Slut
„Alienation“
(Cargo Records)
Damals, in den Wechseljahren zwischen altem und neuem Jahrtausend, war die Provinz das Maß der Dinge. Zumindest hier in Deutschland. The Notwist aus Weilheim, Sharon Stoned aus Detmold und eben Slut aus Ingolstadt erwiesen sich nicht nur als begabte Frickler, sondern zeigten, dass englischsprachige Musik hierzulande nach dem gängigen Ausschlussprinzip nicht entweder platt oder verkopft, sondern sehr wohl auch klug und lässig zugleich sein durfte – „Neon Golden“, „Sample And Hold“ und „Lookbook“ waren und sind Zeugnisse beachtlicher und originärer musikalischer Reife, deutsche Musik, die undeutscher nicht klingen konnte, fernab von Teutonenhabitus, Ballermann und vergeistigter Streberei. Damals war alles gut. Heute ist die Musik nicht unbedingt schlechter, allein die Ansprüche haben sich mit den Hörgewohnheiten gewandelt, Verfügbarkeit sticht Qualität, wer sich Zeit nehmen und Mühe geben will, gilt entweder als sonderbarer Zausel und/oder heißt Dirk von Lowtzow.
Slut haben sich, fünf Jahre nach ihrer letzten Platte „StillNo1“, für ein erweitertes Produzententeam entschieden, viele, die ihre bald zwanzigjährige Karriere begleiteten, sind wieder dabei und so ist „Alienation“ ein ebenso angenehm wiedererkennbares und dennoch sehr heutiges Album geworden, ohne gleich schrecklich zeitgemäß zu klingen. Geblieben sind die wehmütigen, auf Moll gestimmten Melodien, die leicht verzerrten Gitarren, die mit gebremstem Schaum den Hintergrund füllen – sie können immer noch sanft und brachial zugleich musizieren, sind Stilisten, wohl auch Perfektionisten geblieben. Beim Sound wurde deutlich zurückgeschnitten und ausgedünnt, all die Verzierungen und Schattierungen kommen so besser zum Tragen und machen Songs wie „Everyone Have A Roadmap“, „Next Big Thing“ oder „Deadlock“ zu Erinnerungsstücken.
Und natürlich kommt es einen immer wieder melancholisch an, wenn Christian Neuburgers trauriger Sehnsuchtsgesang mit dem hadert, was man ihm als Wirklichkeit vorsetzen will: „The young ones getting out of here, the rest stay were they are, and most of them turn petit bourgeois” (Alienation), an anderer Stelle “Became a limited thinker, a delicate social drinker, in an intimate mess, like a homeless linker … how could we ever feel, how could we ever love, how could we ever fight, how could we be alright, when we’re fucked up inside” (All Show). Das wirkt nie plump auf den Reim hin gezimmert, aus diesen Lyrics spricht die für Slut typische Sorgsamkeit, jeden Takt, jedes Lied zu etwas Ganzheitlichem, in sich Geschlossenen zu führen, auf “Alienation” gelingt ihnen das – hohe Kunst – über die komplette Spieldauer.
Selbst die ungewohnteren Töne sind mit Bedacht gewählt – bei “Broke My Backbone” raspelt der technoide Beat, das Stück irrlichtert und zuckt, wie man es aktuell von Thom Yorkes Atoms For Peace kennt (und das ist beileibe kein ehrenrühriger Vergleich). Ähnlich elektrisch, wenn auch nicht ganz so minimal, “Never Say Nothing” und “Nervous Kind”, bei “Remote Controlled” schwingt ein wenig Post-Punk mit und selbst die Sitar im psychedelisch ausgefransten “Silk Road Blues” geht mehr als in Ordnung. Man kann es am Ende des Tages mit Julie Zeh halten, die in ihrer Promo-Hommage meint, Slut haben Zeit ihres Bestehens noch kein einziges Mal “Mist produziert”. Das stimmt und ist dennoch – zumindest für dieses Album – grob untertrieben. “Alienation” ist das, was man einen großen Wurf nennt oder, um bei der ersten Single zu bleiben: The next big thing. http://www.slut-music.de/
„Alienation“
(Cargo Records)
Damals, in den Wechseljahren zwischen altem und neuem Jahrtausend, war die Provinz das Maß der Dinge. Zumindest hier in Deutschland. The Notwist aus Weilheim, Sharon Stoned aus Detmold und eben Slut aus Ingolstadt erwiesen sich nicht nur als begabte Frickler, sondern zeigten, dass englischsprachige Musik hierzulande nach dem gängigen Ausschlussprinzip nicht entweder platt oder verkopft, sondern sehr wohl auch klug und lässig zugleich sein durfte – „Neon Golden“, „Sample And Hold“ und „Lookbook“ waren und sind Zeugnisse beachtlicher und originärer musikalischer Reife, deutsche Musik, die undeutscher nicht klingen konnte, fernab von Teutonenhabitus, Ballermann und vergeistigter Streberei. Damals war alles gut. Heute ist die Musik nicht unbedingt schlechter, allein die Ansprüche haben sich mit den Hörgewohnheiten gewandelt, Verfügbarkeit sticht Qualität, wer sich Zeit nehmen und Mühe geben will, gilt entweder als sonderbarer Zausel und/oder heißt Dirk von Lowtzow.
Slut haben sich, fünf Jahre nach ihrer letzten Platte „StillNo1“, für ein erweitertes Produzententeam entschieden, viele, die ihre bald zwanzigjährige Karriere begleiteten, sind wieder dabei und so ist „Alienation“ ein ebenso angenehm wiedererkennbares und dennoch sehr heutiges Album geworden, ohne gleich schrecklich zeitgemäß zu klingen. Geblieben sind die wehmütigen, auf Moll gestimmten Melodien, die leicht verzerrten Gitarren, die mit gebremstem Schaum den Hintergrund füllen – sie können immer noch sanft und brachial zugleich musizieren, sind Stilisten, wohl auch Perfektionisten geblieben. Beim Sound wurde deutlich zurückgeschnitten und ausgedünnt, all die Verzierungen und Schattierungen kommen so besser zum Tragen und machen Songs wie „Everyone Have A Roadmap“, „Next Big Thing“ oder „Deadlock“ zu Erinnerungsstücken.
Und natürlich kommt es einen immer wieder melancholisch an, wenn Christian Neuburgers trauriger Sehnsuchtsgesang mit dem hadert, was man ihm als Wirklichkeit vorsetzen will: „The young ones getting out of here, the rest stay were they are, and most of them turn petit bourgeois” (Alienation), an anderer Stelle “Became a limited thinker, a delicate social drinker, in an intimate mess, like a homeless linker … how could we ever feel, how could we ever love, how could we ever fight, how could we be alright, when we’re fucked up inside” (All Show). Das wirkt nie plump auf den Reim hin gezimmert, aus diesen Lyrics spricht die für Slut typische Sorgsamkeit, jeden Takt, jedes Lied zu etwas Ganzheitlichem, in sich Geschlossenen zu führen, auf “Alienation” gelingt ihnen das – hohe Kunst – über die komplette Spieldauer.
Selbst die ungewohnteren Töne sind mit Bedacht gewählt – bei “Broke My Backbone” raspelt der technoide Beat, das Stück irrlichtert und zuckt, wie man es aktuell von Thom Yorkes Atoms For Peace kennt (und das ist beileibe kein ehrenrühriger Vergleich). Ähnlich elektrisch, wenn auch nicht ganz so minimal, “Never Say Nothing” und “Nervous Kind”, bei “Remote Controlled” schwingt ein wenig Post-Punk mit und selbst die Sitar im psychedelisch ausgefransten “Silk Road Blues” geht mehr als in Ordnung. Man kann es am Ende des Tages mit Julie Zeh halten, die in ihrer Promo-Hommage meint, Slut haben Zeit ihres Bestehens noch kein einziges Mal “Mist produziert”. Das stimmt und ist dennoch – zumindest für dieses Album – grob untertrieben. “Alienation” ist das, was man einen großen Wurf nennt oder, um bei der ersten Single zu bleiben: The next big thing. http://www.slut-music.de/