© Sony Pictures Releasing GmbH / Mary Elizabeth Winstead und Octavia Spencer in “Smashed”.
Kennt man ja: Die ewige Unterhaltung über schlechte und gute Filme. Zumeist Geschmackssache. Aber es gibt inzwischen ein Totschlag-Argument, dass in der Filmwelt schon fast eine 100%ige Garantie für einen guten Film verspricht: das Sundance Filmfestival. Jedes Jahr im Januar pilgern zig Tausend filmbegeisterte Menschen nach Utah, USA um dort dem größten unabhängigen Filmfestival der Welt einen Besuch abzustatten. Selbst Lisa Simpson, die kleine zackig-haarige Intelligenzbestie der Simpsons war mit einer Dokumentation über ihre Familie Teil eines fiktiven Sundance Filmfestivals. Der durchaus reale Regisseur James Ponsoldt („Off the Black“, 2006) war bereits zweimal zu Gast in Sundance: ganz aktuell mit seinem neuen, dritten Regiewerk „The Spectacular Now“ über einen High School Senior, dessen partyliebende Weltansicht ins Wanken gerät, als er ein eher untypisches nettes Mädchen trifft. In Deutschland begnügt man sich vorerst mit dem Kinostart von Ponsoldts zweiten Regiewerk „Smashed“, mit dem Grand Jury Preis des 2012er Sundance Festivals ausgezeichnet.
Mary Elizabeth Winstead und Aaron Paul.
Hier treffen die Zuschauer auf Kate Hannah, von alkoholisiertem Frohsinn bis zur erschütterter Wahrheitserkennung ihres Alkoholproblems facettenreich von Mary Elizabeth Winstead dargestellt. Kate hat einen moralisch verantwortungsvollen Job als Lehrerin einer Grundschulklasse, kommt insgeheim jedoch nicht drum herum, immer wieder den Griff zur Flasche zu vollführen. Selbst das Erbrechen vor ihrer Klasse in einen Mülleimer ruft nur ein latentes Schuldgefühl hervor. Sie beichtet nicht etwa ihr exzessives Trinkverhalten, sondern lügt den Kindern eine Schwangerschaft vor um den zahlreich auf sie einprasselnden Fragen zu entgehen, aber auch um ihren Job zu retten. Nur ihr Kollege Dave sieht, wissend aus eigener Erfahrung, was mit Kate vor sich geht. Er lädt sie zu einer Therapiesitzung ein. Kate realisiert daraufhin, dass sie ein Problem hat und beschließt Trocken zu bleiben. Das gestaltet sich jedoch gar nicht so einfach, wenn der eigene Freund, verwöhnt durch das Geld seiner Eltern, keinen Beistand leistet. Und als die Kinder ihrer Grundschulklasse anmerken, dass Kate durch ihre Schwangerschaft gar keinen dicken Bauch bekommt, findet sie sich in einem moralischen Dilemma wieder.
Beklemmend zeichnet Ponsoldt das Bild seiner Alkoholikerin, die fast nur nebenbei immer wieder zur Flasche greift, als sei es das Normalste von der Welt. Er wirft uns in einen Alltag voller Freude, mit einem sich liebenden Pärchen, das jeden Abend das Leben selbst zu feiern scheint. Doch schon sehr bald macht sich das Gefühl breit, dass diese Beziehung ausschließlich darauf beruht, dass die beiden Liebenden immer nur unter Alkoholeinfluss stehen. Das morgendliche Aufwachen gestaltet sich als äußerst unangenehm, wenn er anmerkt, dass sie ihn schon wieder im Schlaf angepinkelt habe. Offenbar nichts ungewöhnliches. Der Film markiert dieses Ereignis als öfters vorkommend, als sei keiner der beiden Protagonisten hiervon noch sonderlich angewidert. Während der morgendlichen Dusche greift Kate schon zur Bierflasche. Ein Wunder, dass sie sich nicht die Zähne mit Wodka putzt. Dieser findet sich dann vermutlich in dem kleinen Flachmann im Auto wieder, aus dem sie noch einmal schnell einen Schluck nimmt bevor sie ihre Schule betritt. Der Tag findet dann seinen Ausklang in einer Karaoke Bar. Natürlich erneut nicht ohne zum Glas zu greifen. Hier ist es ein ordentlicher Krug voll mit Bier, der Kate keinesfalls vor der Heimfahrt im Auto hindert. „Smashed“ zeigt schnell und im filmischen Zeitgeschehen eines Tages, wie ein typischer Absturz ausschauen kann. Am nächsten Tag wird Kate auf einem verlassenen Hinterhof aufwachen. Ebenfalls, so scheint es, keine Seltenheit. Hier wird nicht das Anfangsstadium einer Alkoholsucht vorgeführt. Der Zuschauer befindet sich mittendrin, wenn nicht gar auf dem erschreckenden Höhepunkt. Man darf miterleben wie Kate in einem Supermarkt auf den Boden pinkelt, weil der Besitzer sie nicht die Toilette benutzen lassen will. Mary Elizabeth Winstead spielt sich bis zum Abgrund dieser Frau, ist sich keiner vorführenden Handlung zu Schade um das eigene Unbewusstsein Kates über ihre immens traurige Situation darzustellen.
Kate (Winstead) und Charles (Paul).
Auf die Frage, ob sie auch eine „hardcore drinking bitch“ sei, hält Kate nur ein „I don’t know“ bereit. Es wirkt verlegen, abweisend, insgeheim aber bereits wissend. Nur noch nicht wahr haben wollend. In der ersten von ihr besuchten Sitzung der Anonymen Alkoholiker beginnt sie mit den Worten „I don’ know if I’m an alcoholic“, kommt dann aber schon gut ins Erzählen über ihre alltäglichen Abstürze. Ihr Freund Charlie, „Breaking Bad“-Darsteller Aaron Paul, nimmt das mit unfassbarer Gleichgültigkeit auf, freut sich nach ihrer durchgezechten Nacht und immerhin 21 seiner unbeantworteten Anrufe schlicht darüber, dass seine Freundin ‘okay’ sei, obwohl sie das ganz und gar nicht ist. Wer weiß was sonst noch auf der Liste der Drogen gestanden hätte, würde Kate hier nicht selbst die Reißleine ziehen um ihrem Leben eine Kehrtwende zu geben. Selbst ist die Frau, die sich weder auf ihren Freund, noch auf die eigene Mutter, offenbar auch mit Trinkvergangenheit, verlassen kann.
Wie bereits in seinem Regiedebüt „Off the Black“ inszeniert James Ponsoldt seine Geschichte rund um den Alkohol und dessen Suchtvermögen. Nick Noltes verwahrloster High School Baseball Schiedsrichter mit Trinkproblem weicht hier der jungen Lehrerin. Niemand ist gänzlich sicher und kann vor der Sucht bewahrt werden. Der allseits präsente Alkohol nimmt hier stellvertretend den Platz für zahlreiche weitere Suchtpotentiale ein. Sich von der Sucht lossagen, aber auch endlich heranreifen von einem unbekümmert lebenden Mädchen, dass Erwachsen erscheinen mag, es aber sichtlich nicht ist. Reife, Verantwortung und Unabhängigkeit. Ihr Freund bekommt das bis zum Schluss nicht auf die Reihe, während Kate die Kurve kriegen wird. Zumindest bis sie nach ihrer einjährigen Abstinenz wieder auf Charlie trifft. Dann aber wird die Leinwand im entscheidenden Moment schwarz. Zurück ins alte Leben oder das Neue weiter verfolgen – der Zuschauer darf im Geiste entscheiden wie es mit Kate weiter oder zu Ende gehen wird.
“Smashed“
Originaltitel: Smashed
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2012
Länge: ca. 81 Minuten
Regie: James Ponsoldt
Darsteller: Mary Elizabeth Winstead, Aaron Paul, Nick Offerman, Megan Mullally, Octavia Spencer, Mary Kay Place, Kyle Gallner, Mackenzie Davis
Deutschlandstart: 9. Mai 2013
Im Netz: smashed-film.de