Soziologische Studien
Meine letzte Woche in der Reha ist angebrochen und ich würde am liebsten anfangen, die Stunden zu zählen, bis ich am Mittwoch wieder nach Hause darf. Aber auch, wenn ich diese Klinik als ‘Anstalt’ bezeichne und die Patienten als ‘Insassen’, kann ich mich dennoch kaum beschweren. Die Therapien haben mir wirklich viel gebracht, ich habe an Beweglichkeit gewonnen und zugleich an Schmerzen verloren. Und ich war ‘gut untergebracht’, wie man so schön sagt. Und ich habe viele Menschen kennen gelernt.
Soziologische Studien in der Reha
So eine Reha-Einrichtung ist ein Panoptikum der unterschiedlichsten Typen und Archetypen, die von einem höheren Wesen vielleicht mit sehr viel Freude an der Individualität erschaffen worden sind. In einer solchen Parallelwelt trifft man auf Menschen, die man unter normalen Umständen vielleicht kaum eines Blickes gewürdigt hätte – und umgekehrt. Denn auf dem Weg zu der ein oder anderen Therapie, im Flur zwischen Kneipp-Guss und Muskeltraining fällt schnell die ein oder andere sorgsam gehegte Maske.
Da war die gestrenge Frau Typ Gouvernante, die erst aufblühte, als sie festgestellt hat, dass der Kaffeeautomat nicht nur entkoffeinierten Kaffee hergibt.
Oder der Mann mit der Lederjacke, der sich von diesem Kleidungsstück auch während der Therapien nicht trennen wollte. Beide wurden gemeinsam entlassen.
Oder die vertüdelte Dame, die vor 70 Jahren Kunstschwimmerin gewesen ist. “Aber dem jungen Mann im Schwimmbad [Therapeut] zeige ich keine Kunststückchen. Nee, sowas mach ich nicht!”. Nie habe ich erlebt, dass sich jemand am Buffet so gekonnt vorgedrängelt hat, wie diese Person.
Lustig war auch die ‘Gurkentruppe’, die sich regelmäßig am Raucherpavillon traf und dort auch in kalten Nächten nicht nur dem Nikotin frönte.
Und mir taten die Leute leid, die 6 Wochen und mehr in dieser Anstalt verbringen mussten oder müssen.
Denn glaubt mir, wenn einem alle 2-3 Tage der ortsübliche Lagerkoller erwischt, dreht man langfristig am Rad. Aber das habe ich ja nun bald hinter mir.
Story Pics 46
Natürlich erzähle ich euch diese soziologische Studien nicht zum Spaß. Ich möchte nämlich in meiner Geschichte, die im Rahmen von Story Pics für mich geschrieben werden wird, das Wort
Insassen
unterbringen.
Zur Übersicht die bisher gefallenen Wörter: Aufbruch, fremd, unerkannt, Grausamkeit, Treffen, Gefühl, Markierung, flüchten, Talisman, Willkür, Goldkettchenträger, Feuerpause, Kommissar, Gefängnisfraß, Geständnis, Killerviren, Gemetzel, vorsintflutlich, ballern, eisig, Interpol, Fluchtfahrzeug, Polizeireporter, Schattenmann, gestresst, Prohibition, korrumpieren, Motorradgang, ironisch, Opfer, Feuer, Schmuggel, picobello, Denunziant, Gangsterliebchen, Glück, Schotten, suchen, Epidemie, Luxus, gefährlich, Zeit, schlafen, Angriff