Interview: Wie wir Tier und Wald schützen.
Die Natur ist die Grundlage für den Bergsport. Sportökologe Heinrich Dungler spricht im Berghasen-Interview darüber, wie wir sie schützen und wie sie unser Sporttreiben noch mehr bereichern kann.
Die Masse an Bergsportlern wächst. Wald und Berge sind Erholungsgebiet, Trainingsgelände und Orte, an denen wir Nervenkitzel finden. Hat die Natur noch genügend Platz?
Man vergisst immer wieder, dass uns die Berge faszinierende Möglichkeiten bieten, um die Natur zu erleben. Diese einzigartigen Erfahrungen können ein wertvoller Teil unserer Persönlichkeitsentwicklung sein und unser Umweltbewusstsein fördern. Wenn wir es richtig machen, haben beide Platz: Mensch und Natur.
Wie lange und womit genau beschäftigen Sie sich als Sportökologe?
Die Sportökologie ist Teil der Sportwissenschaften. Sie beschäftigt sich auf einer ökologischen Basis mit den Wechselbeziehungen von Sport, Natur und Umwelt. Sportspezifische Einflüsse können ein erheblicher Störfaktor dieser Beziehung sein. Am Institut für Sportwissenschaften in Salzburg versucht man basierend auf Erkenntnissen zur Umweltrelevanz von Sportarten pädagogische Aspekte anzudenken, die eine harmonische Entwicklung der Beziehung von Sport, Natur und Umwelt fördern.
Sportökologe Heinrich Dungler ist selbst leidenschaftlicher Bergsportler.Gibt es stark auffällige Veränderungen, die sie während Ihrer Tätigkeit bei den Sportlern und ihrem Umgang mit der Natur beobachten konnten?
Ich gehe seit etwa 1980 Skitouren. Ich spreche von Skitouren in der Bergwelt abseits der Pisten. Seit damals hat sich sehr viel verändert.
Sind die Menschen in den letzten Jahren rücksichtsloser im Umgang mit der Natur geworden?
Nein, ganz im Gegenteil. Der Wille zu einem naturschonenden Umgang beim Skitourengehen ist meinen persönlichen Beobachtungen nach stärker geworden. Das gilt vor allem für Menschen, die sich zum Skitourengehen auch weiterbilden und an der Natur interessiert sind.
Wie reagieren Tiere auf Bergsportler und welche Probleme ergeben sich daraus?
Tiere reagieren sehr unterschiedlich. Die Spannbreite von Reaktionen geht von großflächigem Meiden von häufig begangenen Routen, bis hin zur Gewöhnung an Tourengeher. Gewöhnung kommt vor allem dort vor, wo nicht intensiv gejagt wird. In intensiv genutzten Jagdgebieten können Tiere wahrscheinlich nicht unterscheiden, ob es sich um einen Skitourengeher handelt, der nicht schießt oder um einen Jäger. Ich habe es oft erlebt, dass in Schutzgebieten, in denen es keine Jagd gibt, Wildtiere viel weniger scheu sind. Dort kann man sie oft sehr gut beobachten.
In Österreichs Bergwäldern gibt es aus jagdwirtschaftlichen Gründen teilweise sehr hohe Dichten von Hirsch, Reh und Gams. Wo diese noch gefüttert werden, sollte man den Fütterungsbereich unbedingt meiden. Wenn das Wild durch Skitourengeher von den Futterstellen vertrieben wird, äst es einfach im Wald weiter und kann große Schäden an Bäumen verursachen.Die Natur ist die Grundlage für unseren Sport. Was kann jeder von uns tun, um sie und ihre Bewohner zu schützen?
Man schützt nur was man kennt und vielleicht auch liebt. Ein wichtiger Ansatz ist es, in die Berge zu gehen, zu lernen und richtiges Verhalten basierend auf Wissen und Erfahrung anzuwenden. In der Ausbildung angehender Sportwissenschaftler und Bewegungserzieher an der Universität Salzburg ist es die Sportökologie, die dafür einen Beitrag leistet. Aber auch die alpinen Vereine der Alpenregion haben viele Angebote zur Aus- und Weiterbildung.
Skitourengehen ist nicht nur unsere Leidenschaft. Viele Wintersportler lieben das Aufsteigen und Abfahren im alpinen Gelände. Nicht ganz ohne Auswirkungen auf die Natur, oder? Welche konnten Sie als Sportökologe beobachten?
Ein gewichtiger Faktor ist für mich das Problem der An- und Abreise zu und von den Touren. Tourengeher fahren oft alleine mit dem Auto zu eintägigen Unternehmungen. Dabei wären eine öffentliche Anreise oder wenigstens Fahrgemeinschaften oder mehrtägige Aufenthalte in Tourengebieten viel umweltschonender und oft auch erlebnisreicher.
Einen weiteren gewichtigen Faktor stellt für mich das richtige Verhalten gegenüber Wildtieren dar. Das beginnt beim Wissen über die Tiere, geht bis zur Tourenplanung und Routenwahl. Wildtiere aus sicherer Entfernung zu beobachten kann eine Tour sehr bereichern. Dafür gehe ich gerne einen Umweg und halte Abstand zu den Tiern. Wer freut sich nicht, wenn er auf einer Skitour Gemsen beim äsen, ein Kolkrabenpaar bei seinen spektakulären Balzflügen oder sogar einen Adler beobachten kann. Spätestens dann sollte die Aufstiegszeit in den Hintergrund treten.
Ein sehr spannendes Phänomen ist die Rückkehr der großen Beutegreifer wie Wolf, Bär und Luchs. Interessierte, gut belesene Skitourengeher sind wichtige Meinungsbildner für ein erfolgreiches Miteinander.
Ein sehr spannendes Phänomen ist die Rückkehr der großen Beutegreifer wie Wolf, Bär und Luchs. Interessierte, gut belesene Schitourengeher sind wichtige Meinungsbildner für ein erfolgreiches Miteinander.Der Winter stellt Tiere vor großen Herausforderungen. Warum reagieren Tiere in der kalten Jahreszeit besonders sensibel auf Störungen?
Stimmt, die kalte Jahreszeit stellt die Wildtiere vor große Herausforderungen. Die Bedingungen, die auf sie einwirken sind vor allem für Skitourengeher sehr gut nachvollziehbar. Sie erleben diese ja hautnah bei ihren Bergerlebnissen. Die Anpassung an die Extrembedingungen ist sehr unterschiedlich und fordert den Tieren nicht nur körperlich viel ab. Es ist faszinierend einige Strategien von Wildtieren zu studieren und vielleicht auch zu erleben.
Welche Tiere in den Alpen sind davon am stärksten betroffen?
Besondere Indikatoren im Gebirge sind für mich die Rauhfußhühner. Dazu gehören Schnee-, Birk- und Auerhühner. Sie sind vielerorts vom Aussterben bedroht und streng geschützt.
Aber es sind nicht nur die Tiere selbst, die betroffen sind. In Österreichs Bergwäldern gibt es aus jagdwirtschaftlichen Gründen teilweise sehr hohe Dichten von Hirsch, Reh und Gams. Wo diese noch gefüttert werden, sollte man den Fütterungsbereich unbedingt meiden. Wenn das Wild durch Skitourengeher von den Futterstellen vertrieben wird, äst es einfach im Wald weiter und kann große Schäden an Bäumen verursachen.
Spuren im Schnee erzählen aufmerksamen Skitourengehern über wildes Leben im Hochgebirge.Welche konkreten Initiativen und Regelungen gibt es, um die Natur vor dem Einfluss von Skisportlern zu schützen?
Die Alpinen Vereine im Alpenraum haben eine Vielzahl von Initiativen und Regeln, die auch immer wieder überarbeitet werden und sich weiterentwickeln. Am besten man informiert sich einfach mal beim Alpenverein.
Können sie ein Anliegen nennen, das Ihnen persönlich besonders am Herzen liegt und das man als Skitourengeher beachten sollte?
Skitourengehen für persönliche Naturerfahrungen nutzen. Sensibel sein für das Schöne, Werte wilder Natur erkennen, sich weiterbilden und sein Verhalten immer wieder reflektieren. So kann Skitourengehen das Umweltbewusstsein fördern und damit einen wertvollen Beitrag zum Naturschutz leisten.
Univ. Lekt. Prof. Dr. Heinrich Dungler ist Lehrbeauftragter für Sportökologie am IFFB Sport- und Bewegungswissenschaft der Universität Salzburg sowie Professor für Bewegung und Sport an der HBLVA 17 in Wien. Wissenschaftliche Schwerpunkte sind die Beziehung von Sport, Natur und Umwelt sowie didaktische Aspekte der Naturvermittlung im Sport. Viele Jahre arbeitet er hauptberuflich als staatlich geprüfter Berg- und Schiführer. In dieser Zeit ist er auch Ausbildungsreferent für Alpine Ökologie und Naturvermittlung im Verband der Österreichischen Berg- und Schiführer. Daneben praktiziert er in mehreren Natur- und Nationalparks. Seit 2012 ist Dungler ehrenamtlicher Naturschutzreferent im Alpenverein, seit 2014 Landes Naturschutzreferent von Wien. Als Wildbiologe engagiert er sich für den Schutz wildlebender Wölfe und gefährdeter Vogelarten.