Irgendwann mit 12-13 dann – als ich mich intensiv mit Musik beschäftigte – knallte mir “Isn´t she lovely“ die Rübe weg. Ich hörte die Nummer irgendwann spät abends aus meinem ersten 20cm großen, batteriebetriebenen Transistorradio, welches unter meinem Kopfkissen lag. Ja, damals gab es noch Musiksendungen, die Titel mit einer Länge von über 3 Minuten ausspielten. Das nicht enden wollende Mundharmonikasolo war – soviel begriff ich bereits- pure Liebe – zu seiner Tochter, zur Musik und dem Leben selbst. Das verrückte dabei - und für heutige Produktionen eigentlich undenkbar: Das Solo beginnt bereits bei 2:47 und trägt den Song bis zum Ende bei 6:34 – mehr “Solo” als “Lied”…
Ich kann mich genau erinnern, dass diese Nummer der Schlüssel war, mich fortan auf die Suche nach dieser Platte zu machen (naja – eigentlich waren es 4 Platten). Als Kind der DDR gehst Du jedoch nicht so einfach in den Laden und kaufst sie, sondern “streckst deine Fühler aus” und treibst dich auf Plattenbörsen herum. Allerdings war der Kauf eines 4-fach Albums dieser Güte finanziell eine gewaltige Nummer zu hoch für mich und so begnügte ich mich mit irgendeiner wilden Kopie auf Kassette. Es muss die 6. Kopie der 8. Überspielung gewesen sein – es klang fürchterlich! Zu allem Übel schnitt das Ende der Kassette mein geliebtes Mundharmonika-Solo bei “Isn´t she lovely” ab. Nun denn… Mann kann es sich in Zeiten des Internets und MP3-Dateien fast nicht mehr vorstellen – ich schrieb mir die Texte der Platte damals mit einem Stift und Zettel ab und übersetzte sie. Wilde Zeiten…
Als ich mich dann 1989 auf den Weg gen Westen machte und die “Republik” verliess, lief diese alte Kassette mit den “Songs in the key of life” in meinem Walkman (das war so ein tragbares Kassettenabspielgerät). Ich erinnere mich genau an eine Schlüsselszene, als ich die damalige Grenze passierte und die nicht enden wollende Hookline von “Another Star“ meine Melancholie fort blies. Stevie – du wusstest, warum du solche Lieder schreibst
“Songs in the Key of life” ist – wenn man “Musik” als Religion betrachten möchte – das Gebet dazu. Seit ich meine Liste “10 Platten, die ich mit auf eine einsame Insel nehmen würde” führe, ist sie unter den Top 3. Ich glaub Stevie jeden Schluchzer und jede Note. Mitunter kracht und scheppert es im Gebälk, doch finden sich alle Instrumente immer wieder zusammen. Wegen dieser Platte hab ich mir irgendwann ein Rhodes gekauft – ein Suitcase 73 (!!!) – und ich trieb damit meine Nachbarn bei meinen Versuchen “I wish” nachzuspielen in den Wahnsinn. Stimmlich war Stevie während der Produktion des Albums wahrscheinlich im Zenit der Möglichkeiten. Immer wenn man denkt, es geht nicht höher, schenkt Stevie noch eine Terz drüber (schon mal versucht “Ngiculela – I am singing” in der Original Tonart mitzusingen? Danach hast Du nen Hustenanfall!). Ob solch eine Produktion in der Geschichte der Musik je wieder möglich sein, wird bezweifle ich. Die Vollhonks in den Etagen der Musik-Majors werden das schon zu verhindern wissen, weil ein Song mit 8 min Länge auch einfach nicht Radiotauglich ist und ein 4-fach Album? Ich bitte dich! Und dann so bunte Lieder? Schwierig!
Ich mag die Platte schon aufgrund des Titels. Sie passt zu mir. Immer wenn irgendwas in meinem Leben passiert, ist sie da, beruhigt mich, baut mich auf und ich gehe eine Runde mit dem Bass tanzen…
Mich interessiert: Welche ist eigentlich deine Platte, die auf der einsamen Insel unbedingt dabei sein muss?