Sleaford Mods: The Good, The Bad and The Angry

Sleaford Mods: The Good, The Bad and The AngrySleaford Mods
„Key Markets“
(Harbinger Sound)
Es gibt da diesen zeitlos schönen Plattentitel der amerikanischen Indiekapelle Modest Mouse, für den das Überlebensmotto der Klatschjournaille wunderbar umgewidmet wurde: „Goof News For People Who Love Bad News“. Jetzt möchte man Jason Williamson und Andrew Fearn ja nicht zu nahe treten, aber solange es schlechte Neuigkeiten gibt – und daran herrscht auch im royal verwalteten Inselstaat kein Mangel – solange sollte auch den Sleaford Mods das Text- und Themenmaterial nicht ausgehen und ergo auch ihre Musik nicht schlechter werden. Und auch wenn die letzte  Schleife eine gewagte ist, hier trifft sie zu, denn „Key Markets“ klingt ebenso frisch, bissig und rough wie der grandiose Vorgänger „Divide And Exit“. Das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit, denn auch die Wut verbraucht sich über längere Zeit – Williamson weiß das. Kürzlich antwortete er dem Guardian auf die Frage, ob es sein erklärtes Ziel sei, als die Stimme der „Working-Class“ in seiner Heimat wahrgenommen zu werden: „Fuck no, that was never the agenda, it’s something that’s been latched on to by the music press. In a way, it’s fine, because it’s important that someone is saying these things right now, but it can easily slip in to cliche.”
Wer den Mann je auf der Bühne gesehen hat, schiebt den Gedanken an übertrieben kalkulierte Schauspielerei ganz schnell beiseite (“There has been a steady escalation of the moves and the twatting about ever since we started gigging a lot. Right now, I’d say it’s about 60% me and 40% performance.”), der Zorn krümmt Williamsons Körper, er bellt, spuckt und zuckt in einem fort – man wollte gar nicht wissen, wie es dem Kerl ohne dieses Überdruckventil wohl ergehen würde. Bad News also, noch immer genügend Cunts, Wankers, Twats und Fucker unterwegs, die Geschicke des Landes so kläglich zu lenken oder, auf der anderen Seite, die traurigen Lebensumstände hilflos zu ertragen oder die eigene Armseligkeit mit trendigem Tand bestmöglich zu kaschieren. Sozialromantik ist ihnen so fremd wie nur irgendwas, die unangenehme Wahrheit liegt für Williamson dazwischen: “The thing is, there really is no future for a lot of people out there, so some of them, they fuck it up by getting into drugs or crime, but most people manage to keep it together. They work shit jobs all their life and take the piss out of each other to get by. That’s their lives. That’s their reality. And it’s that experience I want to articulate and that humour I hold close to myself. Besides, who else is writing and singing about that?”
Die zwölf aktuellen Stücke sind so karg und schnörkellos wie zuvor, Fearns harte Maschinenbeats lenken nicht ab, sondern bestimmen durch ihre kantige Monotonie einen weiteren wichtigen Charakterzug, ähnlich wie bei Suicide bleibt so alles fokussiert und klar. Die Rolle des Bass ist auch weiterhin eine bedeutende, ob schwerfällig und träge wie bei „Tarantula Deadly Cargo“ oder fiebrig schnell („Giddy on the ciggies“), er treibt den Sound, läßt ihn derbe und leicht gereizt klingen. Wobei sich die Mods durchaus Überraschendes leisten: Für „Silly Me“ setzt Williamson tatsächlich zu so etwas wie Gesang an, hin und wieder blitzt mal eine hübsche Melodie durchs grobe Geflecht und „In Quiet Streets“ kann sogar mit Funk und Jazz im weitesten Sinne aufwarten (was aber auch nicht weiter wundert, wenn man sich Fearns solistischen Output unter dem Label extnddntwrk anhört). Ein jeder bekommt sein Fett weg, Weller und die Gallaghers wurden schon bedient, nun sind Blur an der Reihe: “Ignored by the well-spoken, a few scraps, a few broken promises on telly. Idiots visit submerged villages in two hundred pound wellies, spitting out fine cheese by that tool from Blur, even the drummer’s a fucking MP. Fuck off you cunt, sir…” ("Rupert Trousers"). Die Mods bleiben sich treu – man wird sie dafür hassen oder lieben. Leichte Entscheidung. http://www.sleafordmods.com/
05.11.  Berlin, Astra Kulturhaus

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