So geht das!

Eine Terrorwelle überrollt Europa – und die Täter sind alle Frauen. Dahinter steckt die radikalfeministische Gruppierung FFF („Female Freedom Fighters“ oder „Female Fight for Freedom“ – die Aussagen zur Erklärung des Akronyms divergieren; klar ist nur, dass es sich nicht um die Umweltaktivsten von „Fuck for Forest“ stecken, die mit öffentlich gedrehten Amateurpornoaufnahmen den Regenwald- und Tierschutz unterstützen).
Auf dem Flughafen von Frankfurt-Hahn kontrollieren jedenfalls deshalb die drei dafür abgestellten Hundsrücker Beamten der Bundespolizei gezielt weibliche Fluggäste, die ins bulgarische Plovdiv, nach Montpellier, Alicante oder Dublin (letzteres als ein Hort der Extremistinnen verschrieen) ausfliegen oder von dort eintreffen. Schnell stoßen sie auf Widerstand. Eine angehende Zahnärztin mit Doppelnamen echauffiert sich über die sexistische Benachteiligung bei der Kontrolle, darüber, dass sie ihre in einem irischen Outlet Store erstandenen Valentinos bei der Einreise aus- und einer Röntgenuntersuchung unterziehen lassen muss - nicht aber der nach ihr kommende, weit suspektere Filmwissenschaftsdoktorand mit den Asics an den Füßen (die er, wie er betont wissen möchte, lediglich der Bequemlichkeit wegen auf dem Flug getragen hat und ansonsten nur zum Joggen verwendet).
Nun schaukelt sich die Situation unangenehm auf, eskaliert gar. Was genau passiert, ist (noch) nicht ganz klar, nur, dass ein Schuss fällt und die Doppelnamen-Dame tot ist (Schuss und Tod stehen in kausalem Zusammenhang, was aus dem Geschehnissen ja erst eine Geschichte macht).
Der Rest ist quasi ein Doppelthriller: Der eine (Teil) ist ein an ethnischen Zwickmühlen interessierter Rechts- und Justizkrimi (wie die prinzipiell immer spannendere zweite Hälfte von guten Law & Order-Folgen, die ihre Spannung eben aus dem Verhältnis von Recht und Rechtsfassung, -sprechung etc. beziehen). Ist es statthaft, so lautet die Frage, überhaupt ohne Anfangsverdacht und aufgrund von Kategorien wie dem Geschlecht anders behandelt zu werden als solche, die, zumindest dem Anschein nach, einen (mal auf den konkreten Fall bezogen) Penis in der Hose haben (ob sie das tatsächlich haben, ist wiederum eine ganz andere Frage!).
Der „zweite“ Thriller als analytisches Drama (und jeder ordentliche Thriller ist immer auch ein Drama, lassen Sie sich da nicht anderes erzählen!) widmet sich der Rekonstruktion des Hergangs auf dem kleinen Flughafen: Was genau ist passiert? Wie kam es zum Schuss? Wer ist Schuld? Eine abgespeckte Variante von Akira Kurosawas Klassiker RASHOMON (J 1950) entwickelt sich, die aber (auch wenn sie irgendwie von ausgefuchsten Interpretateuren auf irgendein kulturelles und künstlerisches kollektiv-japanisches Unterbewusstsein und die entlastenden Suche nach der Schuld bzw. Verantwortlichen für das Fukushima-Desasters appliziert wird), im Folgenden keine weitere Rolle spielen soll. Bloß soviel sei gesagt: die Auflösung ist verblüffend!
Also zurück zum prinzipiellen Moralspiel, das, ich kann gar nicht sagen wie, mit einer fulminanten Action-Sequenz angereichert wird. Dürfen Frauen anders, genauer: schlechter als Männer (weil als potenziell Verdächtigige) behandelt werden? Mit der toten Ex-Zahnärztin in spe bekommt die ohnehin schon kniffelige Frage freilich ein freilich ganz unnötig dramatisiertes Gewicht (ihr Witwer und der vor Gericht für sie ein-/auftretende Anwalt sind übrigens durch ein frivoles Band miteinander verknüpft: mit letzterem hatte das Opfer ein außereheliche Affäre, wovon nur einer von beiden Männer weiß [raten Sie, wer!]). Gebraucht hätte es diesen Seitenstrang nicht: Die Frage nach der Gleichbehandlung ist keine Entscheidung, die den goldenen Mittelweg zulässt – kein „ja, manchmal“ oder „ein bisschen“. Zu einem solchen kommt das Gericht am Ende in seiner Weisheit dann doch, insofern es urteilt:
"Aus Gründen der Kapazität und Effizienz müssten sich die Beamten auf Stichprobenkontrollen beschränken. Deswegen dürften sie die Auswahl der Reisenden 'auch nach dem äußeren Erscheinungsbild' vornehmen."
Darauf folgt: Die Reaktion der streitenden Parteien, der Figuren und Protagonisten im Gerichtssaal. Dann: der Abspann.

Humbug? Direct-to-Video, wenn überhaupt?
Filmwissenschaftliches oder manchmal auch -kritisches (vor allem hermeneutisches) Arbeiten befasst sich oftmals mit der Rekonstruktion von Sinn, der Decodierung der Encodierung. Daher hier direkt und ohne Umwege der interpretativen Spekulation einige Gedanken- und Inspirationsquellen für diese Kolportage (die in der Endfassung natürlich viel geschickter ausfällt!):
Die weibliche Terrorgruppe und -kampagne ist nicht Ausfluss von Misogynie (und wenn schon Ausfluss, dann einer allgemeiner, gleichberechtigender Misanthropie), sondern einer erneuten, augenblicklichen Beschäftigung mit dem Thema Nordirland und Gender, sowie der Suche nach einem Gegenmodell zum ethnischen „Profiling“ angesichts von solchen Parabeln der Realität: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,824066,00.html. Der Rechtsspruch ist daraus schnöde kopiert.
„Racial Profiling“ ist tatsächlich, immer noch, auch und gerade in Sachen Terrorismus ein so unbequeme wie (dementsprechend) spannende Frage. Wie sehr muss ich der Gleichberechtigung Rechnung tragen, wenn es mir „nur“ darum geht, eine mögliche Gefahr abzuwehren (und dazu auf simple Wahrscheinlichkeitsrechnungen und Erfahrungswerte zurückzugreifen)? Jemanden als Terroristen zu verdächtigen, nur weil er Muslim ist (oder eine Frau, oder irischer Katholik, oder Pakistaner, oder Student etc.) ist ebenso unsinnig, wie - andererseits - eine 87-jährige Großmutter aus Biberach einer Leibesvisitation zu unterziehen, nur um damit ein politisch-korrektes Gleichgewicht der sicherheitsbedachten Behelligung herzustellen. (Die ordentliche Behandlung des Themas Spannungsfeld zwischen sozialen und filmischen bzw. filmgenerischen Stereotypen steht leider noch aus.)
Zum Thema "echtes" und "falsches" Geschlecht und Terrorismus (bzw.: Identität) siehe übrigens natürlich: http://www.imdb.com/title/tt0104036/
Was den ungeklärten Todesfall durch eine Polizeikugel betrifft:
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,823155,00.html
RASHOMON: http://www.imdb.com/title/tt0042876/; Abwandlungen davon bzw. Beispiele für das unzuverlässige Erzählen eines „Tathergangs“ (beliebig, ohne Rücksicht auf Niveau und andere Ordnungskriterien): ANATOMY OF A MURDER, COURAGE UNDER FIRE, MORAL THOUGHTS, THE USUAL SUSPECTS
Wohin man ansonsten mit Ryanair vom Flughafen Frankfurt-Hahn aus fliegen kann, können Sie sich hier einsehen: http://www.ryanair.com/de
Und was ansonsten die in Norwegen gegründete Umweltgruppe „Fuck for Forest“ anbelangt: http://en.wikipedia.org/wiki/Fuck_for_Forest
zyw
P.S.: Das Wort „Interpretateur“ habe ich erfunden. Es gehört mir.

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