Sleaford Mods
Support: John Paul, LIINES
Manchester Academy, Manchester, 15. März 2019
Natürlich darf gefragt werden, was einen wohl an einem Wochenende aus dem frühlingshaft warmen München ausgerechnet ins kalte, verregnete Manchester* treibt. Um eine Band zu sehen, deren Frontmann sich pausenlos in wütenden Tiraden über Land und Leute ergeht – Gift und Galle für das britische Establishment und die unfähige Politikerkaste, nichts also für ruhesuchende oder selbstzufriedene Feierabendgemüter. Nun, grundsätzlich sind die oft ungleich mühseligeren Unternehmungen leidenschaflicher Fans (das gilt im Übrigen auch für den Ballsport) mit rationalen Mitteln nicht zu erklären, spielen Dinge wie Entfernungen, Witterungsbedingungen und Kosten in den Erwägungen der Anhänger eher eine untergeordnete, ja vernachlässigbare Rolle. Desweiteren gelten die Sleaford Mods nicht nur im geschundenen Königreich noch immer als die Band der Stunde, eben weil sie sich so unnachgiebig und stur an den Missverhältnissen im eigenen Land abarbeiten und mit bewundernswerter Ausdauer der sozial benachteiligten Unterschicht eine laute, eine zornige Stimme geben. Man will sie nicht missen, muss sie vielmehr hören, um sich die Gründe ihres Unmuts selbst zu vergegenwärtigen, um wachsam und aufgeschlossen zu bleiben.
Und auch wenn sie hierzulande schon oft zu Besuch waren, ist der Reiz, sie quasi in ihrem natürlichen Habitat zu erleben, sehr verlockend, auch wenn es nicht der kleine Club im heimatlichen Nottingham, sondern eine angerostete Industriehalle im Studentenviertel von Manchester ist. Denn das wollte man schon gern sehen und hören: Ist etwas anders an Band und Publikum, wenn sie nicht das Gäste-, sondern das Wohnzimmer bespielen? Die Frage ist mit einem einfachen „nein“ zu beantworten. Okay, es wird, so ist es Brauch, auf britischem Boden deutlich mehr getrunken und auch gesungen, aber im Grunde sind die Unterschiede marginal: Hier die „grau gewordenen Posterboys der Generation X“ (Süddeutsche Zeitung), dort „Männer Ende 40, Bier in der Hand, länger nicht rasiert, ehemalige Ein-bisschen-Punks, vom Leben ermattet, genervt von Politik und Alltag“ (ebenda). Was zunächst befremdlich klingt, entpuppt sich wie überall als sympathisches Gemenge – wiewohl hier ordentlich geschrien und geflucht wird, erweisen sich Andrew Fearn an den Tasten und Jason Williamson (Tanz und Text) zusammen mit ihrem Publikum als bestens eingespielte Gemeinschaft.
Der Laune sehr zuträglich sind aber beileibe nicht nur die alten Stücke, denn das aktuelle Album „Eton Alive“ ist überraschenderweise ein sehr beatlastiges geworden. Neue Tracks wie „Flipside“, „Subtraction“, „Kebab Spider“ oder „O.B.C.T.“ fallen zu den Dauerbrennern wie „Jolly Fucker“ oder „Jobseeker“ in keinster Weise ab. Und auch Williamson läßt nicht das kleinste Zeichen von Routine oder Ermüdung erkennen, still in rage stolziert er über die Bühne, bellt, spuckt, schleudert er seine Verse in die Menge, mal begleitet von bissigem, teuflischem Grinsen, mal von irrem Gebrüll. Es ist das, was einem den meisten Respekt abnötigt: Dass der Mann diese Energie, diesen Furor jeden verdammten Abend in der gleichen Intensität zur Aufführung bringen kann. Und dabei glaubhaft bleibt. Die Zeiten, da sich Leute wie Iggy Pop oder Fad Gadget um der Aufmerksamkeit willen auf der Bühne selbst zerstören mußten, sind gottlob vorbei, Williamson malträtiert einzig seine Stimmbänder und erntet dafür und für seine Beharrlichkeit und Authentizität den verdienten Beifall. Egal, ob in Helsinki, München oder Manchester.
* Manchester ist im Übrigen sehr wohl eine Reise wert, neben dem beeindruckenden Imperial War Museum, Fußballkultur satt und einem sehr lebendigen Nachtleben (Northern Quarter) hat die Stadt natürlich auch selbst gute Musik zu bieten, so zum Beispiel die Post-Punk-Kapelle LIINES, deren tolles Album "Stop-Start" im vergangenen Jahr erschienen ist. Und in Sachen Wetter tröstet vielleicht der running gag eingefleischter Mancunians: "In Manchester it only rains twice a week, from Monday to Friday and from Saturday to Sunday" - na denn, good watch!
Support: John Paul, LIINES
Manchester Academy, Manchester, 15. März 2019
Natürlich darf gefragt werden, was einen wohl an einem Wochenende aus dem frühlingshaft warmen München ausgerechnet ins kalte, verregnete Manchester* treibt. Um eine Band zu sehen, deren Frontmann sich pausenlos in wütenden Tiraden über Land und Leute ergeht – Gift und Galle für das britische Establishment und die unfähige Politikerkaste, nichts also für ruhesuchende oder selbstzufriedene Feierabendgemüter. Nun, grundsätzlich sind die oft ungleich mühseligeren Unternehmungen leidenschaflicher Fans (das gilt im Übrigen auch für den Ballsport) mit rationalen Mitteln nicht zu erklären, spielen Dinge wie Entfernungen, Witterungsbedingungen und Kosten in den Erwägungen der Anhänger eher eine untergeordnete, ja vernachlässigbare Rolle. Desweiteren gelten die Sleaford Mods nicht nur im geschundenen Königreich noch immer als die Band der Stunde, eben weil sie sich so unnachgiebig und stur an den Missverhältnissen im eigenen Land abarbeiten und mit bewundernswerter Ausdauer der sozial benachteiligten Unterschicht eine laute, eine zornige Stimme geben. Man will sie nicht missen, muss sie vielmehr hören, um sich die Gründe ihres Unmuts selbst zu vergegenwärtigen, um wachsam und aufgeschlossen zu bleiben.
Und auch wenn sie hierzulande schon oft zu Besuch waren, ist der Reiz, sie quasi in ihrem natürlichen Habitat zu erleben, sehr verlockend, auch wenn es nicht der kleine Club im heimatlichen Nottingham, sondern eine angerostete Industriehalle im Studentenviertel von Manchester ist. Denn das wollte man schon gern sehen und hören: Ist etwas anders an Band und Publikum, wenn sie nicht das Gäste-, sondern das Wohnzimmer bespielen? Die Frage ist mit einem einfachen „nein“ zu beantworten. Okay, es wird, so ist es Brauch, auf britischem Boden deutlich mehr getrunken und auch gesungen, aber im Grunde sind die Unterschiede marginal: Hier die „grau gewordenen Posterboys der Generation X“ (Süddeutsche Zeitung), dort „Männer Ende 40, Bier in der Hand, länger nicht rasiert, ehemalige Ein-bisschen-Punks, vom Leben ermattet, genervt von Politik und Alltag“ (ebenda). Was zunächst befremdlich klingt, entpuppt sich wie überall als sympathisches Gemenge – wiewohl hier ordentlich geschrien und geflucht wird, erweisen sich Andrew Fearn an den Tasten und Jason Williamson (Tanz und Text) zusammen mit ihrem Publikum als bestens eingespielte Gemeinschaft.
Der Laune sehr zuträglich sind aber beileibe nicht nur die alten Stücke, denn das aktuelle Album „Eton Alive“ ist überraschenderweise ein sehr beatlastiges geworden. Neue Tracks wie „Flipside“, „Subtraction“, „Kebab Spider“ oder „O.B.C.T.“ fallen zu den Dauerbrennern wie „Jolly Fucker“ oder „Jobseeker“ in keinster Weise ab. Und auch Williamson läßt nicht das kleinste Zeichen von Routine oder Ermüdung erkennen, still in rage stolziert er über die Bühne, bellt, spuckt, schleudert er seine Verse in die Menge, mal begleitet von bissigem, teuflischem Grinsen, mal von irrem Gebrüll. Es ist das, was einem den meisten Respekt abnötigt: Dass der Mann diese Energie, diesen Furor jeden verdammten Abend in der gleichen Intensität zur Aufführung bringen kann. Und dabei glaubhaft bleibt. Die Zeiten, da sich Leute wie Iggy Pop oder Fad Gadget um der Aufmerksamkeit willen auf der Bühne selbst zerstören mußten, sind gottlob vorbei, Williamson malträtiert einzig seine Stimmbänder und erntet dafür und für seine Beharrlichkeit und Authentizität den verdienten Beifall. Egal, ob in Helsinki, München oder Manchester.
* Manchester ist im Übrigen sehr wohl eine Reise wert, neben dem beeindruckenden Imperial War Museum, Fußballkultur satt und einem sehr lebendigen Nachtleben (Northern Quarter) hat die Stadt natürlich auch selbst gute Musik zu bieten, so zum Beispiel die Post-Punk-Kapelle LIINES, deren tolles Album "Stop-Start" im vergangenen Jahr erschienen ist. Und in Sachen Wetter tröstet vielleicht der running gag eingefleischter Mancunians: "In Manchester it only rains twice a week, from Monday to Friday and from Saturday to Sunday" - na denn, good watch!