So einfach ist das nicht!

Jahrelang hat der erfolgreiche Rechtsanwalt Harald Gläser seine Frau Barbara vernachlässigt. Als er erfährt, dass sie einen Liebhaber hat, fällt er aus allen Wolken. Aber er ist bereit, ihr zu verzeihen …
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André umarmte und küsste sie. Zärtlich strich er über ihre Wange: “Heirate mich, Barbara. Du bist die erste Frau, die ich wirklich liebe, die ich wirklich brauche.”
Einen Moment war sie zu überrascht, um zu reagieren. Dann löste sie sich sanft von ihm. “So einfach ist das nicht. Ich bin schon verheiratet …”
“Lass dich scheiden”, erwiderte er heftig. “Du bist nicht glücklich!”
“Aber ich war es einmal.”
“Und was ist mit uns? Sind wir nicht glücklich miteinander?”
Sie konnte es nicht fassen. André Limburg, der blendend aussehende Frauenschwarm, machte ihr, einer braven Hausfrau und Mutter einer Tochter, einen Heiratsantrag! Von wegen brav, dachte sie gleich darauf schuldbewusst. Hatte sie nicht sehnsüchtig darauf gewartet, dass ihr Mann Harald für ein paar Tage geschäftlich nach Berlin flog, damit sie die ganze Nacht bei ihrem Liebhaber verbringen konnte?
Vor sechs Monaten hatte alles angefangen. Vieles war zusammengekommen: Ihre 14-jährige Tochter Karen war für ein Jahr in London, besuchte dort die Schule und wohnte bei ihrer heissgeliebten Patentante, einer Cousine Haralds, die mit einem Engländer verheiratet war. Harald hatte seine Tochter in ihren Plänen voll unterstützt. Ihr Englisch auf diese Weise zu vervollkommnen könne nur von Vorteil für sie sein, hatte er gemeint. Barbara gab ihm recht, aber sie hatte sich nach Karens Abreise in ihrem grossen Haus ziemlich verloren gefühlt. Harald war ihr keine Hilfe gewesen – er war mit seiner Karriere beschäftigt. Er war es auch, der die Idee mit den Verschönerungsarbeiten hatte. Sie hätten jetzt die Mittel, um das Stadthaus von Grund auf renovieren zu lassen. Sie hätte freie Hand. Er hatte ihr vorgeschlagen, diesen bekannten Architekten, von dem die ganze Stadt sprach, mit den Arbeiten zu beauftragen. Diesen André Limburg.
André war gekommen, hatte sich das Haus angesehen und war begeistert gewesen. Barbara und er hatten viele Stunden gemeinsam über den Plänen gesessen. Er brachte ihr Blumen mit und machte ihr Komplimente. Seit langem hatte sie sich nicht mehr so lebendig und begehrenswert gefühlt. Als Harald wieder einmal in Berlin war, passierte es dann. Sie wurden ein Liebespaar. Barbara hatte inzwischen von Andrés Ruf als Playboy gehört. Sie hatte geglaubt, dass er ihrer bald überdrüssig werden würde. Nun war das Gegenteil eingetreten.
Aber was wollte sie? In ihrem Kopf herrschte Chaos. Leise sagte sie: “Ich kann jetzt keine Entscheidung treffen. Ich muss darüber nachdenken.”
“Und wie lange?”
Unsicher fuhr sie sich mit der Hand durch das dunkle Haar. “Das kann ich nicht sagen. Es ist besser, wenn wir uns in nächster Zeit nicht sehen. Ich konnte doch nicht ahnen, dass du mich heiraten willst, André!”
“Ich habe mich verändert. Jetzt will ich nur noch dich, Barbara.” Er wirkte auf einmal verunsichert. “Viele Frauen, denen ich früher sehr weh getan habe, würden sagen, dass es mir nur recht geschieht, wenn du mich zurückweist. Soll ich dich nach Hause bringen?”
“Ja, bitte.” Sie rang sich ein Lächeln ab. Er sollte nicht sehen, wie zerrissen und traurig sie sich fühlte.
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Harald sass im Hotel an der Bar. Nach dem anstrengenden Tag brauchte er dringend einen Schlaftrunk. Als er das Glas an die Lippen hob, prostete ihm ein Mann vom anderen Ende der Bar zu. Er erkannte sehr schnell Lars Federau, einen Kollegen. Harald hatte von seiner Scheidung gehört. Armer Kerl, dachte er und genoss das Gefühl, dass zwischen ihm und seiner Frau Barbara alles in Ordnung war. Ausserdem vergass er nie, dass Lars ebenfalls Rechtsanwalt und einer seiner schärfsten Konkurrenten in Düsseldorf war.
Lars kam mit seinem Glas und setzte sich auf den freien Hocker neben Harald: “Wie geht’s dir denn?” fragte er mit schwerer Zunge.
“Gut, danke. Ich hab von deiner Scheidung gehört. Tut mir leid. Dabei habt ihr euch doch immer so gut verstanden, Claudia und du.”
“Ja. Wie Barbara und du.”
“Sicher. Aber Barbara und ich verstehen uns zum Glück immer noch.”
“Das Glück des Ahnungslosen”, meinte Lars trocken, trank sein Glas in einem Zug leer und bestellte ein neues.
“Findest du nicht, dass du langsam genug getrunken hast?”
“Keine Bange, das nimmt mir nicht die klare Sicht. Irgend jemand muss dir ja wohl die Augen öffnen.”
Harald musterte ihn skeptisch. “Was willst du damit sagen?”
“Barbara betrügt dich!”
Ungläubig lachte Harald auf. “Und jetzt wirst du mir gleich sicher auch noch sagen, mit wem?”
“Mit André Limburg. Er hat eure Villa renoviert, habe ich gehört. Tja, du hast dir deinen Konkurrenten selbst ins Haus geholt …”
“So ein Quatsch. Was erzählst du nur für einen Unsinn?”
“Du bist erstaunlich naiv. Barbara ist sehr schön. Sie ist eine wunderbare Frau. Und du vernachlässigst sie.”
“Wie kommst du eigentlich dazu, mir diese Lektionen zu erteilen?” brauste Harald nun auf. Aber sein Ausbruch tat ihm sofort leid.
Lars seufzte: “Sei froh, dass André seine Eroberungen nicht heiratet. Mit ein bisschen Glück kommt Barbara zu dir zurück. Wenn dir etwas an ihr liegt, verzeih’ ihr. Ich habe Claudia ihren Seitensprung nicht verzeihen können. Jetzt sind wir geschieden. Ich war so dumm zu glauben, dass das Geld, das ich verdiente, genügte, um sie glücklich zu machen. An deiner Stelle würde ich die erste Maschine nach Düsseldorf nehmen und versuchen zu retten, was zu retten ist.”
“Die Besprechungen hier sind nicht abgeschlossen, und es handelt sich um einen meiner wichtigsten Klienten!”
“Sind dir deine verdammten Klienten wichtiger als Barbara?”
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Harald hatte den Termin verschoben. Als er vor seinem Haus ankam, sah er im Schlafzimmer Licht brennen. Barbara war da! Alles, was er in diesem Augenblick spürte, war ein unglaubliches Gefühl der Erleichterung.
Als er die Tür aufschloss, kam sie im Morgenmantel die Treppe hinunter. “Ich konnte nicht schlafen und habe deinen Wagen gehört. Wieso bist du denn schon zurück?”
Er versuchte, aus ihrem Gesichtsausdruck irgend etwas herauszulesen. Doch sie verriet mit keiner Miene, dass etwas anders war als sonst. Schliesslich meinte er müde: “Ich bin vorzeitig abgereist, weil ich bei dir sein wollte, Barbara.”
Plötzlich sah er, dass Tränen über ihre Wangen liefen. Spontan nahm er sie in die Arme: “Alles wird gut, Liebste. Ich verzeih’ dir die Geschichte mit André.”
Sie wurde rot: “Woher … woher weisst du das?”
“Lars hat es mir gesagt. Ich habe ihn zufällig in Berlin getroffen. Aber du weisst vielleicht nicht, dass dieser André ein unverbesserlicher Don Juan ist. Er wird dir weh tun. Versprich mir bitte, dass du ihn nicht wiedersiehst.”
Barbara entzog sich ihm: “André hat mich gebeten, seine Frau zu werden.”
Er stand wie vom Donner gerührt da. André wollte Barbara heiraten? Seine Barbara? Alles war viel schlimmer, als er es sich vorgestellt hatte. Schmerz, Wut und grenzenlose Eifersucht stiegen in ihm hoch.
“Harald, ich werde eine Weile fortfahren”, sagte Barbara leise. “Ich weiss mittlerweile nicht mehr, wer ich bin und wohin ich gehöre.”
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Barbara hatte sich in einer kleinen Pension im Westerwald einquartiert. Um zu versuchen, Klarheit in ihre Gedanken zu bringen, machte sie jeden Tag lange Spaziergänge. In der ersten Zeit empfand sie vor allem wilden Schmerz, weil André ihr fehlte. Die Unterhaltungen mit ihm, sein Lachen, seine Zärtlichkeit, ihre leidenschaftlichen Umarmungen. Aber das zehrende Verlangen liess langsam nach, und die Vergangenheit wurde wieder lebendig. Harald und sie. Wie hatten sie sich geliebt! Die Heirat mit ihm war die Erfüllung all ihrer Träume gewesen. Sie hatten eine schöne, begabte Tochter. Natürlich hatte es auch Probleme gegeben, vor allem finanzielle. In den ersten Jahren ihrer Ehe hatte sie zu Hause Schreibarbeiten übernommen, damit sie über die Runden kamen. Als Harald dann gut verdiente, hatte sie auf seine Bitte hin mit der Arbeit aufgehört und ihm den Rücken für seine Karriere freigehalten.
Aber zum Schluss hatte Harald nur noch die Haushälterin in ihr gesehen. André hatte ihr immer gesagt, dass er sie begehrte, dass sie eine Traumfrau wäre. Plötzlich wusste sie, dass es genau diese Worte waren, die sie so gern aus Harald Mund gehört hätte. Nur machte Harald ihr schon lange keine Komplimente mehr.
Vielleicht würde es erneut zwischen Harald und ihr prickeln, wenn sie wieder die Frau wurde, die sie einmal gewesen war: unabhängig und selbstbewusst. Seit Jahren liebäugelte sie mit der Idee, ein Schreibbüro aufzumachen. Aus Bequemlichkeit oder auch aus der Angst heraus, am Ende damit scheitern zu können, hatte sie ihr Vorhaben nie in die Tat umgesetzt.
Es wurde Zeit, dass sie aufwachte. Zeit, dass sie sich endlich darüber im Klaren wurde, was ihr ihre Ehe noch wert war. Gut - Harald hatte sie in den letzten Jahren vernachlässigt. Aber sollte sie deshalb alles aufgeben, was sie miteinander verband? Zudem gab es Karen, bald würde sie zu Hause zurück sein. Sie brauchte ihre Eltern noch, und sie, Barbara, freute sich unbändig darauf. Sollte sie sich weiter einer Affäre hingeben, von der sie nicht wusste, ob sie eine Zukunft hatte? Nein, kam sie zu dem Schluss: sie würde mit Harald zusammenbleiben - mit dem Mann, mit dem sie seit fünfzehn Jahren verheiratet war.
Als sie Harald schrieb, dass sie sich für einen neuen Anfang mit ihm bereit fühlte und sich freuen würde, wenn sie hier zusammen ein paar Tage Urlaub machen könnten, schnürte ihr die Angst das Herz zu. Und wenn er es jetzt war, der sie nicht mehr wollte? Am Anfang war er sofort bereit gewesen, ihr zu verzeihen. Aber auch er hatte Zeit gehabt, um nachzudenken. Vielleicht war er zu dem Schluss gekommen, dass ihre Ehe nicht mehr zu retten war?
Aber Barbara wusste, dass es richtig gewesen war, sich diese Bedenkzeit zu nehmen. Vor vier Wochen wäre eine Versöhnung nur Flickwerk gewesen. Körperlich bei Harald, aber in Gedanken bei André - nein, das wäre nie gutgegangen.
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Als sie drei Tage später von ihrem Spaziergang zurückkam, erblickte sie Haralds Wagen vor der Pension. Ihr Mann stand am Empfang und sprach mit der netten Pensionsinhaberin.
Barbara betrachtete ihn versonnen. Die etwas gebeugten Schultern, und das Haar, das sich zu lichten begann, durchzogen von den ersten grauen Strähnen. Ein warmes Gefühl aus Liebe und Zuneigung durchströmte sie.
In diesem Augenblick drehte Harald sich um. Lange blickten sie sich an, dann gingen sie langsam aufeinander zu.
“Danke, dass du gekommen bist”, sagte Barbara leise. Hoffnungsvoll forschte sie in seinen Augen.
“In den letzten Wochen ist mir klar geworden, wie sehr ich dich liebe”, sagte er und zog sie mit einem erstickten Laut an sich. “Ich kann ohne dich nicht leben, Barbara. Und ich habe dich viel zu lange vernächlässigt. Verzeih mir bitte. Das soll nun anders werden.”
Endlich fiel jede Anspannung von ihr ab. Sie lächelte vor Glück und schlang ihre Arme seufzend um seinen Hals. Fest presste Harald sie an sich. Nie wieder, das wusste er, würde er sie loslassen …
ENDE

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