Sorry, aber es wären einfach zu wenige Bürgerinnen und Bürger bereit, dafür zu zahlen

Es scheint, als ginge es um sein oder nicht sein. Am 4. März 2018 wird über die Volksinitiative «Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren» abgestimmt. Schon vor dem Jahreswechsel gab es in der Schweiz kaum ein anderes Thema mehr. Zumindest in den Medien. Und das ist auch kein Wunder: Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG), die Betreiberin der öffentlich-rechtlichen Sender, ist eine wichtige Arbeitgeberin in der Branche. Rund 6000 Mitarbeitende zittern um ihren Job – so zumindest die schlimmsten Befürchtungen der SRG-Verantwortlichen. Die Initiative nennt sich im Volksmund «No Billag». Das Unternehmen Billag treibt aktuell die Rundfunkgebühren ein. Und sie verschickt Rechnungen. Rechnungen, die die meisten ärgern, wenn sie wieder ins Haus flattern. 451 Franken pro Jahr beträgt die Gebühr, was etwa 400 Euro ausmacht. Damit ist man im europäischen Vergleich an der Spitze. Alleine schon der Name «Billag» löst bei vielen Schweizerinnen und Schweizern Aversionen aus. Das machen sich die Initianten zu Nutze.

Das Grundproblem ist klar: Dank dem zeitversetzten Fernsehen, Youtube, Internetradios oder Netflix und Amazon Prime sind viele der Meinung, dass sie das öffentlich-rechtliche Radio und Fernsehen nicht mehr brauchen würden. Oder zumindest soll es so zurecht geschrumpft werden, dass es deutlich weniger kostet. Frei nach dem Motto: Wieso soll ich für etwas bezahlen, was ich nicht brauche. Doch damit schiebt man einen wichtigen Grundsatz einfach beiseite: Die SRG ist kein Netflix. Das Ziel ist es, die Bevölkerung in allen vier Landessprachen ausgewogen zu informieren. Und damit die Informationssendungen konsumiert werden, braucht es das Aussenrum, die Unterhaltung, die Kultur, den Sport und die Musik. Natürlich kann jeder hier fröhlich mitdiskutieren, was dazugehört und was nicht. Es liegt im Auge des Betrachters und vor allem an den eigenen Interessen. Doch die je nach Ansicht einseitige Berichterstattung, die hohen Kosten, das Unterhaltungsprogramm, welches sich sehr an private Konkurrenz anlehnt und die gefühlte Arroganz haben immer wieder zu Kritik geführt. Gleichzeitig ist die SRG im Internet sehr aktiv und wird von den privaten Anbietern deshalb als Bedrohung wahrgenommen. Dass sich die SRG dieser Diskussion zu oft entzogen hat, ist nun der Denkzettel. Deshalb ist die ganze Branche auch so in Aufruf und teilweise gar hämisch. Trotzdem darf deswegen nicht vergessen werden, weshalb die Rundfunkgebühr in der Schweiz so hoch ist. Das Gebührenmodell funktioniert nach dem Solidaritätsprinzip.

Rund 1,3 Milliarden Franken treibt die Billag jährlich ein. Davon fliesst der Löwenanteil an die SRG, ein Teil an private Sender. Gemäss eigenen Aussagen setzt die SRG jährlich 1,6 Milliarden Franken um. Sie finanziert sich jedoch zu rund 75 Prozent aus Gebührengeldern, der Rest sind hauptsächlich kommerzielle Erträge. Rund 70 Prozent der Schweizer Bevölkerung lebt in der Deutschschweiz – rund 73 Prozent der Gebühren werden hier eingenommen. Der deutschsprachige Raum erhält von jedem Gebührenfranken jedoch nur 43 Rappen. Die Differenz fliesst in die französische, italienische und rätoromanische Schweiz. Anders ausgedrückt: Die Schweiz hat vier Landessprachen – damit für alle ein gutes Programm angeboten werden kann, braucht es Querfinanzierung.

Nun kann man natürlich argumentieren, dass Private gewisse Programme übernehmen würden. Das stimmt wohl. Wer allerdings einmal über den eigenen Tellerrand hinaus- und bei privaten Sendern hineinschaut, wird feststellen: Die dortigen Nachrichten- und Informationsmagazine reichen in keiner Weise an die öffentlich-rechtlichen Konkurrenten heran. Es wäre Augenwischerei zu behaupten, dass die rund 1,2 Milliarden Franken, die bei der SRG bisher durch die Gebühren finanziert wurden, alleine durch Werbung wieder hereingeholt werden könnten. Also müsste eine Art Abomodell her.

Aus rein wirtschaftlicher Perspektive ist es einfach: Wenn es nur genügend Nachfrage gibt, wird es auch alle diese Sendungen geben. Die Initianten verweisen deshalb auf Netflix und den Schweizer Bezahlfernsehsender Teleclub. «Grundsätzlich ist es der SRG überlassen, welches Finanzierungs-Modell sie nach Abschaffung der Billag-Zwangsgebühren wählt. Eine mögliche Variante wäre folgende: Ihre Informationskanäle könnte sie beispielsweise für alle in der Schweiz freischalten und via Werbung finanzieren, Unterhaltungskanäle könnte sie mittels des Verkaufs von TV-Abos finanzieren. An erfolgreichen Beispielen von Sendern, die sich via TV-Aboverkäufen finanzieren, fehlt es in der heutigen Praxis nicht: Netflix, Teleclub etc.» Weshalb die SRG nicht zu ihren Einnahmen kommen solle, wenn die SRG-Sendungen beim Publikum auf Anklang fänden und eine entsprechende Zahlungsbereitschaft stossen würden, «ist beim besten Willen nicht ersichtlich», behaupten die Initianten.

Doch genau das ist die Krux an der Sache: Ist die Gesellschaft bereit, für die SRG-Sendungen zu bezahlen? Ich habe meine Zweifel. Ein Blick auf die schwindenden Abozahlen bei Zeitungen zeigt – vielen Menschen ist Information eben gerade nicht genug wert, um dafür zu bezahlen. Zu viel ist gratis verfügbar, dank dem Internet kann jeder mitmischen – ganz ohne öffentlichen Auftrag. Die SRG hat den Auftrag, mit ihrem Service public die Versorgung der Schweizer Bevölkerung mit Radio- und Fernsehprogrammen sowie die Meinungsvielfalt sicherzustellen. Die SRG will einen Beitrag zum Zusammenhalt zwischen den verschiedenen Landesteilen, zum Austausch zwischen den Sprachregionen und zum gegenseitigen Verständnis der verschiedenen Kulturen leisten. Dass Netflix & Co. ebenfalls diese Ziele verfolgen würden, wäre mir neu. Vor allem auch, weil man damit kaum Geld verdienen kann.

Die Frage ist also nicht Yes oder No Billag, sondern Ja oder Nein zu vielfältigen Informationen in allen Landesteilen. Alleine im italienischsprachigen Kanton Tessin würde bei einem Nein wohl ein grosser Teil der aktuellen Sendungen wegfallen. Bei nur rund 354’000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist der Markt so klein, und wären allfällige Abogebühren so hoch, dass sich das kaum einer leisten wollen würde – geschweige denn könnte.

Bereits beschlossen ist eine Senkung der Radio- und Fernsehgebühren ab dem 1. Januar 2019. Sofern die Initiative Anfang März nicht angenommen wird. Danach würde ein Haushalt statt 451 Franken pro Jahr noch 365 Franken bezahlen. Doch auch das ist noch ein stolzer Betrag. Wird die SRG also von der Abschaffung der Billag-Gebühr verschont, muss sie der Bevölkerung klarmachen, was sie genau davon profitiert. Es wird Programmanpassungen und Abstriche geben müssen. Der typisch schweizerische Kompromiss dürfte also sein, dass es allen ein bisschen wehtun wird, dafür niemandem allzu arg.


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