Soziale und ökologische Missstände in der T&B-Industrie

Verschiedenste Entwicklungen haben dazu geführt, dass sich speziell im T&B-Sektor eine eigene Branchenethik herausgebildet hat. Frägt man nach der Verantwortung für die herrschenden Missstände, ist die Unterscheidung in Individualethik und Systemethik relevant. In Zusammenhang mit einer liberalistischen Auffassung von Wirtschaft, sollen die in Unternehmen tätigen Menschen, in ihrer Rollenverantwortung durch egoistisches Handeln am Markt, das Wohl der Allgemeinheit erhöhen. Der Markt übernimmt in diesem Falle eine Entlastungsfunktion für die Unternehmen und ihre MitarbeiterInnen. Es entwickelt sich eine Wirtschafts-Systemethik, welche durch verschiedene Umstände in den einzelnen Branchen zu einer Herausbildung einer spezifischen Branchenethik führen kann. Der Abgleich von Individualethik der MitarbeiterInnen mit dem System in dem sie sich befinden, könnte hier Abhilfe schaffen. Eine Systemethik, die Individualethik unterdrückt und moralische Entlastungssysteme kultiviert, ist jedoch der Gefahr ausgesetzt, sittliches Handeln auszublenden (vgl. Wiedmann 2004). So herrscht noch allzu oft in der unternehmerischen Praxis die Meinung, dass im „… harten Wettbewerb wenig Platz für ethische Überlegungen“ bleibe. Oder „… der Zweck heiligt die Mittel“ oder „… wenn wir es nicht machen, macht es eben ein anderer“. Ganz nach dem Motto aus der Dreigroschenoper von Brecht: „Erst kommt das Fressen und dann die Moral!“ (vgl. Eisele 2004). So genannte Sachzwänge, wie die Annahme, dass Gewinnmaximierung die natürliche Grundlage unternehmerischen Handelns sei, basieren auf normativen Grundhaltungen und wertenden Annahmen oder Idealvorstellungen (vgl. Köhler 2004, S. 313).

Soziale und ökologische Missstände in der T&B;-IndustrieMulti-Stakeholder-Initiativen, wie die FWF (Fair Wear Foundation) fordern darum, basierend auf den ILO[1]-Konventionen: freiwillige Beschäftigung (Keine Zwangsarbeit), keine Diskriminierung (Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Religion, politische Ausrichtung, Gewerkschaftsmitgliedschaft, Nationalität, sozialer Herkunft, Gebrechen oder Behinderung), keine Kinderarbeit (ArbeiterInnen müssen das Pflichtschulalter überschritten haben und min. 15 Jahre alt sein), Vereinigungsfreiheit und Recht auf kollektive Verhandlungen (Gewerkschaften), Zahlung eines Bedürfnislohnes (Lohn muss reichen um die Grundbedürfnisse der ArbeiterInnen und ihrer Familien zu erfüllen sowie darüber hinaus einen Betrag zur freien Verfügung enthalten, Lohnabzüge als Strafmaßnahme sind nicht gestattet), keine überlangen Arbeitszeiten (max. 48 h Woche, Überstunden müssen freiwillig sein und dürfen 12 h pro Woche nicht überschreiten, 1 Tag Urlaub im Zeitraum von 7 Tagen), Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz (sichere und hygienische Arbeitsumgebung) sowie ein rechtsverbindliches Arbeitsverhältnis (vgl. Clean Clothes 2010, vgl. Cornelius 2010).


[1] Die ILO ist seit 1946 eine Unterorganisation der UNO mit Sitz in Genf (vgl. Busse 2006, S. 37). Gegründet wurde sie jedoch schon im Jahr 1919 und war ursprünglich eine ständige Einrichtung des Völkerbundes zur Sicherung des Weltfriedens durch soziale Gerechtigkeit. Initiiert wurde sie durch Forderungen der sozialdemokratischen Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale. Inzwischen hat die ILO 182 Mitgliedsstaaten (vgl. Wikipedia 2010b). Die ILO hat es sich zur Aufgabe gemacht international anerkannte Arbeitsstandards zu schaffen und aufrecht zu erhalten um Männern und Frauen Arbeitsumgebungen zu gewährleisten, in denen sie in Freiheit, gegen faire Entlohnung, in Sicherheit und Würde ihrer Tätigkeit nachgehen können (ILO 2010).



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