So etwas wie Selbstverwirklichung

Kleinkindmütter hätten sich selbst irgendwo zwischen Windel- und Wäschebergen verloren, las ich neulich in einer Kolumne. Die Kolumnistin beschrieb – meiner Meinung nach sehr treffend – wie es ist, wenn frau plötzlich ist, wie sie nie hatte werden wollen und warum sich das alles trotzdem nicht falsch anfühlt, weil es dabei ja um Glück und Wohlbefinden der Kinder geht. 

Solange sich die Schreiberin auf dem Boden ihrer eigenen Erfahrungen bewegte, war der Text wirklich gelungen. Dann aber wagte sie einen Ausblick auf das, was sie von der Zukunft erwartet. Von der Zeit, wenn sie ihre Tage nicht mehr am Rande eines Sandkastens verbringt, sondern wieder ganz relaxed und mit sich selbst im Reinen den Kleinkindmüttern dabei zuschaut, wie sie sich mit ihrem quengelnden Nachwuchs abmühen. Wenn die Kinder erst mal in der Schule seien, schrieb sie, habe frau wieder ganz viel Zeit, sich selber zu finden und das Leben zu geniessen. 

Anstatt an dieser Stelle zu erläutern, warum ich diese Sicht für allzu rosarot halte, zähle ich hier mal auf, was eine, die in dieser angeblich so entspannten Lebensphase angekommen ist, im Laufe einer Woche alles für ihre Selbstverwirklichung getan hat:

  • Beim Abfragen die Grundkenntnisse in Chemie und Physik aufgefrischt
  • Im Home Office die Konzentrationsfähigkeit geschärft, weil einer, der krank ist, sich in voller Lautstärke Filme reinzieht
  • Beim Verfassen von vier Arbeitsblättern für einen, der in der Schule ein wenig Unterstützung braucht, wieder einmal an einem schöneren Schriftbild gearbeitet
  • Beim Elterngespräch der Löwenmutter, die in mir steckt, ein wenig Auslauf gewährt
  • Sich beim Teenie-Romanzen-Filmabend mit der Tochter unglaublich jung gefühlt
  • Dank den Kauf von zwei Beuteln Maisstärke und einer Billig-Körperlotion neue Einblicke in die Experimentierfreude junger Menschen gewonnen
  • Die wundersame Erfahrung gemacht, dass auf dem Fussboden verstreute Maisstärke und mütterliche Nervenstärke friedlich Hand in Hand gehen können
  • Durch bemerkenswerte Zurückhaltung beim Kommentieren von mir gezeigten Teenie-Kleidungsstücken die diplomatischen Fähigkeiten geschliffen
  • Beim frühmorgendlichen „Happy Birthday“-Singen für einen geliebten Teddy endlich mal wieder ein wenig Stimmbildung betrieben
  • Beinahe unglaubliche Toleranz geübt, als eine minderjährige Person, die kurz zum Einkaufen geschickt wurde, ausserhalb der Saison mit Peperoni, Tomaten und Gurken nach Hause kam
  • Aufopferungsvoll den Schwedischkurs frühzeitig verlassen, auf dass der Mann zum Elternabend des Sohns gehen könne

Ich möchte mich keineswegs beklagen über diese vielfältigen Möglichkeiten der Selbstverwirklichung. Ohne sie wäre mein Leben um sehr viel ärmer. Ich bin mir jedoch ziemlich sicher, dass die Schreiberin der oben erwähnten Zeilen sich das mit der Selbstfindung nach der Kleinkindphase deutlich romantischer vorgestellt hat. 

So etwas wie Selbstverwirklichung


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