Mitten in der Nacht und im Schneegestöber steht sie im Battery Park in New York. Mit Blut an ihren Händen. Sie kennt nur ihren Namen: Scarlet Hawthorne. Sämtliche anderen Erinnerungen sind fort. Da ist nur Leere. Scarlet wird verfolgt, das fühlt sie, aber sie weiß nicht von wem und warum. Ein Wendigo verdichtet sich aus einer Wolke Schneegestöber und kommt immer näher. Eine Hecke versteckt die junge Frau vor dem wolfähnlichen Wesen und Scarlet kann entkommen. Bald trifft sie auf Anthea Attwood, die sie sofort unter ihre Fittiche nimmt und nach Myrtles Mill bringt. Anthea erklärt sich bereit, Scarlet auf der Suche nach ihren Erinnerungen zu helfen und zusammen mit Jake beginnt eine gefahrvolle Reise in die Uralte Metropole von New York , immer auf den Spuren von Scarlets Vergangenheit.
Ich habe voller Vorfreude auf eine spannende Episode aus der Uralten Metropole, dieses Buch aufgeschlagen. Ich wollte mich voll einlassen auf die neuen Protagonisten Anthea Atwood und Scarlet Hawthorne, aber je weiter die Geschichte voran schritt, desto bewusster wurde mir, dass sie mir fehlen: Emily Laing und Mortimer Wittgenstein. Ich habe sie wirklich vermisst, auch wenn beide jeweils einen kurzen Auftritt haben. Ebenso wie Mr. Fox und Mr. Wolf. Aber es war zu wenig! Was jetzt auf gar keinen Fall bedeutet, dass mir „Somnia“ nicht gefallen hätte! Ganz im Gegenteil: Es ist ein wunderbares Buch mit einer tollen Story und wirklich liebenswerten Charakteren. Wer die gesamte Reihe kennt, wird sicherlich wissen, was ich meine!
Der Schreibstil Christoph Marzis ist einfach unglaublich intensiv. Schon vom ersten Band der Quatrologie hat er mich völlig von sich eingenommen. Er ist ein wenig poetisch und voller Ausdruck und Metaphern, dass jeder Satz beim nochmaligen Lesen noch an Tiefe gewinnt. Spannung gibt es natürlich auch! Was wäre eine Geschichte aus den Uralten Metropolen ohne Kreaturen und Absonderlichkeiten? Auch Verluste müssen wieder hingenommen werden und Fragen über Fragen türmen sich von Seite zu Seite bis hin zur endlichen Auflösung.
Die Protagonisten sind wieder jeder für sich etwas Besonderes. Scarlet Hawthorne, die junge Frau ohne Erinnerungen an ihre Vergangenheit, abgeschnitten von ihrem Leben, von ihrem Selbst. Sie ist ein sehr interessanter Charakter, denn sie gibt niemals auf, hat ein großen Herz und den Mut einer Löwin. Trotzdem habe ich eine ganze Weile gebraucht, um mit ihr warm zu werden. Ich habe sie immer zu sehr mit Emily Laing verglichen. Anthea Attwood nimmt hier den Part von Wittgenstein in den ersten drei Teilen der Reihe ein. Sie ist die die weise Ich-Erzählerin, die eine hilflose junge Frau unter ihre Fittiche nimmt und ihr Begleiterin, sowie Anleiterin ist. Trotzdem hat sie mich nicht so überzeugt wie Master Wittgenstein. Jake ist eine gute Seele von Mann. Fast ein wenig zu gut, aber einen „Gutmenschen“, gewürzt mit düsterer Vergangenheit, tut der Geschichte nicht schlecht.
Das Cover der Klappenbroschur ist, wie das aller Bände der Uralten-Metropolen-Reihe, superschön gestaltet. Im Vordergrund ist die Brooklyn Bridge vor einem übergroßen Mond zu sehen. Sie ist behangen mit lauter Spinnweben. Eine junge frau in einem schönen Kleid steht mit dem Rücken zu uns vor der Silhouette New Yorks. Sehr stimmungsvoll und passend.
Ein insgesamt sehr schön geschriebener, fantasievoller und spannender vierter Teil einer tollen Buchreihe, der jedoch nicht ganz an seine Vorgänger heranreicht. Trotzdem erhält das Buch von mir eine uneingeschränkte Leseempfehlung. Möge es noch viele weitere Abenteuer zu bestehen geben!
Somnia: Uralte Metropole 4
von Christoph Marzi Taschenbuch: 608 Seiten Verlag: Heyne Verlag (3. November 2008) Sprache: Deutsch ISBN-10: 3453524837 ISBN-13: 978-3453524835
Rezension vom 28.02.2012