Der Mindestlohn bewegt die Gemüter wie kaum ein anderes Thema. Wochenlang schien es im Wahlkampf nur noch um die Frage zu gehen, wie man ihn wohl am Ende nennen möge und ob er bei 8,50 Euro oder gar noch höher anzusiedeln sei. Folglich war man sich in den aktuellen Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD rasch einig: Der Mindestlohn muss kommen. Ein Sieg der schier übermächtigen Brigade linkspopulistischer Medien, die sich bei der Abschaffung der Tarifautonomie am Ziel ihres journalistischen Klassenkampfes wähnen darf. Monat für Monat hatte die vereinigte redaktionelle Linke den medialen Druck erhöht, bis sich selbst Konservative und Liberale aus Angst vor dem Wähler beugten. An vorderster Front immer mit dabei: Die “taz”. Doch in dieser Woche bezog das sozialistische Vorzeigeprojekt sogar von der eigenen Klientel heftige Prügel. In einer Stellenanzeige wird seit Mittwoch ein Volontär gesucht – für ein Monatsgehalt von 903,15 Euro, was einem Stundenlohn von nicht einmal 5,50 Euro entspricht. Von Mindestlohn weit und breit keine Spur! Dafür jede Menge Stoff für den “Klodeckel des Tages”, der diesmal also an die “taz” geht.
Es ist schon reichlich entlarvend, wenn einer der lautesten Rufer nach dem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn eben dies gerade bei sich selbst für nicht realisierbar erklärt. Erst vor vier Wochen titelte die “taz” zur damals noch laufenden Mindestlohndiskussion zwischen den künftigen Koalitionspartnern vom hohen Ross herab: “Deutschland gehen die Ausreden aus”. Umso interessanter, wie sich die Redaktionsleitung nun selbst herausredet. In einer eilig über den eigenen Blog verbreiteten Verlautbarung ließ die “taz” wissen, dass die Zeitung nur existieren könne, weil ihre Mitarbeiter bereit seien, sich aus Idealismus und Überzeugung mit einer Bezahlung zufrieden zu geben, die bei lediglich zwei Dritteln des branchenüblichen Lohns liege. Man müsste also, so die “taz”, ein Drittel der rund 250 Mitarbeiter entlassen, wolle man angemessene Löhne bezahlen. Eine entsprechende Steigerung der Umsätze halte man als Alternative für “kurzfristig unrealistisch”. Das zum Prinzip erklärte Unterlaufen der selbst propagierten Lohnuntergrenze würde von den Mitarbeitern jedoch akzeptiert, “weil das kleinere Geld durch größere Möglichkeiten, Freiheiten und ein einzigartiges Umfeld durchaus aufgewogen” werde. Aha, so einfach ist das also.
Zumindest hat die “taz” die Funktionsweise marktwirtschaftlicher Prinzipien verstanden. Ein Unternehmen kann nur so viele Mitarbeiter beschäftigen bzw. seinen Angestellten nur so viel bezahlen, wie es die Firmenkasse nach Abzug aller Kosten hergibt. Bravo! Interessanterweise akzeptiert der Genosse Redakteur diese altbewährte Kausalität aber nur dort, wo er sich als Unternehmer selbst am Markt behaupten muss. Alle anderen Arbeitgeber sollen gefälligst einen Mindestlohn zahlen. Am besten gleich 10 Euro die Stunde, koste es, was es wolle, vielleicht auch die Existenz. So geht Sozialismus: Immer die anderen! Das Schreiben für die “taz” zum Mini-Lohn ist für Linke akzeptabel, weil das höhere Ziel offenbar alles rechtfertigt. Vielleicht sollte sich die selbsternannte sozialistische Avantgarde aber mal fragen, ob das so vehement im eigenen Haus verteidigte Modell nicht auch für Arbeitnehmer anderer Branchen taugt. Einen Job zu haben, ist nämlich allemal besser, als bei flächendeckendem Mindestlohn arbeitslos zuhause rumzusitzen. Fragen Sie mal die Mitarbeiter der “taz”…
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