Diesmal bleiben wir allein.
Meine Frau interessiert sich für unsere Traditionen. Doch dass sie mit “Tradition” nur die Speisenfolge meint, weiß ich nach siebzehn Jahren binationaler Partnerschaft.
Alles Leben ist den Mägen nachgeordnet. folgt den Mägen!
Aber außer Heringssalat und Bockwurst fällt mir zu einem deutschen 24.Dezember nichts ein. Was wiederum logisch ist, denn ER ist ja eigentlich noch nicht geboren.
Am 24.Dezember seinerzeit – was im Übrigen umstritten ist – galt es lediglich die Wehen zu überstehen. Weshalb sich auch die “Stille Nacht” als Lüge entpuppt – wieso zum Teufel soll die gebärende Maria in ihren Wehen nicht ebenfalls vor Schmerzen gebrüllt haben?
<Sie rollt mit den Augen>
Jedenfalls gibt es erst am 25.Dezember – an dem Tag, da das Jesulein endlich da ist – den Weihnachtsbraten, meist Gans, und hinterher, zum Kaffee, gibt es den Weihnachtsstollen.
Da, wo ich gebürtig bin – in Halle an der Saale – war der Stollen stets ebenso wichtig wie der Braten selbst. Oder sogar wichtiger, denn jede Hausfrau knetete den eigenen Teig, der später nur zum Backen gebracht wurde. Bäcker haben die besseren Öfen.
<Ich halte inne. Wieder so ein Aphorismus! – “Bäcker haben die besseren Öfen”. – Ich sollte diese Stelle markieren, bei einem Posting über Motorradfahrer könnte ich diesen Spruch wieder vorpolken.>
Man gab sich später, zum Fest, den Stollen gegenseitig zum Probieren. Weil sich hiermit hausfraulicher Spreu von hausfraulichen Weizen unterscheiden ließ.
Theoretisch.
Praktisch spürte jeder Bäcker sehr genau, wessen Verwandtschaft im Westen lebte. Was im Wettbewerb der Hausfrauen unfair war, denn diejenigen ohne Westpakete sahen sich stets benachteiligt.
Unabhängig davon war es immer auch schön. Mangel schafft Schöpferfreude und Improvisationstalent.
Alles Gute ist das Ergebnis von Mangel, “denk nur an die Erfindung der Currywurst!”
<Wieder rollt sie mit den Augen>
Nun, im Jahre 2010, ist es total doof. Und wird immer dööfer. Die Menschen hierzulande werden immer mehr zu Opfern einer profitsüchtigen Weihnachtsindustrie, die ihre Stollen bereits im August anpreist…
<Offenbar sieht sie in mir keine Hilfe>
Sie wählt die Nummer meiner Mutter.
“Kannst du sage bitte, wie machen Hering-Salat an Weihnacht?”
Meine Mutter kennt sich aus.
“Am besten ist der von Edeka!”
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