Smartwatch – So funktioniert EKG und Blutdruckmessung

Von Andreas Schleifer

Was vor einigen Jahren noch völlige Utopie war ist inzwischen Realität geworden. EKG und Blutdruckmessung auf der Smartwatch oder dem Fitness Tracker. Doch wie funktionieren diese Messungen und was taugen die Ergebnisse?

Mit der Apple Watch 4 wurde bei Fitness Tracker und Smartwatches ein neues Zeitalter eingeläutet. Erstmals war ein Wearable im Stande ein mobiles EKG zu erstellen und damit Hinweise auf eine mögliche Herzerkrankung zu liefern.

Inzwischen gesellten sich zur Apple Uhr die Withings Move ECG und die Amazfit GTS, die ebenfalls über die EKG Funktion verfügen. Wenn du aber glaubst damit den aktuellen Stand der Technik zu kennen, erlaube mir Dich zu überraschen.

Auf der IFA 2019 wurde mit der Asus Vivowatch BP eine Smartwatch vorgestellt, die neben dem EKG auch noch die Messung des Blutdrucks beherrscht und das ohne lästiger Manschette.

In Anbetracht dieser Neuentwicklungen ist es natürlich interessant zu wissen, wie diese neuen Features überhaupt funktionieren und wie seriös die dabei gewonnenen Messwerte sind.

So funktioniert ein EKG

Bild von Gabe Raggio auf Pixabay

Bei einem EKG (Elektrokardiogramm) wird die Funktion des Herzens untersucht, in dem die Herzfrequenz (Anzahl der Schläge pro Minute) und der Herzrhythmus (Regelmäßigkeit der Herzschläge) aufgezeichnet werden. Abweichende Befunde können auf eine Verengung der Herzkranzgefäße, Herzinfarkt oder Rhythmusstörungen wie Vorhofflimmern hinweisen.

Nerven- und Muskelzellen kommunizieren mittels chemischer und elektrischer Signale miteinander. Das gilt auch für das Herz. Der im rechten Vorhof des Herzens befindliche Sinusknoten löst einen elektrischen Impuls aus, der sich in einzelnen Stromstößen über den gesamten Herzmuskel ausbreitet und dabei zuerst die Vorhöfe und danach die Herzkammern zusammen ziehen lässt.

Diese Stromstöße sind auch auf der Hautoberfläche messbar und es sind genau diese Stromschwankungen, die durch das EKG aufgezeichnet werden.

Üblicherweise kommt in der Medizin das 12-Kanal-EKG zum Einsatz. Dabei werden 10 Elektroden verwendet, wobei sechs davon auf der Brust, zwei weitere auf den Unterarmen und die letzten beiden auf den Waden angebracht werden.

Bei einem EKG wird der Umstand genutzt, daß die Impulse des Herzens wie bereits erwähnt an der Hautoberfläche messbar sind, sich aber nicht gleichmäßig über den Körper ausbreiten. Daher wird die Stärke des Impuls zwischen zwei Elektroden ( zum Beispiel die beiden Elektroden an den Waden) gemessen. Der Mediziner spricht dabei von einer “Ableitung” Bei einem 12-Kanal-EKG werden insgesamt 12 Ableitungen gemessen.

Abhängig davon in welcher Ableitung es zu einer Abweichungen kommt, kann der Experte daran erkennen in welchen Bereich des Herzmuskels ein medizinisches Problem wie ein Infarkt vorliegt oder in welcher Kammer es zu Rhythmusstörungen kommt.

EKG an der Smartwatch

Auch bei der EKG Aufzeichnung auf einer Smartwatch oder einem Fitness Tracker kommen Elektroden zum Einsatz. Jedoch nur zwei Stück. Die eine Elektrode ist üblicherweise auf der Gehäuserückseite verbaut, die andere Elektrode befindet sich zumeist auf der Vorderseite am Gehäuserand, versteckt in einer Lünette oder in einer seitlich angebrachten Taste (Krone)

Bildquelle Apple

Um eine Messung durchzuführen, muss die Smartwatch fest am Handgelenk getragen werden, damit die an der Gehäuserückseite angebrachte Elektrode auch wirklich Hautkontakt hat. Im nächsten Schritt legt man einen Finger auf die zweite Elektrode auf der Vorderseite. Dadurch ist der Stromkreis zwischen dem Herz und den beiden Armen geschlossen und elektrische Impulse können dadurch erfasst werden.

Da an der Messung nur zwei Elektroden beteiligt sind, spricht man in diesem Fall von einem 1-Kanal-EKG. Damit können vor allem Arrhythmien oder Kammerflimmern nachgewiesen werden.

Wie genau ist EKG Messung?

Die Apple Watch 4 war die erste Smartwatch mit EKG-Funktion am Markt und daher gibt es bereits schon einige aussagekräftige Studien und Untersuchungen zur Messgenauigkeit des Features.

Apple selbst hat gemeinsam mit der Standford Universität eine großangelegte Studie dazu durchgeführt, an der insgesamt 420.000 Personen beteiligt waren. Im Rahmen der Untersuchungen stellte sich heraus daß in rund 84% der Messungen, sowohl die Apple Watch 4 wie auch eine simultan ambulante EKG Aufzeichnung Vorhofflimmern gezeigt haben.

Im Vergleich dazu spricht die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie sogar von einer 95% Übereinstimmung bei durch die Smartwatch diagnostizierten Vorhofflimmern und klinisch dokumentierten Vorhofflimmern.

Fazit zur EKG Funktion bei Smartwatches

Ohne Zweifel stellt die EKG Funktion eine interessante und nützliche Möglichkeit dar, Auffälligkeiten bei der Herzfrequenz zu entdecken und permanent zu beobachten. Das gilt besonders für Nutzer mit bekannten Herzrhythmusstörungen.

Doch wie schon die Hersteller selbst darauf hinweisen, kann und soll eine EKG App auf der Smartwatch den behandelnden Arzt nicht ersetzen. Vielmehr können damit relevante Daten zu Herzfrequenz und Rhythmus aufgezeichnet werden, die den Arzt bei der Diagnose und weiteren Behandlung unterstützen sollen.

So funktioniert die Blutdruckmessung

Bild von Bruno Glätsch auf Pixabay

Wie schon oben beim EKG möchte ich auch bei der Blutdruckmessung die herkömmliche Messmethode kurz erklären.

Generell geht es bei der Blutdruckmessung um die Ermittlung zweier Werte, nämlich dem systolischen und dem diastolischen Blutdruckwert.

Zu diesem Zweck wird die Messung idealerweise am Oberarm bzw. Ellenbeuge durchgeführt, wo eine Armarterie sehr oberflächlich liegt und daher die besten Messergebnisse erzielt werden. Zu Beginn wird eine aufblasbare Manschette am Oberarm angelegt, die durch zunehmenden Luftdruck die genannte Arterie einengt.

Dann wird die Luft aus der Manschette wieder abgelassen und das Blut beginnt in der Arterie mit einer sogenannten Pulswelle wieder zu fließen. Der zu diesem Zeitpunkt festgestellte Druck ist der systolische Blutdruckwert. Bei diesem Vorgang wird sauerstoffangereichertes Blut vom Herzen in den Körper gepumpt.

Sobald genug Luft aus der Manschette raus ist, und das Blut in der Armschlagader ungehindert fließen kann – zu diesem Zeitpunkt sind mittels Stethoskop auch keine Strömungsgeräusche mehr hörbar – wird der diastolische Blutdruckwert gemessen.

Für die Blutdruckwerte gilt gemäß der Deutschen Hochdruckliga folgende Einteilung:

  • Normaler Blutdruck: 120-129/80-84 mmHg
  • Hochnormaler Blutdruck: 130-139/85-89 mmHg
  • Milder Bluthochdruck: 140-159/90-99 mmHg
  • Mäßiger Bluthochdruck: 160-179/100-109 mmHg
  • Schwerer Bluthochdruck: >180/>110 mmHg

Hier noch ein paar Tipps wie Du richtig den Blutdruck misst.

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Blutdruckmessung an der Smartwatch

Da eine Smartwatch oder ein Fitness Tracker über keine Manschette verfügen, muss daher eine andere Messmethode angewendet werden. Zu diesem Zweck nutzt man die sogenannte Puls-Transit-Zeit.

Die Puls-Transit-Zeit ist der Zeitraum, den eine Pulswelle, ausgelöst durch eine Herzkontraktion bis zum Erreichen periphere Körperteile, z.B. Handgelenk, benötigt.

Notwendig dazu sind EKG-Elektroden und optisch-elektrische Herzfrequenzsensoren, die in der Smartwatch verbaut sind.

Das EKG ermittelt den Beginn der Herzkontraktion, die sogenannte R-Zacke, wodurch die Pulswelle ausgelöst wird. Die optisch-elektrischen Herzfrequenzsensoren messen durch Lichteinstrahlung und Absorbtion die Gefäßweite und Füllungszustand der Gefäße direkt am Handgelenk.

Konkret werden dabei die Gefäße mit grünen LED-Licht bestrahlt. Wird dabei das Licht stark absorbiert, fließt gerade eine große Menge an Blut durch das Gefäß (Pulswelle) und der systolische Blutdruckwert wird ermittelt.

Im Gegensatz dazu bedeutet eine geringe Absorbtion des Lichts, daß nur wenig Blut durch die Arterien fließt und der distolische Blutdruckwert wird gemessen.

Mehr zur Funktionsweise der Herzfrequenzsensoren erfährst Du hier: Wien genau ist die optische Pulsmessung

In der Wissenschaft wird die Puls-Transit-Zeit schon seit Längerem als vielversprechende und interessante Methode zur Blutdruckmessung gehandelt. Wie diese Studie aus dem Jahr 2010 bereits beweist, liefert die Messung mittels Puls-Transit-Zeit selbst über eine Zeitraum von 60 Minuten ähnlich gute Ergebnisse wie herkömmliche klinische Messmethoden.

Wie die Entwicklung eines Prototyps einer Forschergruppe des Tyndall National Institutes des University College Cork in Irland zeigt, war bisher die Herausforderung, alle notwendigen Sensoren, ein geeignetes Datenerfassungssystem und ein fachgerechte Datenauswertung in einem Wearable zu verbauen.

Dies scheint den Forschern genauso gelungen zu sein, wie auch dem Entwicklungsteam von Asus. Wie schon eingangs erwähnt stellte das Unternehmen bei der IFA 2019 mit der Asus Vivowatch BP die erste Smartwatch mit EKG und Blutdruckmessung vor.

Fazit

Die aktuellen Entwicklungen und Modelle zeigen, wohin die Reise in Sachen Wearables geht. Fitness Tracker und Smartwatches werden in Zukunft nicht nur alltägliche und sportliche Aktivitäten aufzeichen und auswerten, sondern dem Nutzer umfassende Informationen zum aktuellen Fitnesslevel und Gesundheitszustand im ganzheitlichen Sinn bereitstellen.

So sollen gerüchteweise verschiedene Hersteller bereits intensiv daran arbeiten, die Blutzuckermessung mittels Smartwatch zu ermöglichen.

Egal wie es weitergeht, steht jetzt bereits fest, daß die Zeiten in denen Fitness Tracker und Smartwatches nur nette, kleine Gadgets waren, endgültig vorbei sind. Moderne Wearables bieten inzwischen eine breite Palette an Funktionen, die im Alltag nützlich sind und den Nutzer dabei unterstützen, die eigene Fitness und Gesundheit zu verbessern und zu fördern.

Titelbild: Luan Luan Rezende auf Pixabay