Die Rumplerrunde auf den Dachstein darf sich zurecht eine der schönsten Skitouren Österreichs nennen. Den Bergsportler erwartet viel schöne Landschaft und noch mehr Abfahrt.
30 Kilometer Skitour, 3.000 Höhenmeter Abfahrt und der höchste Berg Oberösterreichs und der Steiermark auf einen Streich. Das bekommt man, wenn man sich über die Rumplerrunde auf den Hohen Dachstein aufmacht. Der Anstieg mit Seilbahnunterstützung nimmt dir einen beträchtlichen Teil der Höhenmeter ab. Was bleibt, ist viel Zeit zum Staunen und eine scheinbar unendlich lange Abfahrt nach Gosau, Hallstatt oder Obertraun.
Vom Krippenstein über das Dachstein-Plateau
Die Rumplerrunde beginnt mit einer Bergfahrt auf den Krippenstein. Skitourengeher können sich an der Talstation in Obertraun die Rumplerkarte besorgen. Damit gondelt man zunächst mit der Seilbahn auf den knapp 2.000 Meter hohen Krippenstein. Im Ticket inkludiert ist außerdem eine Fahrt mit dem Sessellift und dem Schlepplift am Dachsteingletscher – die den Anstieg entlang der Piste zur Dachsteinwarte etwas abkürzt.
Die Skitour beginnt für uns nicht gleich mit dem Aufstieg, sondern mit einer Abfahrt entlang der Piste zur Gjaidalm. Es ist frisch zur frühen Stunde und wir hüllen uns in Daunenjacken, um vor dem Aufstieg nicht wieder auszukühlen.
Dreihundert Höhenmeter tiefer streifen wir die Felle auf unsere Tourenskier und verlassen die präparierte Piste. Gestern hat sich Neuschnee über die Landschaft gelegt und in der klirrend kalten Nacht sind die Schneekristalle an der Oberfläche angewachsen. Heute reflektieren sie die Morgensonne wie tausende kleine Taschenspiegel.
Fernwandern am Dachstein
Vor uns breitet sich jetzt das Hochplateau des Dachstein-Stocks aus. 15 Kilometer werden wir bis zum Gipfel zurücklegen und dabei den Gjaidstein umrunden, auf dessen mächtige Wände wir jetzt zuhalten. Weil die Tour viel begangen ist, ist sie meistens gespurt und die Navigation relativ einfach. Nur heute nicht.
Wir und zwei kleinere Gruppen sind die ersten, die sich seit einiger Zeit vom Krippenstein zum Dachstein aufmachen. Die Männer übernehmen die Spurarbeit – wir folgen. Hohe Schneestangen markieren die Route und erleichtern so die Wegfindung hinüber zum Dachstein-Gletscher. Zu weit sollte man sich nicht von den Markierungen entfernen. Das Karstplateau ist durchzogen von Dolinen und tiefen Löchern.
Wir passieren bald den Niederen Rumpler (1.979 m) und gehen durch welliges Gelände westlich am Hohen Rumpler (2.022 m) und am Moderstein (2.197 m) entlang. Die Karstfläche mit ihren vielen Buckeln und Tälern zwingt uns, die hart erkämpften Höhenmeter immer wieder auf Fellen abzufahren. Rutschen und Aufsteigen in ständigem Wechsel. Der Wellengang im Hochgebirge. Nach einer Stunde zeigt meine Uhr erst zweihundert positive Höhenmeter an. Das Gelände ist flach. Sehr flach. Und es wird noch eine geraume Zeit dauern, bis wir den steilen Gipfelaufschwung des Dachsteins erreichen werden.
Eintönig wird die Überquerung aber keinesfalls. Stehenbleiben und staunen müssen wir heute also öfter. Grell sticht die Sonne vom Himmel. Hier am Plateau sind wir ihr schutzlos ausgeliefert. Kein Baumwipfel, kein Berggipfel spendet Schatten. Die Luft ist kalt und klar. Der perfekte Tag für die Rumplerrunde.
Der Krippenstein hinter uns wird immer kleiner. Dafür wachsen die Felswände des Gjaidsteins mit jedem Schritt scheinbar höher an. Die Route führt entlang des Fußes des Vorderen, Niederen, Hohen und Kleinen Gjaidsteins. Wobei der Kleine Gjaidstein dem Dachstein am nächsten, und der Niedere Gjaidstein dem Dachstein am fernsten liegt. Das wusste dann nicht einmal unser Begleiter und Bergführer Hans Gapp so genau. Hans leitet die Adamekhütte auf der Gosauer Seite des Dachsteins und kennt den Gebirgsstock besser als seine Westentasche. Eintausend Mal war er sicher schon am Stoa erzählt er uns beiläufig.
Hans erklärt uns, dass er als Variante der Tour gerne die Überschreitung aller Gjaidstein-Gipfel wählt. Dort sei man mit Sicherheit alleine und würde erst an der Dachsteinwarte wieder zum Mainstream gelangen. Gespeichert und auf die To-Do-Liste gesetzt.
Wir bleiben auf der originalen Rumplerroute und erreichen wenig später die Talstation der Mitterstein-Seilbahn am Dachsteingletscher. Zweieinhalb Stunden sind wir bereits unterwegs und haben knapp neuen Kilometer zurückgelegt. Die Rumplerkarte, die wir uns an der Talstation Krippenstein gekauft haben, gilt auch für den Sessellift und den Schlepplift am Dachsteingletscher. Wir nehmen den Lift und sparen uns so die 200 Höhenmeter Aufstieg entlang der Piste.
Über den Randkluftsteig auf den Hohen Dachstein
Die klassische Rumplerrunde würde man mit der Abfahrt über die Simonyhütte, die Gjaidalm und die Talabfahrt des Krippensteins zurück nach Obertraun fortsetzen. So knapp vor dem Dachstein-Gipfel wollen wir uns noch nicht der Abfahrt zuwenden.
Wir hatten mit Hans die Tage zuvor geplant, den Dachstein über den Randkluftsteig und den Westgrat zu überschreiten und über den Gletscher nach Gosau abzufahren. Nach den starken Schneefällen in den letzten Tagen befürchtet Hans, dass der Westgrat zu stark eingeweht ist und beschließt aus Sicherheitsgründen, die Dachstein-Überschreitung sein zu lassen. Plan B: Aufstieg zum Gipfel über den Randkluftsteig, denselben Weg zurück und Abfahrt über die Simonyhütt und das Wiesberghaus nach Hallstatt.
Der Randkluftsteig wurde bereits 1843 errichtet. Er gilt somit als der älteste Klettersteig der Welt. Obwohl er nur mit der Schwierigkeit B gekennzeichnet ist, sollte man den Steig besonders im Winter nicht unterschätzen. Das Sicherungsseil ist in schneereichen Wintern fast immer eingeschneit und kann nicht durchgehend zur Sicherung verwendet werden. Wir ziehen Steigeisen an, nehmen den Pickel in die Hand und sichern mit kurzem Seil über die kniffligen Stellen. Okay, Hans sichert – wir können uns ganz aufs Klettern konzentrieren. Und darauf, nicht über das Seil zu stolpern. Schnee und Fels wechseln einander ab und machen die Kletterei sogar ein wenig anspruchsvoll.
Die Steigeisen knarren am Fels, die Pickel versinken im weichen Neuschnee und unsere Finger sind bald taub vor Kälte. Was nicht einfriert ist unser Lächeln. Höchstens beim obligatorischen Gipfelfoto mit dem markanten Kreuz, das im Winterkleid den höchsten Punkt von Oberösterreich und der Steiermark ziert.
Entlang der Südwand schiebt sich Nebel empor und verwehrt uns den Blick ins Ennstal. Glücklicherweise muss man den Blick hier nur ein wenig zur Seite wenden, um weitere Schönheiten zu entdecken: den geliebte Gosaukamm, das Tennengebirge oder das Salzkammergut etwa.
Abfahrt: Vom Dachstein nach Hallstatt
Weil aus unserer Dachstein-Überschreitung heute nichts wird, klettern wir den Randkluftsteig bis zum Skidepot ab. Wir schnallen die Skier an und machen uns bereit für die Abfahrt nach Hallstatt. 2.500 Höhenmeter und 15 Kilometer Pulverabfahrt liegen vor uns. Wir wedeln über den Hallstätter Gletscher hinab zum Eissee, fellen nochmals auf und steigen zur Simonyhütte an. Von dort aus geht es stetig bergab. Zuerst Richtung Wiesberghaus und dann durch lichte Lärchenwälder ins Echerntal bei Hallstatt. Als wir an der Straße abschwingen, haben wir sicher eine unserer längsten und schönsten Skitouren in den Beinen. Und viele weitere Optionen im Dachsteinmassiv entdeckt.
Tourdaten
- Höhenmeter Aufstieg: 1.400
- Höhenmeter Abfahrt: 3.200
- Strecke: 30 Kilometer
- Schwierigkeit: schwer