„Solange wir leben, müssen wir uns entscheiden.“
Leben nach Auschwitz
Jehuda Bacon
Manfred Lütz
Gütersloher Verlagshaus, 2016
978-3579070896
16,99 €
»Dieses Buch ist kein Buch über Auschwitz. Da gibt es schon viele eindrucksvolle Berichte. Dieses Buch bringt die Weisheit eines Menschen zur Sprache, der Entsetzliches erlebt hat, aber darunter nicht zerbrochen ist. Bevor einer seiner Lehrer nach Auschwitz deportiert wurde, erzählte er seinen Schülern davon, dass es in jedem Menschen einen unauslöschlichen Funken gebe. An diesen Funken erinnerte Jehuda Bacon sich, als er selbst nach Auschwitz kam. Und diesen Funken hat er in seinem Leben durch seine ganze Existenz zum Leuchten gebracht.«
Im Gespräch mit Manfred Lütz erzählt Jehuda Bacon auf berührende Weise erstmals ausführlich über seine Erlebnisse im KZ und lässt uns teilhaben an den eindrucksvollen Konsequenzen, die er daraus gezogen hat.
Dass ich gewisse Themen mit sehr viel Herzblut verfolge, ist kein Geheimnis. Im Grunde habe ich auch Jehuda Bacon schon mehrmals gesehen. Bei Dokumentationen fiel sein Name und in Büchern erzählt man von Menschen, die danach Bilder malten, um zu vergessen und zu erinnern. Manfred Lütz hingegen war mir kaum bekannt. Nur vom Hören-Sagen im Bezug auf sein Buch „Irre – wir behandeln die Falsche“ war er mir ein Begriff.
Gleich vorweg sei gesagt: dies ist ein langes Interview. Beginnend mit einem guten Vorwort von Manfred Lütz treffen sich zwei Menschen, um viele Themen zu besprechen. Jehuda Bacon hat viel erlebt. Er lebte im „Musterghetto“ Theresienstadt. Oft kam das DAK vorbei und prüfte, ob die Bedingungen lebenswert waren. Ein Schauspiel, was selbst die Eingesperrten nicht für möglich hielten. Durch Geschick, Glück und dem Glauben, das richtige zu tun, überlebt Jehuda Bacon. Bereits in frühen Jahren, noch im Ghetto, zeichnet er. Viele Bilder gehen verloren, doch in seinem Gedächtnis leben die Schrecken und auch die glücklichen Momente weiter.
Manfred Lütz geht der Frage nach, wie ein Mensch so viel Schrecken erträgt, und noch Menschen vertrauen kann. Wie er noch n Gott glauben kann und wie er den Generationen „danach“ begegnet. Jehuda Bacon ist eine große Persönlichkeit. Getarnt in einem kleinen Mann, der viel erlebt hat, trägt er Liebe und Leid, Hass und Vergebung in einem Herzen – und zwar immer vom Guten mehr.
„Dum spiro spero, solange ich atme, hoffe ich“
Bacon erlebte den Schrecken, den Tod. Nicht nur von Bekannten, Freunden und seinem Vater. Auch Fremde starben vor seinen Augen, er sah Leichenberge und seinen Vater im Rauch. Aber er erzählt auch, wann der Mensch sich von Gott entfernt und wie Bacon ihm trotzdem verzeihen kann. Wer böses tut, entfernt sich von seinem Gott – wem klar wird, was er da tut, dem kann verziehen werden. Und dann ist sie plötzlich da, diese Einsicht und die weisen Worte von jemandem, dessen Leben wir uns nur vorstellen können. Er ist ein Mensch mit einem großen Herzen. Bacon beeindruckt, reißt den Leser mit und gerät ins Erzählen. Auch schlechte Erinnerungen können einen schönen Kern haben, auch sie müssen benutzt werden, um das heutige Leben zu formen.
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