Nach einer längeren Pause betätige ich mich seit einiger Zeit wieder in der Sockenzusammenführung. Die Pause war nötig geworden, weil ich es einfach nicht mehr länger mitansehen konnte, wie harmonische Sockenpaare scheinbar grundlos getrennte Wege gehen, manche erst nach mehreren Jahren, andere bereits kurz nach dem Einkauf. Es wollte mir beinahe das Herz brechen, wenn ich nutzlose Einzelsocken irgendwo in einem der vielen Winkel unserer Wohnung liegen sah und doch sah ich irgendwann keinen Sinn mehr darin, mich dem Kitten der gescheiterten Sockenbeziehungen zu widmen. Zwar konnte ich mich nicht dazu durchringen, die sitzengelassenen Einzelsocken zu entsorgen – dies tat jeweils “Meiner”, der in solchen Dingen weniger sentimental veranlagt ist als ich -, ich bot aber auch keine ausgedehnten Therapiesitzungen für Sockenpaare, die ihrer Beziehung eine neue Chance geben wollten, mehr an. Ich hatte schlicht und einfach resigniert ob der immensen Scheidungswelle. Meinen Kindern machte das übrigens nichts aus. Die schnappten sich einfach zwei Einzelsocken, die sich entfernt ähnlich sahen.
Eine Weile lang ging das ganz gut so, doch in letzter Zeit begann ich mich zu fragen, ob es denn nicht doch einen Weg gäbe, die getrennten Socken wieder zusammenzuführen. Seither beauftrage ich die Sockenpatrouille wieder vermehrt, die Einzelsocken in den Kinderzimmern aufzuspüren. Die Patrouille zeigt sich nicht gerade begeistert über diesen Auftrag, doch durch einen gezielten Verzicht auf Sockenwaschen ist es mir gelungen, den Nachschub in den Kleiderschränken derart zu verknappen, dass sich die Patrouille gezwungen sieht, alles einzusammeln, was noch da ist. Die – gewöhnlich schmutzigen – Einzelsocken kommen gemeinsam mit den intakten Sockenpaaren in ein gesondertes Waschbecken, so dass keiner in Versuchung kommen kann, sich in Kissenbezügen, Hosenbeinen und dergleichen zu verkriechen. Ist das Sockenbecken voll, kommt alles in ein Waschnetz, um zu verhindern, dass sich trennungswillige Socken mithilfe der gefrässigen Waschmaschine aus dem Staub machen. Zuweilen will es der Zufall, dass sich getrennte Paare bereits im Waschnetz wieder finden, alle anderen Einzelsocken kommen nach dem Waschen in die Sockenauffangstation, wo sich eine geduldige Expertin – meine Mutter – um die Zusammenführung der getrennten Paare kümmert.
Mit diesem ausgeklügelten System und meinem neu gefundenen Elan hoffe ich, die Scheidungsrate in der Sockenschublade deutlich zu senken. Damit ich am Ende meines Lebens behaupten kann, zumindest ein Problem des modernen Lebens hätte ich aus der Welt geschafft.