Sonntagsleser: Blog-Presseschau 09.03.2014 (KW10)

Von Vigoleis01

Eine ereignisreiche literarische Woche geht zu Ende, so dass wir uns mit Vergnügen wieder sonntagslesend hinsetzen und euch eine Auswahl der lesenswertesten Blog-Artikel der  letzten sieben Tage präsentieren. Wir wünschen lehrreiches und unterhaltendes Lesen!

Aus aktuellem Anlass I: Man sagt zwar, es gebe keine schlechte Werbung – aber mit ihrer Rede gegen die künstliche Befruchtung hat sich Sibylle Lewitscharoff sicherlich wenige neue Freunde gemacht. Nicht nur die einschlägigen Printmedien und ihre Online-Inkarnationen haben sich dazu geäussert, sondern auch etliche Blogs. Zwei besonders lesenswerte Artikel seien an dieser Stelle erwähnt: Literaturen nimmt die Rede zum Anlass über Meinungsfreiheit zu reflektieren und kommt – mit Recht! – zum Schluss: “Wir müssen wieder lernen, zu diskutieren”, anstatt gegensätzliche Meinungen wie teure Deko-Objekte im Raum stehen zu lassen.

Einen sehr ausführlichen Artikel mit vielen historischen Hintergründen und Gedanken zum Verhältnis von Intellektuellen und Medien, zur Empörung und zur Verfälschung von Texten durch das Herausreissen griffiger Zitate aus dem Kontext schreibt Gregor Keuschnig für Begleitschreiben: Und ewig grüsst das Skandalon.

Aus aktuellem Anlass II: Libroskop stellt Rafael Chirbes’ hochgelobten Roman “Am Ufer” mit einer ausführlichen, treffenden Rezension vor. “Ein wahrhaftiger und beunruhigender Roman aus Spanien – der auch die Frage aufwirft, wann wir ein solches Buch in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur finden werden.” Der Autor wird nächsten Dienstag im (schon ausverkauften) Literaturhaus Zürich lesen: wir werden darüber berichten.

Rezensionen:

aus.gelesen bringt uns die deutsche Schriftstellerin und Übersetzerin Mirjam Pressler näher; “Golem stiller Bruder” heisst das besprochene Werk, das im Prag des 16./17. Jahrhunderts spielt. Es ist ein Jugendbuch für die Nicht-mehr-ganz-Jungen, “ein düsterer Roman voller Armut und Gewalt”, der das jüdische Leben der Zeit beschreibt.

Bei der Bibliophilin wird Nilowsky von Torsten Schulz vorgestellt, ein Roman über den Clash von Unter- und Oberschicht im Ostberlin der 1970er. “Dies ist ein toller Roman über Freundschaft, Loyalität, Verantwortung, Verzweiflung, Hoffnung und Liebe und darüber, dass der erste Eindruck nicht unbedingt der richtige ist.”

Ein altersweises, tieftrauriges Mädchen leiht “Frühling auf dem Mond” von Julia Kissina seine Stimme. Buzzaldrin’s Blog würdigt das Buch mit einer ausführlichen Rezension. “Schrill und gleichzeitig von einer tiefen Ernsthaftigkeit geprägt” sei der semi-autobiographische Roman über eine russische Kindheit – und mit einem manchmal etwas gar offensiven Humor gesegnet, wie’s scheint. Spannend klingt das aber allemal.

Einen ungewöhnlichen Krimi findet man bei Danares: in “Schweinezeiten” des haitianischen Autors Gary Victor verwandeln sich Menschen auch schonmal in Schweine. Voodoo-Zauber oder Pharma-Experiment? Herrlich. Und nun gleich mal ganz weit oben auf meiner Wunschliste. Das klingt nach genau der Art von realismo magico, die auch Gabriel García Márquez oder Junot Díaz zelebrieren.

Gedankenwelten widmet sich mit einer kurzen Besprechung “Dem neuen Sommer entgegen” von Janet Frame: ein Roman, der durch die Information vorbelastet ist, “dass die Autorin in Neuseeland als schizophren galt, eingesperrt wurde und mit Elektroschock behandelt wurde” Klingt nach einem spannenden Vexierspiel mit gedanklichen Ebenen.

Jarg’s Blog liefert eine der besten Besprechungen von Marisha Pessls “Die amerikanische Nacht”, die ich bisher gelesen habe: detailreich und sehr treffend in seiner Analyse. Sein Verdikt zum Roman: grosses literarisches Kino.