Slow Meat – weil weniger mehr ist

Fleisch gilt als wichtigstes Nahrungsmittel für Hunde und seit einigen Jahren ist es Trend, die Hundemahlzeiten mit hohen Fleischanteilen zu gestalten. Als Nachfahre des Wolfes benötige der Hund viel Fleisch in seiner Nahrung, heißt es, 70-80% Fleischanteil sind daher keine Seltenheit. Hinzu kommt der immer häufiger gestellte Anspruch, an Hunde möglichst viel hochwertiges Muskelfleisch zu verfüttern.

Hunde stammen vom Wolf ab, wie man heute eindeutig weiß. Wölfe sind Beutegreifer und ernähren sich hauptsächlich von Beutetieren wie z.B. Rehen, Hirschen, Wildschweinen, aber auch kleineren Tieren wie Hasen, Mäusen, Eichhörnchen, sowie außerdem Beeren, Fallobst und Aas. Daraus schlussfolgert man, eine artgerechte Ernährung für den Hund müsse ähnlich aussehen.

Artgerecht? Für wen?

Der Begriff „artgerecht“ wird heute häufig im Bezug auf die Hundeernährung verwendet. Dagegen wird er aber in anderen Bereichen, die Hunde betreffen, gerne wieder ausgeblendet. Hundeleinen, Hundekörbchen, Maulkörbe, Futternäpfe, Plastikspielzeug, gesteuerte Fortpflanzung, absolute Fremdbestimmung durch den Menschen, absoluter Freiheitsentzug, nicht Jagen dürfen, usw. kann man im Vergleich mit dem Wolf jedoch schlecht als artgerecht bezeichnen.

Gerne ausgeblendet wird auch die Tatsache, dass Nutztiere heute sehr oft ein wenig artgerechtes Leben führen. Das Fleisch von Rindern, Schweinen und Hühnern ist zum Massenprodukt geworden. Viel soll es sein, billig soll es sein. Wie es den Tieren in dieser Massentierhaltung geht, hat lange Zeit niemanden interessiert. Getreide statt Gras fressen, dauerhaft angebunden sein, kein Tageslicht sehen, keine Bewegungsfreiheit haben uvm. ist für diese Tiere alles andere als artgerecht.

Der Wolf wurde hier in unseren Breitengraden etwa in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ausgerottet. Grund für seine Ausrottung war, dass der Wolf für den Mensch einen Nahrungskonkurrenten darstellte. Anders formuliert: weil der Wolf ganz artgerecht den Menschen ihr wertvolles Fleisch wegfraß, musste er verschwinden. Dass wir nun unsere Hunde mit riesigen Fleischbergen ernähren wollen, nachdem wir den Wolf ausgerottet haben, weil er unser Fleisch gefressen hat, erscheint mir da irgendwie nicht sehr logisch.

Fleisch – das Stück Lebenskraft

Die in vielen Kulturen verbreitete große Wertschätzung für Fleisch hat einen simplen Hintergrund: Fleisch war schon immer ein Nahrungsmittel, das nicht leicht zu beschaffen war und das es folglich nicht im Übermaß gab. Anfang des 19. Jahrhunderts standen den Deutschen pro Kopf nicht mal 15kg Fleisch pro Jahr zur Verfügung. Im Monat war das umgelegt etwa 1kg. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass dieses eine Kilogramm dem Hofhund zur Verfügung gestellt wurde, der nach dem heutigen Anspruch das meiste davon verschlungen hätte.

Nach dem Motto „Ganz oder gar nicht“ war es früher außerdem üblich, das ganze Tier zu verwerten. Großartige Reste für den Hund gab es gar nicht. Herz, Lunge, Zunge, Schwanz, Innereien, ja sogar Pansen haben die Menschen selber gegessen.

Ernährungswende

Wir stecken aktuell in einer Ernährungswende. Das World Food Institute sagt dazu:

„Im Rahmen einer großen Transformation in eine postfossile klimaverträgliche Gesellschaft kommt der Land- und Ernährungswirtschaft eine wichtige Rolle zu. Sie wird sich von einem energieintensiven, Ressourcen verschwendenden, Umwelt und Klima belastenden System zu einer ökologisch verträglichen Land- und Ernährungswirtschaft wandeln müssen.“

Die Nose-to-Tail (vom Kopf bis zum Schwanz) Methode erlebt aktuell ein Revival. Immer mehr Menschen sind für „ganz oder gar nicht“ und essen wieder Teile vom Tier, die lange vergessen waren und die zu einem Großteil der Tierfutterindustrie zur Verfügung standen.

Lunge wird wieder „salonfähig“.

Dieser Umstand zusammen mit der Tatsache, dass immer mehr Menschen auf eine artgerechte Nutztierhaltung Wert legen, sorgt dafür, dass der Fleischkonsum sich stark verändert. Der Pro-Kopf-Verbrauch, der seinen Höchststand etwa in den 90er Jahren hatte, ist rückläufig. Dafür steigt der Anteil der Flexitarier (Menschen die nur wenig Fleisch essen), Vegetarier und Veganer.

Viele argumentieren damit, dass in der Futtermittelindustrie eh nur Reste verarbeitet werden und daher extra für Hunde kein Nutztier sein Leben lassen muss. So richtig stimmt das aber wohl nicht. Zum einen haben wir den Trend, immer hochwertigeres Fleisch für die Hunde zu nutzen. Viele wollen nicht, dass ihr Hund „Abfall“ frisst. Die Folge ist, dass immer mehr Futterhersteller damit werben, dass ihr Fleisch für den Hund „Lebensmitteltauglich“ ist. Auf der anderen Seite essen immer mehr Menschen die „Reste“ wieder selber.

Der ökologische Pfotenabdruck

Hier in Deutschland werden durch die etwa 20 Millionen Katzen und Hunde ca. eine Million Tonnen Fleisch konsumiert. U. a. deshalb soll ein großer Hund die Umwelt etwa so belasten wie ein Geländewagen, so die Ökobilanz  von Haustieren. Und das für ein Haustier, das außer Gesellschaft heute meist keinen Nutzen bringt. Manche sehe das kritisch, einige rechnen sogar damit, dass die Entscheidung, wie viel Fleisch an Haustiere „verschwendet“ wird, früher oder später vielleicht nicht mehr der Hundehalter selber, sondern jemand anderes treffen wird.

Slow Meat – weniger ist mehr

Slow Meat steht für eine Bewegung, die sich vor allem auf die menschliche Ernährung bezieht. Gemeint ist damit eine bewusste Nutzung der tierischen Nahrungsmittel. Lieber weniger, dafür hochwertig aus einer artgerechten Nutztierhaltung.

Unter den Menschen, die sich in steigender Tendenz Gedanken um die Nutztierhaltung machen, finden sich natürlich auch Hundehalter. Früher oder später landen sie auch beim Futternapf ihres Hundes und es stellt sich die Frage, wie man dieses Problem lösen kann. Dass es ein Problem ist, zeigt sich spätestens, wenn man sich bemüht, den Hund mit Fleisch von artgerecht gehaltenen Tieren zu versorgen. Im Gegensatz zum Fleisch aus konventioneller Tierhaltung gibt es das nämlich nicht massenweise. Und billig ist es auch nicht.

Manch einer kommt sogar auf die Idee, seinen Hund fleischfrei zu ernähren. Dass auch das durchaus gehen kann, habe ich in meinem Artikel Vegetarische Hundeernährung – geht das? schon erläutert.

Man muss aber für eine beidseitig artgerechte Hundeernährung nicht auf Fleisch verzichten. Es reicht schon, wenn man den tierischen Anteil herabsetzt. Zum einen sinkt dann natürlich die Fleischmenge, die man benötigt, was den Einkauf sehr erleichtert. Zum anderen kann man so die deutlich höheren Preise für „gutes Fleisch“ kompensieren. Sorgen wegen der ausreichenden Versorgung mit Proteinen, den wichtigen Nährstoffen aus Fleisch, muss man sich dabei nicht machen. Der Bedarf an Protein kann schon mit einer Menge von 40-50% tierischem Anteil der Gesamtration gedeckt werden.

Weniger ist mehr – das gilt auch für Hunde. Slow Meat für Hunde kann helfen, viele Entwicklungen positiv zu beeinflussen. Es kann sich auf Nutztierhaltung, Umwelt, hündische Ökobilanz, hündische Gesundheit und sogar die Politik auswirken. Aus der Ernährungswende, die definitiv ansteht, kann mit Slow Meat auch eine Fütterungswende werden.

Zum weiterlesen: Slow Food – fütter doch mal entspannt!

Quellen:
Geo kompakt – Gesunde Ernährung
Fleischatlas Ausgabe 2018


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