„No Cities To Love“
(Sub Pop)
Über die möglichen Beweggründe für die Reunion der so schmerzlich vermissten Sleater-Kinney ist in den letzten Wochen und Monaten viel geschrieben worden, da sich aber Carrie Brownstein, Corin Tucker und Janet Weiss selbst oft und ausführlich zum Thema geäußert haben, dürfte es dazu keine zwei Meinungen geben. Die drei Frauen haben die der Riot-Grrrl-Bewegung zugeschlagene Punkkapelle bekanntlich vor mehr als zwanzig Jahren genau an der Stelle gegründet, an welcher zuvor auch Bikini Kill und Kathleen Hanna ihre Karriere starteten. Und wie Hanna sind auch sie der Meinung, dass ein widerständiges, einigermaßen unangepasstes Leben nicht mit dem Abschied vom Teenager-Status vorbei sein muss, dass also die Geschichte ihrer Band, wie man gern sagt, noch nicht zu Ende erzählt ist. Alle drei haben sich in den letzten Jahren mehr als etabliert: Weiss trommelte für Conor Oberst, Stephen Malkmus, Wild Flag und die Shins, Tucker pendelt als Mutter zweier Kinder zwischen ihrem Job als Webdesignerin und der Passion als Solomusikerin. Carrie Brownstein ist wohl den größten Schritt in Richtung Popkultur gegangen – an der Seite von Fred Armisen hat sie es innerhalb weniger Jahre mit der amerikanischen TV-Serie „Portlandia“ zu einem respektablen Ruf als Comedian gebracht.
Ein weiter Weg und trotzdem immer noch genügend Wut im Bauch, das muss laut Weiss kein Widerspruch sein: „Being adults with lives and families and careers forces us into the moment. We have a lot to say in a short amount of time, and that plays to our intensity” (Pitchfork). Und diese Energie ist gottlob auch auf dem neuen Album zu spüren. Sicher, der Sound ist, nimmt man sich das letzte Werk “Woods” aus dem Jahr 2005 zum Vergleich, eine Spur weniger harsch und roh geworden, kleine, feine Melodien stehlen sich nicht nur kurz vorbei, sondern dürfen auch mal bleiben und im Mittelteil des Titelsongs erliegt man sogar für einen Moment der Sinnestäuschung, Madonna habe eine Gastrolle am Mikro übernommen. Sperrig sind sie trotzdem, die abgehackten, knirschenden Gitarrenriffs bleiben uns ebenso erhalten wie die scheppernden Drums und Tuckers bzw. Brownsteins unnachahmlich zorniges Gebrüll. Und auch wenn Sleater-Kinney nie eine Singles-Band waren/werden, ihre Platten also stets in der Gesamtheit statt durch herausragende Hits überzeugen – Stücke wie “A New Wave” und “No Anthems” sollten sich länger im Ohr festkrallen als üblich.
Das gilt natürlich auch für das fette, grimmige Orgeln der Vorabsingle “Bury Our Friends”, eine Art lyrische Gebrauchsanweisung für den Re-Start der drei: “Exhume our idols, bury our friends, we’re wild and weary, but we won’t give in, we’re sick with worry these nerveless days, we’re live on dread in our own gilded age.” Eine von vielen Passagen, denen man anhört, dass Sleater-Kinney noch immer zu den Unbequemen, den Aufständigen gehören – die Hatz durch einen zunehmend überdrehten Konsumkosmos (“Price Tag”), die wachsende Entfremdung des Großstadtlebens (“No Cities To Love”) oder der Preis, den man als Person des öffentlichen Lebens unweigerlich zahlt (“Fade”), man hat nicht den Eindruck, dass ihre Biografien sie haben selbstgefälliger werden lassen. “I guess as far as young versus old”, so Weiss, “I don’t really feel like I’ve said it all and I’m comfortable, and I’m sort of ready to kick my feet up” (Pitchfork). Insofern ist “No Cities…” eine Sleater-Kinney-Platte geworden, wie sie typischer nicht sein könnte, ein Hinweis, der nicht jedem wiedererstandenen Altstar zur Ehre gereicht, hier aber als größtmögliches aller Komplimente verstanden werden will. http://www.sleater-kinney.com/
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