Viele schöne und aufregende Erlebnisse mit Videospielen lassen sich nur schwer wiedererleben. Das liegt zum einen an der sich immer weiterentwickelnden Spielelandschaft in Sachen wie Technik und Gameplay, aber auch an dem Wissens- und Erfahrungsschatz der im Laufe einer Zockerkarriere bei jedem von uns Nerds anwächst. So erinnere ich mich beispielsweise gerne an endlos lange Pro Evo - Saisons mit Freunden zurück oder welch inszenatorische Faszination ein Metal Gear Solid anno 1998 in mir auslöste. Doch wie das bei vielen Spielen so ist, verfliegt der Zauber mit den Jahren. Ein Pro Evolution Soccer oder Fifa aus den frühen 2000er Jahren würde im Vergleich zu aktuellen Produkten auf so gut wie allen Ebenen kein Land mehr sehen und Metal Gear Solid hat mir vor Kurzem nochmal vor Augen geführt, dass die Steuerung unter heutigen Gesichtspunkten mit „hakelig" noch wohlwollend umschrieben wäre.
Spannende Geschichten in langweiliger Verpackung
In der Seelen Chronik folgen wir den Geschichten rund um die namensgebende Seelenklinge mit allen Charakteren des Spiels. Das Besondere an diesem Modus: Wir können die Zeit- bzw. Storylines der einzelnen Spielfiguren jederzeit wechseln. Sollten wir also mal keine Lust mehr darauf haben, die tragische Geschichte des stockschwingenden Kiliks zu folgen, können wir uns einer anderen Geschichte zuwenden und zum Beispiel herausfinden, was der Meister des Samurai Schwerts Mitsurugi so treibt. Die Zeitlinien deuten dabei an, wann die einzelnen Ereignisse stattfinden und wann es zu Überschneidungen der Charaktere kommt. Das sorgt für Abwechslung im Gameplay, da sich die einzelnen Charaktere gewohnt serientypisch sehr von einander Unterscheiden und die einzelnen Storylines teilweise auch durchaus spannend sind. Leider kann die Präsentation diese, für Beat-em up-Verhältnisse interessante Geschichte, nicht durchgehend rüberbringen. Denn alle Geschichten werden zum größten Teil in starren und meist sehr trist-langweiligen Erzählsequenzen dargestellt. Selbst der ein oder andere Kampf wird lediglich in Textform präsentiert, was in einem Prügelspiel schon für die eine oder andere Verwunderung sorgt. Immerhin hat man sich hier die Mühe gemacht alle Dialoge komplett zu vertonen.
Das klingt alles sehr spannend und abwechslungsreich, was es tatsächlich auch ist, jedoch hat es mich oft eine gewisse Überwindung gekostet, mich voll auf den Mission Modus einzulassen, was in der Seelenchronik auch an der drögen Präsentation liegt. Nicht mal die Textpassagen sind hier vertont und auch die etwas detailarme Oberfläche so wie die schnell wiederkehrenden Kampfarenen tragen nicht gerade zu der eigentlich gut erzählten Geschichte bei. Es ist in etwa so, als müsste man einen Großteil des Martial Arts-Klassikers „Der Mann mit der Todeskralle" als Roman beziehungsweise Actionfilme wie „Ip Man" als Hörbuch konsumieren. Hier zeigt ein Injustice 2 mit toll inszenierten Sequenzen zwischen den Kämpfen wie eine temporeiche und gut inszenierte Story in einem Beat em up aussehen sollte.
Entscheidend ist im Ring
Über die Serienteile hinweg fügten sich noch eine Reihe von Sondermechaniken hinzu, die dem Gameplay die letzte nötige Würze verliehen. Neben den bereits bekannten Soul Charge oder dem Critical Edge findet sich im sechsten Teil mit dem Reversal-Edge-System eine neue Mechanik. Löst man diese Aktion aus, findet im Prinzip ein Papier-Schere-Stein-Spiel auf Zeit zwischen den Kontrahenten statt. Man kann sich zwischen einem Horizontal- Vertikal- oder Tritt-Angriff entscheiden, wobei je eine gewählte Aktion die andere besiegt oder im Falle derselben Entscheidung neutralisiert. Eine auf jeden Fall bereichernde Funktion, die den ohnehin schon schweißtreibenden Kämpfen gerade in Multiplayer-Matches für ein Höchstmaß an Spannung sorgt.
Zweischneidige Technik und gewohnt scharfe Kurven
Der geneigte Fan wird sich auch wieder über die weiblichen Charaktere freuen, die in teils sehr freizügigen Anzügen in den Ring steigen. Dank des obligatorischen Armour Break können wir den Kontrahenten auch wieder Rüstungsteile abschlagen, die vor allem bei Frauen zusätzlich reizvolle An- und Einblicke in ihre Dessous-Kollektion erhaschen lassen. Eine zumindest fragwürdige Designentscheidung die zumindest mir nun doch etwas ausgelutscht und zu voyeuristisch wirkt.
Fazit
Der sechste Teil der Soul Calibur-Reihe konnte mich in den wichtigen Punkten Gameplay und Spielmechanik vollends überzeugen. Die Steuerung präsentiert sich gewohnt intuitiv, das Kampfsystem ist leicht zu erlernen und bietet gleichzeitig eine Vielfalt und Abwechslung in den Matches, wie ich es von einem guten Beat em up erwarten würde. Schade, dass die Entwickler von Project Soul bei der Präsentation und Optik so viel Potential lieblos verschenken. Ein gut inszenierter Story-Modus und etwas mehr Feinschliff bei Optik der Figuren und Arenen und ich wäre sicherlich geneigt noch mehr Zeit als Solist mit Soul Calibur 6 zu verbringen. Es bleiben die herausragenden und spannenden Duelle gegen menschliche Gegner die dieses Prügelspiel zu etwas besonderen machen.