Ihr Lieben,
heute möchte ich Euch eine Geschichte erzählen, die der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann selbst erlebt hat, als er am Ende des Zweiten Weltkriegs in russischer Gefangenschaft geriet. Gustav Heinemann hat diese Geschichte 1971 in einer Weihnachtsansprache erzählt:
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„Die alte Frau und der Lagerkommandant“„Eine alte lettische Frau nahm sich 1945 deutscher Soldaten an, die in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten waren. Sofort sie konnte, ließ sie ihnen ein Stück Brot zukommen.
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Dabei wurde sie eines Tages erwischt.Sie wurde vor den sowjetischen Lagerchef zitiert.
Der fuhr sie schroff an: „Hast Du nicht gelesen, dass es strengstens verboten ist, den Kriegsgefangenen Lebensmittel zu geben?“
Die alte Frau nickte gelassen, ehe sie antwortete: „Herr Lagerkommandant, ich habe ihnen nicht irgendwelche Lebensmittel gegeben, ich habe ihnen Brot gereicht!“
Das sei schließlich einerlei, fachte der Mächtige zurück: „Sag, hast Du gewusst, dass es verboten ist, Ja oder Nein?“
Die alte lettische Frau überlegte einen Moment, ehe sie antwortete, dabei blickte sie dem Lagerchef direkt in die Augen: „Ich habe gelesen, dass angeschrieben steht, es sei verboten. Aber man darf nicht verbieten, unglücklichen Menschen zu helfen!“
Der russische Lagerkommandant, jetzt gefährlich leise in seiner Stimme, fragte zurück:
„Heißt das, dass Du ihnen auch weiterhin Brot geben wirst?“Die alte Frau sah ihm erneut in die Augen:
„Genosse Direktor, hören Sie mir einmal ganz gut zu`!
Als die Deutschen die Herren waren, brachten sie russische Kriegsgefangene hierher zur Arbeit.Die litten große Not und ich habe ihnen Brot gegeben.
Dann brachten sie Juden hierher, die hatten auch großen Hunger,
und ich habe Ihnen Brot gegeben.
Jetzt sind die Deutschen die Unglücklichen und leiden Hunger
und ich gebe ihnen Brot.
Und wenn Sie, Genosse Direktor, eines Tages das Unglück haben sollten,
Gefangener zu werden und Hunger zu leiden, dann werde ich auch Ihnen Brot reichen!“
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Die alte Frau ließ den Lagerchef stehen, drehte sich um und ging.Der Russe unternahm nichts gegen sie…“
Ihr Lieben,
Ich habe große Hochachtung vor solchen Menschen wie dieser alten lettischen Frau.
Leider ist ihr Name nicht überliefert. Auch wenn ich im normalen Leben keinen Hut trage, so ziehe ich doch symbolisch den Hut vor der Standhaftigkeit dieser Frau.
Standhaft wie ein Leuchtturm
Ich habe Hochachtung vor Menschen, die auch in schweren Zeiten zu ihren Überzeugungen stehen und die sich nicht einschüchtern lassen und mutig und tapfer ihren Weg gehen.Solch ein Mensch möchte ich auch werden.
Auch wenn wir heute zum Glück nicht mehr so schwere Zeiten erleben wie diese alte lettische Frau, so können wir doch etwas von ihr lernen:
Wenn wir anderen Menschen helfen, wenn wir dafür kämpfen, dass diese Welt heller, menschlicher und wärmer wird, wenn wir das Feuer der Liebe in diese Welt hineintragen, wenn wir das Leuchtfeuer der Freude in dieser Welt entzünden, dann werden wir auch mit Widerständen zu kämpfen haben.
Von der alten lettischen Frau können wir lernen, nicht aufzugeben, standhaft zu bleiben und uns nicht einschüchtern zu lassen.
Georg Christoph Lichtenberg hat das einmal so ausgedrückt:
„Wer die Fackel seiner Überzeugung durch eine Menschenmenge trägt, kann nicht vermeiden, jemandem den Bart zu versengen!“
Ich wünsche Euch eine gute ruhige Nacht und morgen einen erholsamen 1. Mai.
Liebe herzliche Grüße aus Bremen mit tausend Glückmomenten
Euer fröhlicher Werner vom Weserstrand
Quelle: Karin Heringshausen