Das m4music ruft erneut in Erinnerung: Auch in der kleinen Schweiz gibt es eine grosse Musikszene. Wavebuzz-Redaktorin Monique über einen Abend voller Networking und Alt-Punks und warum sie keinen Auto-Tune mag.
Der erste Festivaltag in Zürich wird – zumindest vorerst – vom regnerischen Wetter eingetrübt. Am späteren Nachmittag finden dann doch einige Leute ihren Weg zum Schiffbau, um sich die Gratiskonzerte auf der Openairbühne anzusehen. Um 16 Uhr spielt dort nämlich der Cloud-Rapper Lil Bruzy. Der 22-Jährige zieht (wie das Genre im Allgemeinen) ein eher jüngeres Publikum an. Und auch dieses erscheint nicht allzu zahlreich. Vermutlich ist ein Grossteil der Bruzy-Zielgruppe noch mit dem Klimastreik beschäftigt.
Mit dem Beginn des Bezahlprogramms nimmt dann auch das durchschnittliche Alter der Festivalbesucher zu. Was nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass Artists, Medienschaffende und sogenannte «Professionals» einen nicht unwesentlichen Teil der Anwesenden ausmachen. Akkreditierte stehen um 19 Uhr länger an als Besucher mit regulären Tickets.
20 Uhr. Wir machen uns auf den Weg zu unserem ersten Highlight: den Schweizer Indie-Durchstartern Black Sea Dahu. Die Schlange vor dem Exil macht uns allerdings einen Strich durch die Rechnung. Beim Eingang angekommen ist das Konzert bereits vorbei. Schade.
Auf der Suche nach Alternativen
Wir suchen also nach Alternativen. Zurück zur Openairbühne! Dort spielt Tatum Rush, der mir vor dem Festival kein Begriff war. Mit einem schwarzen Schal um den Kopf gebunden – angeblich sein Markenzeichen – versucht der kosmopolitische Musiker, mit einem Spiel zwischen den Genres (Rap, Soul, R&B, Elektro, etc.) aus gängigen Formen auszubrechen. Die ausgefallenen Bühnenoutfits sind ein Versuch, Ironie auszustrahlen. Das klappt allerdings nur bedingt: Dafür nimmt sich der Musiker bei seinem Auftritt dann doch zu ernst.
Im Publikum hält sich das Interesse am Konzert in Grenzen. Der Aussenbereich vor dem Schiffbau nutzen nämlich die meisten, um soziale Kontakte zu pflegen. Es wird gelacht, geflirtet, getrunken, geraucht und vor allem: genetworked.
Der Abend nimmt seinen Lauf und es wird allmählich kühler. Um 22 Uhr bewegen wir uns also in Richtung Box. Der Saal ist zwar nicht ganz gefüllt, aber dennoch kommt zum ersten Mal an diesem Abend eine richtige Konzertstimmung auf. Der US-Rapper Bas bringt das Publikum mit einer energiegeladenen Show zum Tanzen.
Von Alt-Punks zum Auto-Tune
Was dann folgt, ist mein persönliches Highlight des Abends: Kettcar, die um 22:45 in der Halle spielen. Die Indie-Band aus Hamburg liefert auch gleich den passendsten Kommentar zum Abend: Das m4music bezeichnen sie als «Musikmesse», was in Anbetracht der Dichte an Anwesenden aus der Schweizer Musikbranche gar nicht so unpassend erscheint. «Wir sind hier, um die Milliarden zu verbrennen, die die Schweizer Musikindustrie so einnimmt», fügen sie dem hinzu. Und spätestens dann wird klar: Kettcar– die, früher in der deutschen Punkszene aktiv waren – sind politisch. Und das auf eine unheimlich sympathische Art. Ihre Message dient der Sache, nicht der Selbstinszenierung. Und dass sie dafür auch noch wunderschöne Worte finden, macht den Auftritt noch eindrücklicher
Und nicht eher schlafen bevor wir hier
Heute Nacht das Meer sehen
Spüren wie kalt es wirklich ist
Benzin und Kartoffelchips
Jede Scheiße mitsingen können
Irgendwann ist irgendwie
Ein anderes Wort für nie
(Ein anderes Wort für nie)
-Benzin und Kartoffelchips
Nach dem fantastischen Kettcar-Auftritt geht es zurück in die Box zum Zürcher Duo Wolfman, das 2013 an der Demotape Clinic entdeckt wurde.Stilistisch sind sie im Elektropop einzuordnen und überzeugen mit ihrem androgynen Auftreten und den poppigen Synthie-Einlagen. Wäre da nicht dieser Auto-Tune, der ständig über die Stimme von Sängerin Katerina Stoykova gelegt wird. Sorry, Wolfman, ihr seid eigentlich ganz toll, aber: Ich mag kein Auto-Tune… Inflationär angewandt wirkt er überkonstruiert (danke Roland Barthes) und künstlich. Was eigentlich fast immer jede noch so sphärische oder gefühlvolle Grundstimmung bricht. Aber das ist nun mal Geschmacksache.
Müde vom Hin und Her verlassen wir ungefähr um 1 Uhr das Festival. Und freuen uns bereits auf Tag 2, der nicht nur mit etwas mehr Sonne, sondern mit weiteren musikalischen Highlights lockt.
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