So geht das nicht

Von Beautifulvenditti

Weisst du, mein Prinzchen, ich kann durchaus verstehen, dass du als beinahe Dreijähriger gewisse Allmachtsfantasien entwickelst. Wer es schafft, den grossen Bruder zum Heulen zu bringen, wer den Papa so lange bestürmt, bis er ja sagt zum Eis, auch wenn noch fast das ganze Mittagessen auf dem Teller liegt, wer den Zoowärter so lange bezirzen kann, bis er seinen Keks freiwillig teilt, der sollte es doch eigentlich auch fertigbringen, die Mama vom Fleck zu bewegen, denkst du. Nun liegst du ja nicht ganz falsch in deiner Annahme, mein Sohn, bloss setzt du den Hebel am falschen Ort an. Mama bewegt sich nicht vom Fleck, wenn man an ihr herumzerrt, dabei laut heulend eine unverständliche Forderung von sich gibt und in einem Akt von Verzweiflung versucht, die Frau, die dich im Bauch getragen hat, gegen das Schienbein zu treten. Okay, wenn du lange genug schreist, kann es schon mal sein, dass ich aus lauter Sehnsucht nach Ruhe nachgebe, aber dein Versuch, mich auch physikalisch von meinem Standpunkt wegzubewegen, ist zum Vornherein zum Scheitern verurteilt. Zumindest, solange ich noch ein Mehrfaches von dir wiege. Und ich hoffe doch sehr, dass du dich dereinst, wenn du schwerer sein wirst als ich, nicht mehr schreiend auf dem Fussboden windest, weil ich mich weigere, die Milch in den Abfluss zu kippen, bloss weil es dir nicht passt, dass ich zuerst die Milch, dann den Kakao eingefüllt habe. Nein, mein Prinzchen, auch wenn du kleiner Kerl dir eine beachtliche Machtposition in unserer Familie erkämpft hast, was die körperliche Kraft anbelangt, bist du den meisten noch unterlegen und darum ist es wirklich eine Energieverschwendung, an mir herumzuzerren.

Und eigentlich wüsstest du sehr genau, welche Waffen du einsetzen musst, wenn du willst, dass dir die Mama aus der Hand frisst. Hast du denn schon wieder vergessen, wie ich dahingeschmolzen bin wie Butter an der Sonne, als du neulich ganz beiläufig bemerktest „De Mami gseht so herzig uus“, was frei ins Hochdeutsche übersetzt bedeuten soll, dass ich zum Anbeissen aussehe? Weisst du nicht mehr, wie sich meine Laune schlagartig gebessert hat, nachdem du letzthin an einem sehr grauen Morgen meine geschmackvolle Garderobe gelobt hast? „Du häs sooo schöni Kleider!“, hast du mir gesagt und schon war ich ein bisschen weniger frustriert über die magere Auswahl, die mir mein Kleiderschrank momentan bietet.

Glaub mir, mein Prinzchen, in jenen Momenten hättest du fast alles von mir haben können. Nun gut, ich hätte die Milch auch dann nicht in den Abfluss gekippt, aber ich hätte zumindest so getan als ob. Mama manipuliert man mit zuckersüssem Augenaufschlag und netten Komplimenten, nicht mit Zerren, Treten und Brüllen. Merk dir das und übe weiterhin fleissig, es könnte dir in Teenagerjahren, wenn du eine zusätzliche Stunde Ausgang herausschlagen willst, ganz hilfreich sein.

Und hier noch, wie gewünscht, die Bilder unseres Familienzuwachses, etwas verwackelt, aber ich wusste nicht, wie lange sie stillhalten:

  

Leone

Henrietta