Soziales Nachhaltigkeitsbarometer: 13 Aussagen der Bevölkerung zur Umsetzung der Energiewende

Die Zustimmung zur Energiewende ist in der Bevölkerung nach wie vor sehr hoch, quer durch alle Bildungs-, Einkommens- und Altersgruppen. Mittlerweile betrachten auch mehr Menschen die Energiewende als eine Gemeinschaftsaufgabe, an der sie sich beteiligen möchten. Aber so schön wie das klingt ist es nicht, denn gleichzeitig nimmt die Kritik an der Umsetzung zu. Die Umsetzung der Energiewende betrachten viele Menschen als zu teuer, als chaotisch und als ungerecht. Dies sind die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Soziales Nachhaltigkeitsbarometer, der in 2018 zum zweiten Mal durchgeführt wurde, um ein Stimmungsbild in der Bevölkerung zur Energiewende zu ermitteln. Die 12 wichtigsten Aussagen aus der Untersuchung findest Du in diesem Beitrag.

Das zweite soziales Nachhaltigkeitsbarometer zur Energiewende

Bereits zum zweiten Mal haben die Organisationen in der Partnerschaft dynamis einen sozialen Nachhaltigskeitsbarometer veröffentlicht. Die erste Umfrage haben sie in 2017 durchgeführt und 2018 veröffentlicht. Jetzt haben das Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS), die 100 prozent erneuerbar Stiftung und die innogy Stiftung für Energie und Gesellschaft die Ergebnisse der zweiten Umfrage aus 2018 vorgelegt.

In der Umfrage haben sie über 6.500 Bürgerinnen und Bürger befragen lassen, die in ihrem Haushalt oder gemeinsam mit Partner/ Partnerin über finanzielle Angelegenheiten entscheiden. Die Fragen betrafen ihre Einstellungen, Erfahrungen und Präferenzen der Energiewende.

So denkt die Bevölkerung über die Energiewende

Dass nicht alles positiv ist an der Energiewende kann man sich schon denken. Den einen geht es zu langsam, anderen wird der Strom zu teuer und andere beschweren sich über Windräder vor dem Haus. Dabei scheint es so zu sein, als ob die unterschiedlichen Sichtweisen unversöhnlich aufeinander prallen. Ich kann von allen Seiten keine Schritte zur Versöhnung erkennen. Die Politik zeigt auf der anderen Seite zu wenig Gestaltungswillen und macht, nach meinem Eindruck nicht den Versuch ein konsequentes Ziel zu verfolgen oder einen sozial ausgewogenen Weg zu finden.

Diese 12 Erkenntnisse kannst Du aus dem dem zweiten Soziales Nachhaltigkeitsbarometer entnehmen, den es auch als pdf-Datei zum Download beim IASS gibt.

Zustimmung zur Energiewende weiterhin hoch

Eine breite Mehrheit der Bevölkerung sieht die Energiewende auf dem richtigen Weg. Es stehen immer noch 90 Prozent der Bevölkerung hinter der Energiewende, quer durch alle Bildungs-, Einkommens- und Altersgruppen, gleichermaßen auf dem Land wie in den Städten. Das sind zwei Prozentpunkte mehr als bei der Befragung 2017.

Interessant ist, dass 80 Prozent der Bevölkerung die Energiewende als eine Gemeinschaftsaufgabe betrachten. Jeder/Jede in der Gesellschaft sollte einen Beitrag dazu leisten. Dies ist eine leichte Steigerung gegenüber dem Vorjahresergebnis (+5). Auch in den einkommensschwachen Haushalten stimmen 76 Prozent (+ 6) dieser Aussage zu.

Kritik an der Umsetzung der Energiewende hat zugenommen

Trotz weiterhin hoher Zustimmung zur Energiewende hat die Kritik im letzten Jahr zugenommen. Mittlerweile betrachten 47 Prozent der befragten Personen den Stand der Energiewende in Deutschland mehrheitlich negativ. Diese Einschätzung liegt damit um 14 Prozentpunkte höher als in der Vorjahresbefragung.

Hier ist aber interessant was sich dahinter verbirgt. Kritik an der Energiewende kann man üben weil es zu langsam vorwärts geht und auch weil man insgesamt unzufrieden ist. Die kritischere Sichtweise betrifft, gemäß dem sozialen Nachhaltigkeitsbarometer, die Aspekte Gerechtigkeit, Bürgernähe, Kosten und politische Steuerung.

Unzufriedenheit mit der Energiewende-Politik der Bundesregierung gestiegen

Deutlich angestiegen ist die Unzufriedenheit mit der Politik der Bundesregierung im Hinblick auf die Energiewende. Inzwischen sind mit 61 Prozent der Bevölkerung weit mehr als die Hälfte mit der politischen Umsetzung der Energiewende unzufrieden. Das sind 12 Prozentpunkte mehr als in der ersten Befragung.

Dabei geben 58 Prozent der Unzufriedenen an, dass sie eine zu langsame Umsetzung der Energiewende und damit eine fehlende Wirksamkeit beim Klimaschutz bemängeln. Und knapp über die Hälfte stört sich daran, dass die soziale Gerechtigkeit nicht ausreichend Berücksichtung findet.

Vertrauen in die Energiewende-Kompetenz der Parteien gesunken

Die im Bundestag vertretenen Parteien können die Bevölkerung nicht von ihrer Politik für die Energiewende überzeugen. 31 Prozent der Bevölkerung sind von keiner der Parteien überzeugt was die Umsetzung der Energiewende betrifft. Vor einem Jahr lag dieser Wert noch um acht Prozentpunkte niedriger. Die höchsten Kompetenzwerte erreichen Bündnis 90/ Die Grünen mit 27 Prozent, ein Plus von sieben Prozentpunkten.

Bei Anhängern der CDU/CSU ist die Zufriedenheit sogar um 18 Prozentpunkte gesunken im Vergleich zum Vorjahr. Anhänger der FDP sind um sechs Prozentpunkte zufriedener mit 38 Prozent. Die Anhänger von Bündnis 90/ Die Grünen sind zu 78 Prozent (plus vier) am zufriedensten mit der eigenen Partei.

Bundesweit unverändert hohe Mehrheit für Kohleausstieg

Die Zustimmung der Bevölkerung zum Ausstieg aus der Kohleverstromung liegt bundesweit bei knapp zwei Dritteln der Bevölkerung mit 64 Prozent (+1). Der Kohleausstieg hat damit den gleichen Wert erreicht wie der Atomausstieg (64 Prozent, -4). Die Ablehnung des Kohleausstiegs liegt bei 13 Prozent (+2) und vier Prozent lehnen ihn strikt ab. In dieser Zustimmung gibt es einen einen deutlichen Unterschied zwischen den westlichen und östlichen Bundesländern (inklusive Berlin). Die Zustimmung zum Kohleausstieg ist in den östlichen Bundesländern geringer (51 Prozent und 67 Prozent im Westen), während die Ablehnung etwas höher ist (18 Prozent) als im Westen (11 Prozent).

In den direkt betroffenen Regionen und Bundesländern hat die Untersuchung ein differenzierteres Bild ermittelt. Auch wenn die Mehrheit in diesen Regionen nach wie vor für den Ausstieg ist, steigt die Ablehnung. So sind in der zweitgrößten Braunkohleregion Deutschlands, in der Lausitz, 43 Prozent der Bevölkerung gegen den Kohleausstieg.

Mehrheit steht noch hinter den Klimaschutzzielen

Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung von 87 Prozent steht hinter den Klimaschutzzielen und möchte sie auch nicht aufgeben, trotz des zu erwartenden Verfehlens der Ziele für 2020. Diese hohe Zustimmung gilt einkommens- und parteiübergreifend, nach Angaben des soziales Nachhaltigkeitsbarometer 2018.

Wenn es konkret wird, dann scheint die große Zustimmung zu sinken. Denn die Hälfte der Befragten möchte die Ziele zeitlich aufschieben, um den betroffenen Regionen und der Industrie mehr Zeit zur Umstellung zu lassen. Ein Drittel (36 Prozent) möchte hingegen einen schnelleren Klimaschutz, auch wenn es zu höheren Belastungen kommt.

Zustimmung für CO2-Preise bei gleichzeitiger Entlastung

Moderat ansteigende Energiepreise finden bei einer Mehrheit von 54 Prozent Zustimmung. Es ist kein Wunder, dass diese Haltung bei einkommensstarken Haushalten mit 64 Prozent der Befragten stärker ausgeprägt ist. Rund 22 Prozent halten solche Preisänderungen nicht gerechtfertigt. Und 23 Prozent der einkommensschwächeren Haushalte würden mehr für Autofahren oder Fliegen bezahlen, bei den einkommensstärkeren Haushalte ist der Wert mit 45 Prozent fast doppelt so hoch.

Wenn es hingegen Entlastungen anderer Stelle gibt, dann akzeptieren 46 Prozent höhere Preise für mehr Klimaschutz bei der Wärmeversorgung oder Mobilität.

Mehrheit gegen Verbot von Verbrennungsmotoren - Zustimmung zur Elektromobilität

In der Umfrage hat sich, mit 54 Prozent, etwas mehr als die Hälfte der Befragten gegen ein Verbot von Verbrennungsmotoren bis 2030 ausgesprochen. Ungefähr genauso viele (55 Prozent) sind für den Ausbau der Elektromobilität in Deutschland, während 15 Prozent ihn ablehnen. Besonders ausgeprägt ist das Interesse an der Elektromobilität in der Altersgruppe der 18 bis 29 jährigen, diese stehen zu 67 Prozent dem Ausbau der Elektromobilität positiv gegenüber.

Bei erneuerbaren Energien sind Solar-Dachanlagen am beliebtesten

Solar-Dachanlagen nehmen mit großem Abstand den Spitzenplatz unter den erneuerbaren Energien ein. Diese befürworten 81 Prozent der Bevölkerung, in stark besiedelten Gebieten sind es immer noch 80 Prozent. Mit 64 Prozent Zustimmung folgen die Windenergie-Anlagen auf See, während die Windenergie an Land nur eine Zustimmung von 46 Prozent erhält. Bei der Windenergie an Land ist auch die Ablehnung am höchsten mit 22 Prozent (-2 im Vergleich zum Vorjahr). Der Ausbau von Freiflächensolaranlagen erhält eine Zustimmung von 59 Prozent.

Ablehnung der Windenergie an Land abhängig von der Anzahl der Anlagen

Die Ablehnung der Windenergie an Land hängt deutlich ab von der persönlichen Betroffenheit. Klar, wer die Windenergie-Anlagen nur von der Bahn aus sieht, findet sie vielleicht noch schön. Aber je größer die Anzahl der Anlagen in der Nähe der Wohnung, um so mehr nimmt die persönliche Betroffenheit zu. Und umso stärker steigt die Ablehnung der Anlagen. Während sich nur 10 Prozent derjenigen gestört fühlen, die sechs bis 20 Anlagen in einer Entfernung von einem bis zwei Kilometer vom Wohnhaus haben, sind es bereits 25 Prozent, wenn sie die Anlagen direkt sehen.

Damit steigt auch die Ablehnung der Technologie an sich. Denn 69 Prozent der Personen, die sich von einer Windanlage in ihrer Nähe gestört fühlen, lehnen den weiteren Ausbau von Windanlagen an Land ab. Interessant ist auch, dass diese Bevölkerungsgruppe die Energiewende häufiger als ungerecht (80 Prozent) und elitär (69 Prozent) empfindet.

Bürgerbeteiligung wichtiger als schneller Ausbau der Windenergie

Ein Problem beim Ausbau der Windenergie an Land scheint die fehlende oder nicht ausreichende Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger zu sein. Eine deutliche Mehrheit von 86 Prozent möchte eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am Planungsprozess von Windenergie-Anlagen. Und für 55 Prozent ist es sogar wichtig, dass Betroffene die letzte Entscheidung erhalten, ob in der Region weitere Anlagen gebaut werden. Noch knapp die Hälfte der Gesamtbevölkerung sieht eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger wichtiger als einen möglichst schnellen Ausbau der Windenergie.

Prosumer sind bisher fast nur Eigenheimbesitzer

Sehr deutlich sieht man die sozialen Unterschiede in der Betrachtung wer bisher in Solar- und Windenergieanlagen investiert hat. Laut soziales Nachhaltigkeitsbarometer sind die Prosumer in der Regel Eigenheimbesitzer (93 Prozent). Nur sechs Prozent der gesamten Bevölkerung haben bisher allein oder gemeinschaftlich in eine eigene Photovoltaik-Anlage investiert. Nur jeder fünfte Befragte (21 Prozent, +1) ist bereit in den nächsten zwei Jahren in eine eigene Solar-Anlage zu investieren. Und 19 Prozent können sich das gut vorstellen.

Aber interessant ist auch, dass sich 45 Prozent eher nicht vorstellen können in den nächsten zwei Jahren alleine oder gemeinsam mit anderen in eine eigene Solar- oder Windenergieanlage zu investieren. Die Hauptgründe sind, dass sie als Mieter nicht die Möglichkeit dazu haben, dass es zu teuer ist und sich nicht lohnt.

Flexibilität beim Stromverbrauch nur bei eigener Kontrolle

Bist Du flexibel bei der Nutzung von Waschmaschine und Geschirrspüler? Für 60 Prozent der Bevölkerung ist, nach Angaben des soziales Nachhaltigkeitsbarometer, ein alternatives Strompreismodell vorstellbar. Aber nur acht Prozent der Befragten wollen flexible Tarife mit schwankenden Strompreisen nutzen. Wenn es solche Preise gibt, dann bevorzugen die meisten Befragten (42 Prozent) eine digitale Anzeige nach dem Ampelmodell. Damit können die Verbraucherinnen und Verbraucher selbst entscheiden wann sie ihre Geräte einschalten. An zweiter Stelle, mit 30 Prozent, steht ein digitales Energiemanagement, das bei flexiblen Stromtarifen den Stromverbrauch steuert. Aber eine deutliche Mehrheit von 74 Prozent lehnt eine Steuerung der Haushaltsgeräte durch den Energieversorger, entsprechend der Preisentwicklung, ab.

Fazit des Soziales Nachhaltigkeitsbarometer 2018

Die Umfrage im Soziales Nachhaltigkeitsbarometer 2018 ist sehr ausführlich und differenziert. Sie gibt einen sehr guten Einblick in die Einstellungen und Befindlichkeiten der Bevölkerung. Mit diesem Dokument kann man auch mal aus der eigenen Filterblase hinaus blicken. Aber grundsätzlich können wir feststellen, eine breite Mehrheit der Bevölkerung steht nach wie vor hinter der Energiewende. Die Kritik, dass sie zu teuer ist, zu chaotisch und ungerecht sollte man aber sehr ernst nehmen. Denn sonst kann die Kritik und die Gegenwehr größer werden.

Von der Kritik angesprochen ist natürlich in erster Linie die Politik, die verantwortlich ist für die Steuerung und für die Regulierung. Aber auch Unternehmen sollten sich angesprochen fühlen. Denn sie können und müssen bei Projekten die Bürgerinnen und Bürger mehr einbeziehen, und sie können attraktive Angebote schaffen, damit sie sich stärker beteiligen können und beteiligt fühlen. Ein paar Beispiele habe ich auf der E-world 2019 gefunden.


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