Sozialfirmen – Retter in der Not oder skrupellose Profiteure?

Oft ist es schwierig, nach einer längeren Zeit der Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit wieder ins Erwerbsleben zurückzufinden. Schnell haftet den betroffenen Menschen das Stigma der Leistungsunfähigkeit an. Denn die meisten Unternehmen wollen das Risiko nicht eingehen, jemanden einzustellen, der nach einem halben Jahr (krankheitshalber) wieder ausfällt und möglicherweise auch noch hohe Kosten verursacht. Genau hier springen sogenannte „Sozialfirmen“ ein.

Kanalarbeiter bei der Arbeit in einer Stadt

Was ist eine „Sozialfirma“?

Sozialfirmen funktionieren einerseits wie jedes andere privatwirtschaftliche Unternehmen und wollen am Ende des Geschäftsjahres Gewinne verbuchen. Auf der anderen Seite schreiben sie sich aber zusätzlich eine soziale Mission auf die Flagge. Diese besteht in der Förderung von Menschen, die auf dem freien Arbeitsmarkt wenige bis keine Chancen haben.

Eine Sozialfirma stellt also Langzeitarbeitslose, Menschen mit Behinderungen oder Sozialhilfeempfänger ein. Diese Menschen erhalten so einen Job im geschützten Rahmen beziehungsweise auf dem „zweiten Arbeitsmarkt“. Das Ziel ist dabei immer die Reintegration in den Arbeitsmarkt.

Retter in der Not…

Die Anstellung in einer Sozialfirma kann für einen Menschen die Chance auf Wiedereinstieg in die Erwerbstätigkeit bedeuten. Als Beispiel: Wenn jemand aufgrund von Depressionen ein Jahr lang arbeitsunfähig war und von der IV lebte, stehen seine Chancen nicht allzu gut, von einem „normalen“ Unternehmen eingestellt zu werden. Denn unter mehreren qualifizierten Bewerbern bevorzugen Firmen in der Regel Kandidaten, die nicht direkt aus einer längeren Zeit der Arbeitslosigkeit kommen. Ein gutes Arbeitszeugnis von einer Sozialfirma kann hier den Unterschied machen. Es dient dann als eine Art Beweis, dass der Betroffene (wieder) leistungsfähig und belastbar ist.

Mann_handwerkliche Arbeit

…oder skrupellose Profiteure?

Kritiker zweifeln an den sozialen Motiven hinter diesem System. Sie werfen Sozialfirmen vor, die Notsituation von auf dem Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen auszunutzen, um Billigarbeitskräfte zu gewinnen. Denn Sozialfirmen arbeiten oft eng mit der Sozialhilfe zusammen und werden direkt oder indirekt subventioniert. So kann die Sozialversicherung den Lohn eines vermittelten Arbeitnehmers teilweise oder vollständig übernehmen und die entsprechende Summe von den Versicherungsleistungen abziehen.

Für den Versicherten lohnt sich die Arbeit also rein finanziell gesehen nicht. Hinzu kommt, dass das Anstellungsverhältnis häufig nicht auf einem freien Arbeitsvertrag, sondern auf einer administrativen Verfügung basiert. Widersetzt sich der Betroffene, kann er sogar sanktioniert werden (z. B. mit Leistungskürzungen).

Sozialfirma ≠ Sozialfirma

Gehören Sozialfirmen nun zu den Good Guys oder den Bad Guys? Wie so oft lautet die Antwort: „Es kommt darauf an“. Da der Begriff „Sozialfirma“ rechtlich nicht definiert ist, fallen alle möglichen Arten von Unternehmen darunter, die sich in weitester Form arbeitsintegrativ betätigen. Auf der einen Seite des Spektrums gibt es grosse Unternehmen, die von der Versicherung vermittelten Arbeitnehmern niedrigqualifizierte Arbeit zuweisen und sie dann nicht weiter betreuen.

Auf der anderen Seite stehen Firmen, die mit Jobcoaches zusammenarbeiten und echte Löhne bezahlen. Einen Mittelweg schlagen jene Unternehmen ein, welche den Betroffenen zu ihren Qualifikationen passende Stellen anbieten und für eine unterstützende Begleitung durch geschulte Betreuer (z. B. Sozialarbeiter) sorgen.

Was meinen Sie – sind Sozialfirmen Retter in der Not oder skrupellose Profiteure? Schreiben Sie es in die Kommentarspalte!

Autorin: Christina Graf

Quellen: Neue Zürcher Zeitung, TagesAnzeiger, WOZ, Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV)


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