Stichworte werden in Blogs auch Tags (gesprochen: Tägs) genannt. Unter dem Tag SonnTag plane ich künftig sporadisch an Sonntagen Gedankenanstöße zu Netzthemen zu veröffentlichen.
Letztlich habe ich dann doch davon abgesehen, weil sich stets die Frage stellte, was eigentlich danach kommen soll. Man kann auch der Zivilisation den Rücken kehren (und es gibt oft gute Gründe dafür), doch das einsame Dasein in einem Baumhaus tief im Wald ist am Ende doch eher etwas für Liebhaber. Man muss Facebook nicht zwangsläufig gut finden, um es am Ende doch als das kleinere Übel anzusehen, dort zu bleiben.
Und diese Denke besagt bereits einiges darüber, welchen – je nach Sichtweise – beängstigenden oder beeindruckenden Stellenwert diese Website, dieser Dienst, dieser Anbieter inmitten von Milliarden anderer Websites mittlerweile hat. Netzexperten sprechen gerne vom Netz im Netz. Angeblich soll es Zeitgenossen geben, die nur noch dort unterwegs sind und gar nicht mehr das Netz außerhalb kennen. Andererseits lesen wir jüngst ständig, dass die jungen Menschen Facebook angeblich schon wieder den Rücken kehren und in Messenger-Diensten (wovon zwei Facebook gehören: WhatsApp und der Facebook Messenger) oder bei Snapchat unterwegs sind. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen.
Ein Bedeutungsverlust ist nicht spürbar
In meinem persönlichen Umfeld ist ein Bedeutungsverlust derzeit nicht spürbar. Andererseits hat sich eine gewisse Sättigung eingestellt. Sprich: Es kommen nicht mehr so viele Menschen aus meinem persönlichen und beruflichen Umfeld hinzu, wie noch vor einigen Jahren. Die, die dort nicht hinwollten, gehen diesen Schritt anscheinend auch nicht mehr. Und die, die eine Mitgliedschaft auch nur entfernt in Erwägung zogen, sind jetzt alle dort.
Doch was habe ich von Facebook? Dazu ein kleiner Blick in meine heutige Timeline. Sie enthält – wie fast jeden Tag – Witziges, Ekelhaftes und Selbstdarstellerisches. Katzenbilder, Pferde, Filme und reizende Frauen sind dort ebenso vertreten wie Feministinnen, Reiseerlebnisse, Sinnsprüche, Abbildungen von Joggingtouren sowie Essen und Trinken. Wer diese Aufzählung mit seiner eigenen Timeline abgleicht, wird jetzt wahrscheinlich einige Haken setzen – denn egal, mit wem man befreudet ist: Das sind die Themen, die über allem stehen. Facebook ist ein Spiegelbild des Internets.
Regional und lokal ist das soziale Netzwerk von Mark Zuckerberg vor allem ein Stück weit Ersatz für das Stadtgespräch. Dass die Kommunikationsgepflogenheiten sich geändert haben, dürfte sicherlich jeder mitbekommen haben. Die Menschen laufen gedankenversunken durch die Straßen (oder fahren in ihren Autos) und stieren in ihre kleinen Smartphones hinein. Man spricht zwar noch miteinander, aber immer seltener verbal in Person, sondern lieber in Textform über das Netz. Das knackige Fünf-Minuten-Gespräch ist dem oft sinnbefreiten Dauergespräch gewichen, das formlos beginnt und aufhört, um dann unvermittelt wieder weiterzugehen. Facebook hat diesem neuen Kommunikationsverhalten ein öffentliches Forum gegeben, in dem der so genannte Like (Gefällt mir) und der Comment (Kommentar) die Sprachrohre sind.
Versammelte Dummheit
Selten hat man woanders so viel versammelte Dummheit auf einem Haufen gesehen wie bei Facebook und doch gibt es hier und da den einen oder anderen Lichtblick, der die Neugierde befriedigt, der einem das Aha-Erlebnis verschafft, das einen bei Facebook bleiben lässt, weil man Sorge hat, es sonst zu verpassen.
Durch seinen Themenmix und das Stoßen auf Themen, von denen man vorher gar nicht wusste, dass sie einen interessieren könnten, ist Facebook der Zeitung in mancherlei Hinsicht ähnlich. Die Weiterentwicklung zur Nachrichtenplattform ist deshalb nur konsequent, wenngleich es abzuwarten gilt, ob ernsthafte Nachrichten dort wirklich gut aufgehoben sind. Die Entwicklung sieht bislang eher so aus, dass nicht Facebook an Niveau gewinnt, sondern einst seriöse Nachrichtenportale sich herablassen und den Voyeurismus, die Sensationsgier und das Bedürfnis nach Leichtigkeit befriedigen, die Facebook und einer Vielzahl seiner Nutzer zu eigen sind.
Klippen des Erfolgs
Und damit sind wir auch schon bei den Problemen, die Facebook umgeben und die wie Klippen sind, an denen der Erfolg eines Tages herunterzustürzen droht. Das fehlende Niveau ist für mich gleich an der ersten Position. Vermutlich würde ein Rechtschreib- und Allgemeinbildungstest, bevor neue Nutzer zugelassen werden, die Qualität der Plattform deutlich erhöhen. Wie in der echten Welt würde es aber schon reichen, wenn es eine vernünftige Moderation gäbe, eine Art Authorität, an die man sich wenden kann. Die Realität sieht so aus, dass Facebook weitgehend sich selbst überlassen bleibt. Wäre das Netzwerk eine Stadt, müsste man sich das so vorstellen, dass die Polizei nur darüber wacht, dass die Infrastruktur der Stadt weiterhin läuft und der Rubel rollt (Werbeeinnahmen). Das, was in den Straßen zwischen den Bewohnern stattfindet, ist den Behörden im sinnbildlichen Vergleich dagegen vollkommen egal und sogar recht, weil es von den Rahmenbedingungen dieser Stadt ablenkt.
Wer jetzt aufschreckt und bemerkt, dass die Politik anscheinend auch zunehmend nach diesem Vorbild funktioniert (Laden am Laufen halten, nicht zu sehr Position beziehen), der sieht, welchen Einfluss Facebook bereits auf die Menschen genommen hat. Und warum es sich lohnt, sich darüber an einem Sonntag mal seine Gedanken zu machen.