Soul Jetlag oder: zu Gast im eigenen Leben

Wenn mir manches in meinem Leben auch nach einer Woche immer noch seltsam erschient, nehme ich das erst.

Ich bin seit einer Woche zurück aus meiner Zwischenrente. Als Zwischenrente bezeichne ich das, was im Volksmund „Urlaub" heißt. Da ich nicht vorhabe, irgendwann in Rente zu gehen, brauche ich auch keinen Urlaub. Ich nehme mir meine „Rente" in der Zeit zwischen dem intensiven und erfüllenden Arbeiten.

Mein Zeiterfassungstool macht sich Sorgen: es wurden auch diese Woche keine Zeiten erfasst, ob ich irgendwas in meinen Einstellungen falsch gemacht hätte?

Nein, habe ich nicht. Ich habe bloß nicht gearbeitet. 19 Tage lang nicht.

Die Mails mancher Kollegen fangen dann auch mal so an:

„Nadja, ich weiß, dass du im Urlaub bist. Vielleicht liest du ja trotz digital Detox deine Mails und kannst meine Frage beantworten?"

Nein, tue ich nicht.

Zurück in Deutschland, zurück in dem „Arbeitsleben" fühle ich mich wie ein Gast im eigenen Alltag und schaue mir so manches verwundert an.

Soll das so? Oder ist es nur zufällig?

Mails lesen zum Beispiel. Oder Social Media nutzen. Dieses total beschäftigt sein.

Ist das mein Leben?

Was möchte ich der Nachwelt hinterlassen? Woran sollen sich andere erinnern, wenn ich nicht mehr da bin? Sollen sie überhaupt sich an mich erinnern?

Das berühmte Buch der australischen Krankenschwester, in dem sie beschreibt, was Sterbende bereuen, kommt mir wieder in den Sinn. Die Top drei Themen sind:

1. „Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu leben"
2. „Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet"
3. „Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meine Gefühle auszudrücken"

Bronnie Ware

Beim Punkt 1 und 3 bin ich ziemlich gut unterwegs, doch was ist mit Punkt 2? Will ich meinen Kindern dieses Beispiel sein? Eine stets beschäftigte Frau? Jemand, der auch abands um 9 noch etwas am PC schreibt?

Zu Gast im eigenen Leben

Leute, macht bitte ab und zu ein richtiges digitales Detox! So richtig richtig Mails aus, Benachrichtigungen aus, an paar nacheinander folgenden Tagen auch komplett Flugmodus (besonders wenn man sowieso im Ausland ist).

Kein Mensch braucht schnelles Internet am Pool! Und schon gar nicht brauchen wir einen Hotspot am Strand!

Soul Jetlag oder: zu Gast im eigenen LebenSo machst du auf dem iPhone den Empfang der Mails ausSoul Jetlag oder: zu Gast im eigenen LebenMitteilungen lassen sich mit einem Klick ausschalten

Augen auf! Handy aus! Mach dein Herz weich, mach deine Schultern breit, mach deine Füße nass mit salzigem Wasser und deine Nase weiß mit Sonnencreme!

Lasst uns rausgehen, Wetter und Natur genießen, Menschen treffen, Erfahrungen machen, die wir nicht auf Instagram teilen und Erkenntnisse gewinnen, die wir in Tagebüchern mit Kugelschreibern festhalten! Mein Tagebuch der vergangener Reise ist knallvoll mit Aha-Momenten, und ich bin stolz darauf, noch gar nichts davon online geteilt zu haben...

Kommt Zeit, kommt Blogbeitrag. Bis dahin gemieße ich etwas, das ich „Soul Jetlag" nenne. Meine Seele braucht offenbar länger als sieben Tage, um hier anzukommen. Ich bin im geiste noch nicht in dem hektischen Deutschland. Mein Herz ist immer noch weich, meine Schultern sind ungewöhnlich breit, und ich könnte den ganzen Tag vor Freude hüpfen.

Wie ging nochmal arbeiten?

Seufz.

Soul Jetlag oder: zu Gast im eigenen Leben

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