Gestern erreichte mich eine interessante Frage eines Lesers:
»Ich bin kurz davor in eine neue (Semi)-Profi Kameraausrüstung zu investieren. … Nachdem ich mir diverse Systeme angeschaut habe, stehen nun für mich die Systemkameras von Olympus und Sony im grossen Finale. … Gerne würde ich noch weitere Erfahrung von Ihnen zu Olympus hören.«
Sonys Spiegellose bekommen viel begeisterten Beifall und mit Zeiss als Partner steht die Qualität der Optiken wohl außer Frage. Es ist auch kein Geheimnis, dass Sony die besten Sensoren baut – auch Nikon und Olympus vertrauen darauf.
Betrachtet man die reine Bildqualität haben Sonys Kleinbild- gegenüber Olympus’ MFT-Kameras zweifellos die Nase vorne – ein größerer Sensor ist ein größerer Sensor. Der größere Bildwandler bringt auch den Vorteil geringerer Schärfentiefe, was allerdings nicht generell ein Vorteil ist.
Obwohl sich der qualitative Unterschied zwischen kleineren und größeren Sensoren nicht von der Hand weisen lässt, sollte man sie nicht überbewerten. Wir sprechen hier vom Unterschied zwischen Phantastisch und noch ein bisschen besser als Phantastisch. Meist ist der Vorteil größerer Sensoren eher mess- als sichtbar. Vor allem so lange man keine hohen Auflösungen für Prints in Formaten von deutlich über A3 benötigt, und es sich nicht um Motive handelt in denen Details und feine Strukturen eine zentrale Rolle spielen können.
Fotografieren wir Landschaften oder Architektur darf durchaus davon ausgegangen werden, dass interessierte Betrachter gelegentlich einzelne Details in Augenschein nehmen, und dazu ganz nah an den Print herantreten. Bei kräftiger Vergrößerung würden dann Unschärfe oder pixelige Strukturen den Bildeindruck stören.
Bei vielen anderen Motiven jedoch ist eine solche Detailuntersuchung kaum zu erwarten – wer sollte schon Interesse haben die Hautstrukturen eines Porträts unter die Lupe zu nehmen (außer vielleicht ein Hautarzt). Beträgt der Betrachtungsabstand eine Armlänge und mehr spielt die Auflösung kaum mehr eine Rolle – ein Unterschied zwischen einem Print mit 150ppi und einem mit 300ppi ist praktisch nicht mehr zu erkennen. Dies habe ich beispielsweise in meinem Buch »Grafik und Gestaltung« mit mehreren Abbildungen demonstriert (für alle die das Buch zufällig besitzen). Bei der Distanz aus der man Poster üblicherweise betrachtet ist auch zwischen 72ppi und 300ppi kein Unterschied mehr zu erkennen.
Bis A3 dürfte der Qualitätsunterschied von Kleinbild- und MFT-Kameras auch bei 300ppi kaum relevant sein. Die Brillanz der Linsen und die Präzision der Aufnahme spielt dabei in der Regel die größere Rolle. Die praktische Frage bei der Entscheidung für eine Kamera ist für mich deshalb nicht »wie viel Auflösung kann ich kriegen?« sondern »wie viel Auflösung brauche ich?«
Mehr Auflösung als man braucht ist kontraproduktiv, denn zu viel Auflösung ist überflüssiger Ballast bei der Bildbearbeitung. Festplatten gehen ebenso rascher über, wie Prozessoren unter der Datenlast stöhnen und die Workflows der RAW-Konverter zähflüssiger werden lassen.
Die große Stärke von MFT und der Grund weshalb ich mich dafür entschieden habe und glücklich damit bin, ist die Kompaktheit des Systems. Sony mag noch so kompakte Kleinbildkameras bauen, die Optiken werden immer größer und schwerer sein als bei Olympus und Panasonic, und zwar deutlich. Ist man häufig unterwegs und beabsichtigt mehr als nur eine Kamera mit einem Objektiv dabei zu haben, darf man MFT keinesfalls außer Acht lassen. Deshalb frage ich immer zuerst nach der Bedeutung von Transportabilität, wenn ich um einen Tipp bezüglich Kamerakauf gebeten werde.
Hat Mobilität keine Bedeutung, fotografiert man in erster Linie daheim oder im Studio, beabsichtigt auch Locations unterwegs bequem mit dem Auto anzufahren und spielt Mobilität somit generell keine Rolle, fehlen die Argumente pro MFT und es gibt gute Gründe anderen Systemen den Vorzug zu geben. Doch wenn es um den optimalen Kompromiss aus Abbildungsqualität, Möglichkeiten und Transportabilität eines Systems geht, ist MFT unschlagbar.
»… Sony bietet einen genialen Vollformatsensor mit 42 Megapixel … Wenn ich jetzt investiere, will ich eine gewisse Nachhaltigkeit erreichen und mir möglichst viele Einsatzmöglichkeiten offen halten.
Bezüglich Print werde ich mich je nachdem zwischen A4 und F12 bewegen aber auch die Auflösung bei Bildschirmen wird immer höher und die Anforderung an hochaufgelöste Bilder/Videos in 4K ist keine Zukunftsmusik mehr.
… Jedoch ist da der kleinere MTF Sensor und auch die Technik im Gehäuse ist nicht ganz so fortschrittlich wie Sony.«
Wenn ich das korrekt deute, liegt die Präferenz bei Sony. Ich kann nur raten dem persönlichen Bauchgefühl zu folgen. Kein Hersteller baut schlechte Kameras, alle haben Stärken und Schwächen, jeder Fotograf jagt andere Motive, fotografiert anders und hat individuelle Vorlieben. Entscheidungen gegen den Bauch gehen meist schief, mögen sie rational noch so gut begründet scheinen. Auch wenn sich das viele Kamerakäufer wünschen würden: Die generell beste Kamera gibt es nicht. Vielmehr muss man nach der Kamera suchen, die für einen selbst am besten passt.
F12 ist ein recht großes Format (268,5 cm × 128 cm, ein Plakatformat in der Schweiz – musste erst einmal googeln) für das die hohe Auflösung einer Sony A7R II durchaus sinnvoll ist. Zwar bietet Olympus mit der Pixel-Shift-Funkion eine vergleichbare Auflösung, allerdings bislang nur für unbewegte Motive und mit Stativ (man munkelt die E-M1 II solle Pixel-Shift auch aus freier Hand möglich machen).
Dass 4K- und 5K-Monitore im Anflug sind ist Tatsache. Ich weiß die feine Auflösung des Retina-Displays meines MacBooks zu schätzen, allerdings eher in Bezug auf die Darstellung von Text, Schrift und Vektorgrafiken. Bei der Betrachtung von Fotos hingegen ist der Unterschied zu geringer aufgelösten Displays zu vernachlässigen. Gerade aus der Distanz aus der Betrachter Fotos bei einer Diashow folgen ist eine geringere als für das Medium optimale Auflösung in der Regel kein Problem, ein Unterschied nicht wahrnehmbar.
Die Ansicht, dass Sony gegenüber Olympus überlegene Technik verbaut teile ich nicht. Zwar genießt Sony den Ruf der innovativste Kamerahersteller zu sein, doch ich sehe es wie Steve Huffs der Olympus für den eigentlichen Innovator er Branche hält. Olympus hatte als erstes Live-View, als erstes Sensorreinigung (und lange Zeit, vielleicht noch heute, die effizienteste), Olympus hat zusammen mit Panasonic das Segment der Spiegellose Systemkameras erfunden, hat mit Pixel-Shift in den Massenmarkt eingeführt, hat den Retro-Trend begründet, hat lange vor Sony 5-Achsen-Bildstabilisierung geboten und gilt damit als Branchenprimus. Sony ist innovativ, keine Frage, aber Olympus kaum weniger.