Den Briten war die Europäische Union seit jeher ein suspektes Gebilde. Sie beharren, wie es Inselvölker meist tun, auf ihrer Eigenständigkeit. Einen gewissen Willen zur Unabhängigkeit sprechen die Insulaner auch Obst und Gemüse zu. Damit sind sie auf Konfrontationskurs zur EU. Denn die Europa-Bürokraten in Brüssel haben ein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis – auch bei Früchten.
Die Vorschriften für die Figurmaße, die etwa eine Banane vorweisen muss, damit sie verkauft werden darf, sind seit ihrer Einführung im Jahr 1994 umstritten. Danach hat eine Banane mindestens 27 Millimeter dick und 14 Zentimeter lang zu sein. Eine Banane der Extra-Klasse darf zudem höchstens einen Quadratzentimeter an Schäden aufweisen.
Nicht zu blass, nicht zu dünn: Topmodel-Maße sind im Fruchtregal gefragt
Ähnlich kurios liest sich die EU-Gurkenverordnung: Danach müssen Gurken der Klasse I «genügend entwickelt, ziemlich gut geformt und praktisch gerade sein», so die Verordnung. Was sich als Anforderung für die Bewerberinnen bei Germany’s Next Topmodel liest, endet mit einer Ausführung zur maximal zulässigen Gurkenkrümmung. Bei Klasse-I-Gurken sind das zehn Millimeter auf zehn Zentimetern Gurkenlänge.
Seit Sommer 2011 hat die EU nun ein Einsehen: Für 26 Früchte wurden die detaillierten Import- und Maßangaben zurückgenommen und durch allgemeine Angaben ersetzt. Für zehn Sorten allerdings bleibt die Superfrucht weiter das Maß der Dinge: Ob Äpfel, Birnen, Paprika oder Pfirsiche: Sie müssen sich weiter dem detailverliebten Schönheitsdiktat der Brüsseler Bürokraten beugen.
Englische Abgeordnete fordert Freiheit für Früchte
Die Briten zürnen angesichts solcher Regelungswut. 20 Prozent der britischen Obst- und Gemüseernte könne nicht verkauft werden, weil die Früchte nicht den gewünschten EU-Modelmaßen entsprächen, berichtet der Telegraph. Sie kommen höchstens noch in die Saftpresse, aber keinesfalls vor die Augen der Käufer. Deshalb ruft die konservative Parlamentsabgeordnete Laura Sandys zur Rebellion auf. Die Supermärkte seien von Schönheit besessen, sagt Sandys. «Warum sollte ein Apfel nicht verkauft werden dürfen, bloß weil seine Farbe nicht ausreichend rot oder grün ist, wenn er trotzdem genauso schmeckt?», fragt sie.
Sie fordert Freiheit auch für hässliche Früchte – und eine Firma, die nur missratenes Obst und Gemüse verkauft. «Ich möchte es wieder in Supermärkten sehen, aber Kunden könnten auch kleinere Zwischenhändler sein, die es an Restaurants verkaufen», so Sandys. Ihren Wunsch nach einer «Ugly Fruit-Company», einer Firma für hässliche Früchte also, verbindet sie mit einer Vision. «Was unser Essen anbelangt, brauchen wir einen kulturellen Wandel. Wir sollten das, was wächst, mehr wertschätzen», fordert die Abgeordnete.
Quelle:
Nachrichten -
Gesellschaft Nachrichten -
Kartoffel, Möhre & Co. – So hässlich können Früchte sein