des Films ist die Anzahl der Projekte wegen des ungleich höheren Aufwands naturgemäß kleiner und anders als Hörspiele können die fertigen Streifen nicht immer kostenfrei angeboten werden, denn neben viel Arbeit verschlingt solch eine Produktion auch eine Menge Geld. Davon ließen sich die Macher von Nydenion aber nicht abschrecken, bewiesen Durchhaltewillen und brachten vor einigen Monaten ihren sehenswerten SF-Film auf DVD in die Läden. Wer die Produktionsumstände nicht kennt, der tut sich schwer einzuschätzen, ob es sich bei Nydenion um einen Fan-Film oder das solide B-Movie eines Studios handelt. Auch die SF-Satire Iron Sky ist solch ein Grenzgänger. Ein anfangs winziges Budget, einfachste Produktionsbedingungen und eine gefühlt unendlich lange Postproduction kennzeichneten dieses Projekt, das massive Aufmerksamkeit erhielt, als gestandene Schauspieler wie Udo Kier und Götz Otto an Bord kamen. In der Folge gab es immer mehr finanzielle Unterstützung seitens der Fans, bis am Ende ein Film dabei herauskam, der einen Verleiher fand, auf der Berlinale gezeigt wurde und anschließend eine Kinoauswertung erhielt. Diese Beispiele verdeutlichen, wie durchlässig die Grenzen inzwischen geworden sind.
Den Weg des Non-Profit geht hingegen James Cawley mit seiner Internetserie Star Trek: Phase II konsequent zu Ende, denn die fertigen Episoden werden kostenfrei im Netz angeboten. Allerdings wäre es auch gar nicht möglich, dafür Geld zu verlangen, denn CBS Paramount erlaubt die Verwendung des Namens Star Trek, der Charaktere und weiterer Elemente in Fanprojekten nur, solange kein Geld damit verdient wird. Star Trek: Phase II ist als inoffizielle vierte Staffel der Classic-Serie konzipiert. Zahlreiche Schauspieler aus den Star Trek Serien, z.B. George Takei, Walter Koenig, Denise Crosby oder Grace Lee Whitney spielen mit und auch Autoren, die schon für das Franchise geschrieben haben (genannt seinen David Gerrold oder D.C. Fontana), steuern Storys bei. Die Effekte können sich wirklich sehen lassen und auch die Kulissen sind überzeugend. Kein Wunder, denn immerhin fließen ca. 70.000 Dollar in jede der bislang veröffentlichten Folgen. Die Macher zahlen die Unkosten aus eigener Tasche, wobei Fans Geld spenden können, um die Serie zu unterstützen.
Eine der Episoden von Star Trek: Phase II wurde von Marc Zicree inszeniert, der schon für Star Trek: TNG, Star Trek: Deep Space 9, Sliders, und Babylon 5 geschrieben hat. Gemeinsam mit Effects-Guru Doug Drexler (u.a. Star Trek: TNG, BSG und Caprica) und Regisseur Neil Johnson will Zicree die Filmreihe Space Command inszenieren, die sich inhaltlich an der klassischen Space Opera der 1950er Jahre orientiert und optisch Anleihen am Zeichenstil eines Wally Wood, Chesley Bonestell oder Ed Emshwiller nimmt. Den Verantwortlichen geht es darum, die positive SF jener Ära wieder zurückzubringen, die vom Drang nach Abenteuer und der Erforschung des Weltalls geprägt war. Sie soll damit ein deutliches Gegengewicht zu den aktuellen, eher düsteren Stoffen bilden. Als Schauspieler konnte man bekannte Mimen wie George Takei, Bill Mumy, Armin Shimerman, Rachel Luttrell und Robert Picardo gewinnen. Da kann so manche TV-Serie nicht mithalten.
In einem Video stellt Zicree die Mitstreiter und sein Projekt eingehend vor, das er mit finanzieller Hilfe der Fans realisieren will:
Zur Finanzierung nutzt Zircree das Crowdfunding, das auch schon in die deutsche Hörspielszene Einzug gehalten hat. Dort jedoch sind es etablierte Studios, die mit ihren Umsatzzahlen nicht mehr klar kommen und darum vorab die Produktionskosten ihrer Hörspiele absichern wollen. Die Macher von Space Command wollen hingegen unabhängig von einem Hollywoodstudio oder einem Network ihre Filme realisieren und setzen auf die Zahlungsbereitschaft jener Fans, die vom aktuellen Angebot auf dem Serienmarkt gelangweilt sind und sich wieder mehr klassische SF wünschen. Offenbar kommt man mit dieser Intention gut an, denn von 816 Unterstützern wurden bereits über 90.000 Dollar eingezahlt. Wie beim Crowdfunding üblich, gibt es je nach Beitrag eine Gratifikation. Man kann als Fan sogar zum Koproduzenten aufsteigen, wofür jedoch ordentlich in die Tasche gegriffen werden muss. Da das angestrebte Ziel von 75.000 Dollar schon überschritten wurde, dürfte die Produktion der ersten Folge wohl gesichert sein. Die Aktion läuft jedoch wie geplant bis Mitte Juli 2012 weiter und es kann sich noch beteiligt werden, um so bereits die Fortsetzung zum guten Teil sicherzustellen. Für alle Fans, die Zicrees Vision teilen und sich nicht von den Lauen der Sender abhängig machen wollen, könnte eine finanzielle Untewrstützung für Space Command durchaus interessant sein.
Sicherlich sollte man sich bei aller Begeisterung genau informieren, ehe man für das eine oder andere Projekt den Geldbeutel zückt. James Cawley produziert auf eigene Kosten und Spenden für Star Trek: Phase II sind ein Dankeschön der Fans für seine geleistete Arbeit. Space Command hingegen wird durch Crowdfunding erst ermöglicht. Diese Form der Unterstützung hat für Interessierte den Vorteil, dass sie ihr Geld wieder bekommen, sollte die ausgerufene Gesamtsumme nicht erreicht werden. Im Falle von Star Command, wo das Crowdfunding bei Kickstarter stattfindet, fließt vorab überhaupt kein Geld, sondern die Kreditkarte wird überhaupt erst im Erfolgsfalle belastet. Eine gute Lösung, da man sich so Rückbuchungen erspart und für Beitragende außerhalb der USA teure Auslandsüberweisungen entfallen. Grundsätzlich sollte man immer den Background der Macher recherchieren, denn wenn diese das Geld erst einmal haben, ist es eine zweite Sache, was sie dann daraus machen. Projekte von Menschen, die noch nie ein eigenes Projekt (kommerziell oder non-profit) realisiert oder an einem überprüfbar mitgearbeitet haben, aber gleich Geld für eine mehrteilige Serie sammeln wollen, sollte man mit Vorsicht genießen. Es muss sich ja nicht um Betrüger handeln, aber so mancher Kreative hat sich mangels Erfahrung bereits selbst überschätzt und darum Schiffbruch erlitten. Wenn diese Leute untergehen, ist das schon schlimm genug, aber man muss als Unterstützer mit ihnen ja nicht auch noch sein eigenes Geld versenken.
Sein Monopol auf ansprechende Produktionen mit überzeugenden Plots, Schauspielern und Effekten haben die etablierten Studios auf jeden Fall verloren. Zwar werden Independent-Filme oder Serien, die im Vergleich zu Mainstreamstreifen mit einem Micro-Budget daherkommen, nie eine wirkliche Konkurrenz oder gar Bedrohung für die Majors sein, doch sie finden ihr Publikum, aktivieren Unterstützer und verschaffen sich zunehmend eine Fangemeinde, die Dank des Internets über die ganze Welt verstreut ist. Sie bereichern die Szene und sorgen dafür, dass Fans, die von den kommerziellen Anbietern vernachlässigt werden, sich weiterhin im Genre zuhause fühlen. Allein dafür muss man ihnen dankbar sein.
Link: Crowdfunding zu Space Command bei Kickstarter