Wenn man irgendeinem kleinen Betrüger das Handwerk legt, dessen Machenschaften aufdeckt und damit die Allgemeinheit vor weiteren Schwindel bewahrt, dann sagt man gemeinhin dazu »Zivilcourage«. Vielleicht landet man in der Folge sogar beim ZDF und wird von Rudi Cerne belobigt. Und wenn man so richtig imponiert hat mit seiner Zivilcourage, schüttelt einem der jeweils aktuelle Bundesinnenminister die Hand und überreicht einen Preis und ein hübsches Sümmchen. Zivilcourage soll sich ja schließlich auszahlen. Außerdem muss man so ein soziales Verhalten auch deswegen belohnen, weil es viel zu selten (und angeblich immer seltener) vorkommt. Auf der Agenda der Gesetzeshüter steht daher, solche Menschen hervorzuheben und zu küren, die den Mut hatten, sich von ihrer eigenen Courage leiten zu lassen. Ermutigung muss schon sein.
Ein anders Wort für Zivilcourage heißt heute »Whistleblowing«. Kaum nimmt dasselbe Verhalten einen Anglizismus als Umschreibung an, schon scheint es vorbei zu sein mit Ermutigung, Belobigung und Preisverleihung. Bundesjustizminister Heiko Maas schummelt zwischen den Seiten der geplanten neuen Vorratsdatenspeicherung einen Anti-Whistleblowing-Passus hinein. Plötzlich soll die Aufdeckung krimineller Machenschaften also kein Gegenstand allgemeiner Zustimmung mehr sein, sondern strafrechtliche Relevanz haben.
Zugegeben: So plötzlich ist das auch nicht. Denn es ist ja nicht wirklich neu, dass man diese Art von Zivilcourage außer Kraft setzen will und kriminalisiert. Dass man so tut, als sei sie gar keine Zivilcourage, sondern irgendwas Gegenteiliges. Niedertracht und Verrat. Und obendrauf auch noch Betrug – also das, was der Whistleblower aufdecken will, ist er von einen Moment auf denen anderen selbst. Aber was ist denn bitte der Unterschied, wenn ich bei einem Spaziergang sehe, dass da irgendein Kerl eine alte Frau abzieht, mein Gewissen rebelliert und ich ihn abhalte und schnell die Polizei einschalte und dem, was Whistleblower gemeinhin tun? Es ist dasselbe Prinzip. Nur weil er in einem Dienstverhältnis steht, kann doch sein Gewissen dennoch aufbegehren und einfordern, dass miese Machenschaften alle erfahren müssen. Ohne couragierte Leute bei Spaziergängen gäbe es noch mehr Betrug – und ohne Hinweisgeber würde man viele Handlungen aus Wirtschaft und Behörden nicht kennen. Dass jemand der Presse weitergibt, dass sein Dienstherr Daten abgreift und damit schachert, irgendwelche Stoffe wissentlich falsch entsorgt oder verarbeitet, skandalöse Arbeitsverhältnisse pflegt und so weiter, darüber müssen wir doch froh sein als Gesellschaft. So froh wie über jeden, der mithilft, Betrug im Kleinen aufzudecken und auf Bauernfänger aufmerksam macht. Ob das eben klassische Whistleblower sind, investigative Journalisten oder ganz normale Bürger, die entschlossen handeln ist doch eigentlich gleich.
Wie gesagt, neu ist es nicht, dass man solche Leute immer dann »Verräter« nennt, wenn sie nicht im Kleinen agieren, sondern das Große streifen. Dass man aber das Wegschauen wieder mal gesetzlich fördert, wirft das passende Licht auf die Vertreter und Eliten dieses Gemeinwesens, die so oft das eine sagen und das andere tun. Denn wo sie jemanden Zuspruch widmen, wenn er kleine Verbrecher zur Strecke bringt, da rufen sie laut nach Sanktionen für die, die Wirtschaftsverbrechen aufzudecken drohen. Was Maas da wohl vorschwebt ist ein Staatswesen, in dem kleine Betrüger und Drückerkolonnen wohl gemeldet werden sollen, aber diejenigen, die im ganz großen Stil und in der Wirtschaft kriminell agieren, die erhalten gesetzlichen Schutz und sollen vor illoyalen Mitarbeitern abgeschottet werden. Das Ende aller Zivilcourage ist das Ziel immer dort, wo ein Arbeitsvertrag zwischen den Parteien steht. Wirtschaftskriminalität soll es wohl leichter haben in Zukunft.
Assange und Snowden haben die Menschen doch verunsichert und die Planungssicherheit aufs Spiel gesetzt. Das stört die Geschäfte. Aber eben nicht nur diese beiden Koryphäen gelingt das, sondern auch all den kleineren Hinweisgebern, die auf Ungereimtheiten hinweisen. Und daher gehören sie domestiziert, an ihre Arbeitgeber gebunden – damit auch morgen noch Abgaswerte ins Genehme gekürzt werden können, ohne dass irgendeine Ratte die hübsche Illusion eines rundum perfekten Lebens stört und Profite in Gefahr bringt.
Anders gesagt: Wenn Sie morgen beobachten, dass ein Vertreter eines Versicherungsunternehmens bei der Oma gegenüber die Klingel putzt und diese mit unlauteren Mitteln zur Unterschrift presst, dann sollten Sie Zivilcourage zeigen. Es sei denn, Sie sind selbst Angestellter desselben Unternehmens - und sei es nur als Hausmeister. Dann schauen Sie besser weg. Lassen Sie die Alte unterzeichnen. Selber schuld. Reden Sie sich ein, dass die Frau ja einen freien Willen hat, von dem sie dummerweise keinen Gebrauch machen wollte. Nicken Sie dem Kollegen zu und seien Sie froh, dass in Ihrem Unternehmen Loyalität ein hohes Gut ist. Das ist billiger für Sie und Ihre Familie. Nicht jedes Verbrechen ist schließlich ein Verbrechen. Und glauben Sie bloß nicht, dass Sie beim Cerne in der Sendung landen, wenn Sie hier den Helden mimen.
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Ein anders Wort für Zivilcourage heißt heute »Whistleblowing«. Kaum nimmt dasselbe Verhalten einen Anglizismus als Umschreibung an, schon scheint es vorbei zu sein mit Ermutigung, Belobigung und Preisverleihung. Bundesjustizminister Heiko Maas schummelt zwischen den Seiten der geplanten neuen Vorratsdatenspeicherung einen Anti-Whistleblowing-Passus hinein. Plötzlich soll die Aufdeckung krimineller Machenschaften also kein Gegenstand allgemeiner Zustimmung mehr sein, sondern strafrechtliche Relevanz haben.
Zugegeben: So plötzlich ist das auch nicht. Denn es ist ja nicht wirklich neu, dass man diese Art von Zivilcourage außer Kraft setzen will und kriminalisiert. Dass man so tut, als sei sie gar keine Zivilcourage, sondern irgendwas Gegenteiliges. Niedertracht und Verrat. Und obendrauf auch noch Betrug – also das, was der Whistleblower aufdecken will, ist er von einen Moment auf denen anderen selbst. Aber was ist denn bitte der Unterschied, wenn ich bei einem Spaziergang sehe, dass da irgendein Kerl eine alte Frau abzieht, mein Gewissen rebelliert und ich ihn abhalte und schnell die Polizei einschalte und dem, was Whistleblower gemeinhin tun? Es ist dasselbe Prinzip. Nur weil er in einem Dienstverhältnis steht, kann doch sein Gewissen dennoch aufbegehren und einfordern, dass miese Machenschaften alle erfahren müssen. Ohne couragierte Leute bei Spaziergängen gäbe es noch mehr Betrug – und ohne Hinweisgeber würde man viele Handlungen aus Wirtschaft und Behörden nicht kennen. Dass jemand der Presse weitergibt, dass sein Dienstherr Daten abgreift und damit schachert, irgendwelche Stoffe wissentlich falsch entsorgt oder verarbeitet, skandalöse Arbeitsverhältnisse pflegt und so weiter, darüber müssen wir doch froh sein als Gesellschaft. So froh wie über jeden, der mithilft, Betrug im Kleinen aufzudecken und auf Bauernfänger aufmerksam macht. Ob das eben klassische Whistleblower sind, investigative Journalisten oder ganz normale Bürger, die entschlossen handeln ist doch eigentlich gleich.
Wie gesagt, neu ist es nicht, dass man solche Leute immer dann »Verräter« nennt, wenn sie nicht im Kleinen agieren, sondern das Große streifen. Dass man aber das Wegschauen wieder mal gesetzlich fördert, wirft das passende Licht auf die Vertreter und Eliten dieses Gemeinwesens, die so oft das eine sagen und das andere tun. Denn wo sie jemanden Zuspruch widmen, wenn er kleine Verbrecher zur Strecke bringt, da rufen sie laut nach Sanktionen für die, die Wirtschaftsverbrechen aufzudecken drohen. Was Maas da wohl vorschwebt ist ein Staatswesen, in dem kleine Betrüger und Drückerkolonnen wohl gemeldet werden sollen, aber diejenigen, die im ganz großen Stil und in der Wirtschaft kriminell agieren, die erhalten gesetzlichen Schutz und sollen vor illoyalen Mitarbeitern abgeschottet werden. Das Ende aller Zivilcourage ist das Ziel immer dort, wo ein Arbeitsvertrag zwischen den Parteien steht. Wirtschaftskriminalität soll es wohl leichter haben in Zukunft.
Assange und Snowden haben die Menschen doch verunsichert und die Planungssicherheit aufs Spiel gesetzt. Das stört die Geschäfte. Aber eben nicht nur diese beiden Koryphäen gelingt das, sondern auch all den kleineren Hinweisgebern, die auf Ungereimtheiten hinweisen. Und daher gehören sie domestiziert, an ihre Arbeitgeber gebunden – damit auch morgen noch Abgaswerte ins Genehme gekürzt werden können, ohne dass irgendeine Ratte die hübsche Illusion eines rundum perfekten Lebens stört und Profite in Gefahr bringt.
Anders gesagt: Wenn Sie morgen beobachten, dass ein Vertreter eines Versicherungsunternehmens bei der Oma gegenüber die Klingel putzt und diese mit unlauteren Mitteln zur Unterschrift presst, dann sollten Sie Zivilcourage zeigen. Es sei denn, Sie sind selbst Angestellter desselben Unternehmens - und sei es nur als Hausmeister. Dann schauen Sie besser weg. Lassen Sie die Alte unterzeichnen. Selber schuld. Reden Sie sich ein, dass die Frau ja einen freien Willen hat, von dem sie dummerweise keinen Gebrauch machen wollte. Nicken Sie dem Kollegen zu und seien Sie froh, dass in Ihrem Unternehmen Loyalität ein hohes Gut ist. Das ist billiger für Sie und Ihre Familie. Nicht jedes Verbrechen ist schließlich ein Verbrechen. Und glauben Sie bloß nicht, dass Sie beim Cerne in der Sendung landen, wenn Sie hier den Helden mimen.
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