Slack ist nicht alles

Slack sei das ultimative Tool für Kaizen – soll Arne Rook in einem Vortrag bei Immobilienscout24 in Berlin gesagt haben. Davon berichtet Stefan Haas in seinem Blog-Artikel “Slack is a Culture Shock”.

Dass Slack - also Spielraum, Freiraum, Autonomität - ein sehr wichtiger Aspekt jeder Arbeit ist, finde ich auch. Voll ausgelastete und allemal überlastete Systeme haben schlicht keine Puffer. Wenn es anders kommt als geplant, knirscht es sofort oder explodiert gar. Und ohne Slack gehen Motivation und Innovation zurück. Wer könnte auf die aber verzichten?

imageSlack ist nicht allesSlack ist nicht alles

Als Lektüre zum Thema empfehle ich Spielräume von Tom DeMarco, Drive von Dank Pink und Why Work Sucks and How to Fix It von Ressler und Thompson.

So weit bin ich also ganz dabei. Slack ist wichtig, ja, unverzichtbar. Ohne Slack keine Selbstorganisation. Ohne Slack keine kreative kontinuierliche Verbesserung.

Aber Slack ist nicht alles.

In einem traditionellen Unternehmen über Slack zu sprechen, mag wie Ketzerei klingen: “Menschen sollen mit (mehr) Freiraum besser arbeiten? Nein, nein, das kann nicht sein.” Solcher Widerstand löst dann schnell den Missionarsreflex aus: “Ich bringe euch das Heil mit Slack; wenn ihr das nicht einsehen wollt, dann erst recht.”

Leider geht dabei zweierlei unter:

  • Menschen müssen es durchaus lernen, mit Freiräumen umzugehen.
  • Menschen brauchen ein Ziel.

Slack zunächst einmal zulassen, d.h. Spielraum vor allem in Bezug auf Zeit geben, aber auch beim Geld, bei Entscheidungen, bei der Arbeitsplatzausgestaltung oder –ortswahl, bei der Fortbildung usw. ist nur ein erster Schritt. Im zweiten muss dieser Spielraum auch genutzt werden. Da sehe ich aber immer wieder Zögern oder gar Unfähigkeit.

Zug zum Spielraum

In vielen Unternehmen klagen die Mitarbeiter über einen Mangel an Spielräumen. Das soll natürlich verbessert werden. Aber ich kenne auch eine ganze Reihe von Unternehmen, in denen es Spielräume gibt – die ungenutzt bleiben. Da wird Zeit gewährt für “Forschung” – nur nimmt sie sich niemand. Da steht Geld für Fachliteratur bereit – nur nutzt das niemand, um Bücher oder Zeitschriften Abos zu kaufen. Da wird sogar Fortbildung angeboten, womöglich um weitere offizielle Qualifikationen zu erlangen – aber keiner macht sich auf den Weg.

Paradiesische Zustände führen also nicht automatisch zu Entfaltung und Aufblühen. Warum? Weil Menschen es aus unterschiedlichen Gründen eben lernen müssen, sie zu nutzen. Was das für Gründe sein mögen, darüber will ich hier nicht spekulieren. Und ich will auch nicht in Zweifel ziehen, dass die Spielraumangebote ehrlich gemeint sind. Was nun? Ist doch schade um den schönen Slack, der da ungenutzt bleibt.

Mein Vorschlag: Die Nutzung von Slack sollte immer wieder nachgefragt werden. Man muss an den Menschen ziehen. Pull ist also nicht nur für die Softwareentwicklung ein wichtiges Prinzip. Auch die Mitarbeiterentwicklung braucht es. Immer wieder muss der Slack-Geber klar machen, dass er wünscht, dass der Spielraum genutzt wird.

Fragen wie “Warum hast du den Slack nicht genutzt?” sind da allerdings weniger hilfreich als “Was hast du in deinem Slack gemacht?” Erstere sind nämlich wieder mehr oder weniger subtil drohend/kontrollierend, Letztere hingegen interessiert und in sich wiederum freistellend.

Slack-Nutzung vorleben und Slack-Nutzung interessiert nachfragen, das scheint mir sehr wichtig, um Menschen anzuleiten, mit Freiräumen umzugehen.

  • Was hast du zuletzt “erforscht” in der Zeit, die dir das Unternehmen dafür bietet?
  • An welchem Fach-/Sachbuch liest du gerade, das du dir von dem Literaturbudget des Unternehmens gekauft hast?
  • Was hast du auf der letzten Fortbildung gelernt, die die das Unternehmen ermöglicht hat?
  • Wie hast du deinen Entscheidungsspielraum genutzt, den dir das Unternehmen bietet?

Das Medium, um Zug in dieser Weise auszuüben, ist für mich “die Runde”, also ein ungezwungenes, allerdings fokussiertes Treffen. Zeit für solche Runden ist im Wochenkalender für alle vorzusehen. Das ist Führungsaufgabe. Und da wird dann nachgefragt, ausgetauscht und Slack gelebt.

Zugziel

Zu glauben, dass durch Slack einfach alles besser würde, weil Menschen dann von selbst aufblühen, finde ich naiv. Ich habe ein optimistisches Menschenbild, doch dass “einfach so” nur durch Freiraum alles gut würde, glaube ich nicht. Er ist wichtig, nur eben nicht allein seligmachend.

Vor allem nützt er nichts, solange unklar ist, wofür er gut sein soll. Was tun mit dem ganzen Slack? Wohin die Energie, die dadurch frei wird, richten? Wohin blicken?

Ohne ein klares Ziel geht es nicht. Wer mag, kann auch Vision oder Mission dazu sagen. Oder auch Zweck. Stefan Haas hat das nur nebenbei angesprochen: “In an environment, where the purpose is clear…”, da werde Slack zur Wunderwaffe.

Leider treffe ich so selten auf Teams, Abteilungen, Unternehmen, die ein wirklich klares Ziel haben. Und ich meine 1 Ziel, 1 Mission, 1 Zweck. Wirklich nur 1. Für alle. Und auch noch sonnenklar.

Der Mangel an klarem Ziel scheint mir sogar noch ein größeres Problem zu sein als der Mangel an Slack. Ich sehe sogar die Gefahr, dass Slack als ein weiteres Mittel gesehen werden könnte, die Unklarheit oder Ambivalenz in Bezug auf ein Ziel zu kaschieren. Doch das kann nur nach hinten losgehen – und würde den Slack als Schuldigen anprangern.

Slack ist auch nur ein Mittel, um das 1 Ziel besser zu erreichen. Genauso wie Selbstorganisation oder Scrum oder ein Team Room oder Collective Code Ownership oder was sonst noch in der Softwareentwicklung.

Aber zu welchem Zweck soll dieses Mittel eingesetzt werden? Solange darüber unterschiedliche Meinungen herrschen, ist nicht zu erwarten, dass das Mittel sein Potenzial entfaltet. Dasselbe gilt für Kaizen. Wohin soll denn eine Organisation sich verbessern? Verbesserung ist kein Selbstzweck. Sie muss dem Organisationszweck dienen. Doch welcher ist das?

Ganz, ganz weit oben auf der Prioritätenliste steht für mich deshalb immer wieder die Zweckdefinition. Wofür gibt es das Unternehmen, die Abteiltung, das Team, das Projekt? Ohne glasklaren Zweck entsteht keine Kohärenz in dem, was die vielen Menschen in einer Organisation tun.

Und weil dabei Menschen eine Rolle spielen, kann diese Frage nicht beantwortet werden ohne zu klären, was diese Menschen eigentlich für sich selbst wollen. Der Zweck einer Organisation muss mithin immer im Einklang mit den Bedürfnissen der sie konstituierenden Menschen stehen.

Das, so scheint mir, ist noch ein größerer Kulturschock für viele Manager. Sich klar werden darüber, was man selbst will und was die Organisation will? Und dann auch das in Einklang bringen mit dem, was die Mitarbeiter wollen?

Ja, ich glaube, ohne geht es nicht mehr. Zumindest, wenn man ernsthaft besser werden will. Und wenn man ernsthaft CSR betreiben will. Die beginnt nämlich wie vieles andere auch bei sich selbst, bei den Mitarbeitern des eigenen Unternehmens.

Wenn ich es in einem Satz sagen sollte, dann vielleicht so: Purpose first, slack second.


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