Social Commerce: Fluch oder Segen?

Vergangene Woche schrieben wir hier über die erfolgreiche Steigerung des Abverkaufs einer Produktvariation durch die Unterstützung von gezielten Social Media Maßnahmen Social Commerce: Fluch oder Segen? und berichteten damit über einen praktischen Beleg für die Wirksamkeit von Social Commerce. Dem gegenüberstehend veröffentlicht Bloomberg jetzt einen Abgesang auf F-Commerce. Der Abverkauf auf Facebook sei ein Flop.

Interessant! Natürlich bezieht sich Bloomberg zwar ausschließlich auf implementierte Shoplösungen auf Facebook und den unmittelbaren Abverkauf hierüber, während wir Social Commerce weitgefasst betrachten. Aber das Beispiel verdeutlicht insgesamt recht hübsch ein grundlegendes Missverständnis hinsichtlich des Einsatzes sozialer Plattformen mit dem Ziel, den Absatz zu steigern.

Abgesehen von reinen Teleshopping-Angeboten käme doch auch niemand auf die Idee, einen klassischen TV-Spot als Abverkaufsmöglichkeit zu betrachten. Jeder Autohändler wird bestätigen, dass ein Beratungsgespräch nur höchst selten auf der Stelle in einem Kaufvertrag mündet. Facebook ist keine Plattform, auf der die Leute sich originär zum Einkaufen rumtreiben, sondern ein Kommunikationskanal. Seine Stärken liegen darin, über Unternehmen und Produkte zu informieren, Neugierde und Bedürfnisse zu wecken, ein Image zu kreieren. Im Unterschied zu klassischen Werbeformen ermöglicht Social Media aber eine Unmittelbarkeit, die zur Kundenbindung, für Produktinnovationen oder schlicht zur Vertrauensbildung genutzt werden kann. Der Abverkauf aber erfolgt in der Regel noch immer über die konventionellen Kanäle, vor Ort im Einzelhandel.

Im Beispiel unserer Produktvariation haben wir uns auch nie der Illusion hingegeben, Facebook als nennenswerten direkten Absatzkanal erschließen zu können. Es handelt sich um ein Konsumprodukt mit einem Verkaufspreis unter 2 Euro, das in der Regel im Kassenbereich platziert und eher spontan gekauft wird. Es ist wohl kaum anzunehmen, dass potentielle Kunden ein solches Produkt bestellen, die Versandkosten tragen (das Payment ist heute generell einer der Hauptgründe, an denen Online Commerce scheitert!), und ein bis zwei Tage in freudiger Erwartung des Paketboten zuhause sitzen. Nein, Social Media hat hier die Kaufentscheidung am POS unterstützt, und zwar deutlich.

Das heisst aber auf der anderen Seite nicht, dass unmittelbarer F-Commerce zum Scheitern verurteilt sei, im Gegenteil. Wir beobachten heute allerdings eine Mischung aus viel zu hohen Erwartungen und wenig durchdachten Strategien. Wer für ein Produkt vergleichbar dem unseren aufwändig einen Facebook-Shop implementiert, wird sicherlich enttäuscht werden. Der Hardcore-Fan, der sich schon mal einen ganzen Karton bestellt (solche haben wir auch!), wird bedient werden können, aber das ist ein Service on top, der bezogen auf den Gesamtumsatz keine nennenswerte Rolle spielt. Auch ein Auto werden die Wenigsten per One-Click-Verfahren auf einer Fanseite erwerben.

Viel wichtiger als eine Auf-Teufel-Komm-Raus-Herangehensweise ist also zunächst die Frage, ob das Produkt überhaupt geeignet ist für F-Commerce, d.h., ob sich neue Zielgruppen erschließen lassen, und ein implementierter Shop zu Abverkäufen führt, die andernfalls mindestens zum Teil unterblieben wären. Durch eine Kannibalisierung der herkömmlichen Absatzwege durch Social Commerce ist ja auch niemandem gedient.

Das Stichwort lautet: Impulskauf. Und hier eignen sich soziale Netzwerke hervorragend, um Bedürfnisse zu wecken, die unmittelbar befriedigt werden wollen. Man betrachte das Beispiel eines Musikfans, der am Abend in einem Magazin eine ansprechende Plattenkritik liest, und sich für die nächsten Tage vage vornimmt, beim Dealer seines Vertrauens vorstellig zu werden. Hätte ich selbst diesen Vorsatz stets in die Tat umgesetzt, hätte ich für mein Plattenregal längst anbauen müssen. Der Dealer meines Vertrauens aber hat die Chance verstreichen lassen, mich in meinem Newsfeed über das neue Album in Form einer aussagekräftigen Besprechung zu informieren, das Bedürfnis zu wecken, und dessen Befriedigung mit einem Click anzubieten. Gerade für kleinere Händler sehe ich hier große Chancen.

Es zeigt sich also, dass die Potentiale für eine F-Commerce-Strategie durchaus gegeben, aber produktabhängig sind. Noch viel stärker erscheinen diese, wo die Möglichkeiten einer Customization gegeben sind: Man denke nur einmal daran, die Ergebnisse der grandios missglückten Pril-Kampagne hätte man anschließend exklusiv über einen eigenen Facebook-Shop kaufen können. Leider ist dort wieder eine große Chance auf ein spannendes Experiment vertan worden.


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