Das Schilchegg und das Liebeseck zählen zu den bekanntesten Tourenzielen rund um Flachau. Wer würde erwarten, dass zwischen den zwei Gipfeln die Einsamkeit wartet?
Vor uns liegt ein unverspurtes Kar. Darüber baut sich die Nordwand des Liebesecks auf. Über Nacht ist Neuschnee gefallen und hat die Landschaft mit einem mattweißen Mantel überzogen. Ganz allein ziehen wir unsere Spur durch den frischen Pulverschnee. Dabei sind wir gar nicht weit vom Skitouren-Rummel entfernt. Wir haben nur einen anderen Weg genommen. Sind gegen den Strom geschwommen und in der Einsamkeit gelandet. Das Schlichegg und das Liebeseck sind zwei der beliebtesten Touren in Flachauwinkl. Als Runde kombiniert eröffnet sich eine Variante, die um vieles einsamer, spannender und landschaftlich schöner ist, als die klassischen Anstiege. Die Skitour führt uns zunächst auf das Schilchegg und von dort über einen Rücken weiter Richtung Liebeseck. Bei der Rückfahrt durch das Marbachtal schließt sich der Kreis und wir haben 1.500 Höhenmeter und 18 Kilometer in den Beinen. Auf geht’s!
Skitour: Traumrunde übers Schilchegg & Liebeseck
Der Wanderparkplatz am Eingang zum Marbachtal ist uns von früheren Skitouren auf den Faulkogel und das Liebeseck bereits ein gut bekannter Ausgangspunkt. Wir wissen, dass wir zu Beginn einer flachen Forststraße folgen müssen. Zwei Kilometer gleiten wir im Schatten ins Tal hinein, bevor wir rechts auf das Schilchegg abbiegen dürfen. Den GPS-Track zur Tour findest du übrigens am Ende des Artikels!
Das Schilchegg ist bei Skitourengehern ein beliebtes Ziel und deshalb meist angespurt. Die Wegfindung sollte also kein Problem sein, trotzdem wollen wir dir ein paar Anhaltspunkte liefern. Bis zu einer kleinen Almhütte können wir einem Forstweg folgen und diesen auch immer wieder abkürzen.
Bald entkommen wir dem Schatten des Marbachtals. Die Ostwand des Faulkogels strahlt in der Morgensonne und wir mit ihr um die Wette. Zur frühen Stunde sind wir die einzigen, die schon unterwegs sind. Stille umgibt uns. Wir hören nur das Rauschen des Windes und das Zwitschern der Vögel in den Lärchen.
M(L)ärchenwald
Nach der Almhütte flacht das Gelände etwas ab. Mächtige Lärchen stehen um uns Spalier. Es ist ein Genuss, uns eine logische Linie zwischen den Stämmen hindurch zu suchen. Sie stehen so weit voneinander entfernt, dass wir uns nicht eingeengt fühlen. Trotzdem hat man das Gefühl, durch einen märchenhaften Wald zu streifen. Bei einer fetten Portion Neuschnee muss die Abfahrt hier genial sein.
Die Bäume werfen lange Schatten über den verschneiten Waldboden. Zwischen ihren Ästen blitzt immer wieder azurblauer Himmel durch und manchmal können wir einen Blick auf Gebirgskette der Niederen Tauern erhaschen. Da hinten muss der Taferlnock sein. Und etwas rechts daneben das Mosermandl.
Mittlerweile haben wir etwa 700 Höhenmeter geschafft und der Wald beginnt sich zu lichten. Die Bäume verschwinden unter uns, die märchenhafte Stimmung aber bleibt.
Schilchegg: Panoramagipfel in Flachauwinkl
Bis zum ersten Gipfel unserer Rundtour müssen wir etwas über 900 vertikale Meter und sechs Kilometer bewältigen. Eine ziemliche Distanz für die wenigen Höhenmeter wirst du jetzt denken. Stimmt. Aber die Tour ist jeden Meter wert, das versprechen wir dir!
Schon bevor du das Schilchegg erreichst, heißt dich ein unglaubliches Panorama in der Bergwelt der Niederen Tauern willkommen. Das Schilchegg ist mit 2.040 Metern etwas niedriger als seine Nachbarn. Doch genau das macht die Landschaft rundum so eindrucksvoll. Hinter uns spitzt das Benzegg über den Baumkronen hervor. Vor uns baut sich die Ennskraxn auf. Daneben ragen das Liebeseck, der Faulkogel und das Mosermandl in den klaren Himmel.
Im Winter wirken die steilen Flanken noch gigantischer. Wechten hängen auf den Kämmen und Graten. Pechschwarze Felsen brechen in den Steilhängen durch die Schneedecke und lassen die Wände bedrohlich und unnahbar erscheinen.
Über einen sanften Rücken steigen wir die letzten 200 Höhenmeter bis zum Schilchegg auf. Das Gelände ist flach und der Aufstieg einfach. Umso mehr können wir uns auf die Landschaft einlassen. Energiegeladen und euphorisch erreichen wir den Gipfel.
Den Gipfel des Schilcheggs schmückt kein Gipfelkreuz. Nichts lenkt von dem traumhaften Panorama ab. Das kleine Plateau bietet perfekt Platz, um die Felle abzuziehen und sich für die Abfahrt vorzubereiten. Oder, um so wie wir, den Weiterweg zu studieren.
Zwischenwelt: Skitour vom Schilchegg aufs Liebeseck
Bis zum Schilchegg war der Verlauf unserer Skitour logisch – der Weiterweg zum Liebeseck wird etwas abenteuerlicher. Und einsamer. Denn die Variante wird nur äußerst selten begangen. Man kann sich häufig an keiner Spur orientieren und muss selbstständig eine sinnvolle Linie ins Gelände legen.
Das Schilchegg und das Liebeseck verbindet ein schöner Rücken, der später in einem schmalen Grat endet. Dort wo der Rücken ausläuft und der Grat beginnt, tut sich unter den Nordhängen des Liebesecks ein weites Kar auf. Dieses müssen wir in einem Linksbogen queren und dann auf einen weiteren Rücken aufsteigen. Dahinter stößt man später direkt auf die viel begangene Normalroute zum Liebeseck.
Den Weiterweg kannst du vom Schilchegg perfekt einsehen. Auch das Bild oben gibt einen guten Überblick.
Wir ziehen die Felle von unseren Skiern und fahren etwa 200 Höhenmeter Richtung Liebeseck ab. Dabei halten wir uns stets direkt am Rücken. Rechts mündet der Hang im Ennskar, links verliert sich das Gelände in mehreren tiefen Gräben.
Dort wo der Rücken wieder sanft ansteigt, fellen wir auf und folgen ihm, bevor wir nach links ins Kar abbiegen.
Einsam auf Mode-Skitour: Zwischen Schilchegg und Liebeseck
Gerade einmal einen Kilometer vom Schilchegg entfernt tauchen wir in die Einsamkeit ein. Bei schönem Wetter und an Wochenenden brechen die Leute in Scharen zu einer Skitour auf das Liebeseck oder das Schilchegg auf. Beides sind klassische Mode-Skitouren im Salzburger Land. In Anbetracht dessen sind wir verdutzt, dass niemand – wirklich niemand – auf die Idee kommt, die beiden Gipfel direkt miteinander zu verbinden. Klar, man muss einige Höhenmeter und Kilometer mehr investieren. Aber der Anspruch dieser Tourenvariante hält sich in Grenzen. Gleichzeitig punktet sie mit beeindruckender landschaftlicher Schönheit.
Wir ziehen unsere Spur hin zur Nordwand des Liebesecks. Das Gelände steigt mal sanft an, mal fällt es leicht ab. Am gegenüberliegenden Rücken können wir eine Art Balkon im Hang erkennen. Diesen wollen wir nutzen, um auf die Ausläufer des Liebesecks zu gelangen, die uns noch von der Normalroute trennen.
Die Linie löst sich wunderbar auf. So als wäre sie dafür geschaffen, um hier mit Skiern langzulaufen. Mitten in der Zivilisation fühlen wir uns plötzlich irre frei. Flachau ist nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt und es ist gewiss, dass sich auf der Normalroute zum Liebeseck gerade unzählige Tourengeher zum Gipfel hinauf kämpfen.
Wir sind in einem versteckten Paradies gelandet, das sich mit ein wenig Weitblick jedem eröffnen kann. Man muss nur ums Eck schauen. Und gewillt sein, zwei Anstiege mehr zu investieren.
Das Beste kommt heute nicht zum Schluss
So ganz ohne Spuren wirkt das Kar weitläufiger, als es ist. Nach 20 Minuten schon haben wir es überquert. Aber wir sind uns alle einig, dass das gerade der schönste Teil der Skitour vom Schilchegg aufs Liebeseck war.
Jetzt trennt uns nur noch ein weiterer Rücken von der Normalspur auf das Liebeseck. Das Gelände wird wieder merklich steiler. Wir steigen entlang des Rückens bis zu einer Höhe von etwa 2.050 Metern auf und haben von dort endlich einen Blick auf den finalen Anstieg.
Eine breite Spur windet sich aus dem Tal herauf. Einige Skitourengeher folgen ihrer Linie. Sie befinden sich gerade auf den letzten 300 Höhenmetern ihrer Skitour aufs Liebeseck.
Die Einsamkeit ist vorbei, aber wir freuen uns trotzdem, auf ein paar nette Gesichter und Plaudereien mit Gleichgesinnten. Um auf die Aufstiegsspur zu gelangen, müssen wir ein kurzes Stück abfahren. Je nachdem, wie hoch man sich hält, verliert man zwischen 100 und 150 Höhenmetern. Also: Felle ab, im Rucksack verstauen, abfahren und wieder auffellen.
Liebeseck: Ein kurzer Grat und langes Glück
Das Finale der Tour kennen wir schon zu gut. Mehrere Mal schon sind wir hier hochgestiegen.
Den Beitrag zur Skitour aufs Liebeseck findest du hier!
Wir steuern geradewegs eine Scharte südlich des Liebesecks an, auf der wir ein Skidepot einrichten werden. Von dort aus führt ein relativ einfacher Grat weiter zum Gipfel. Nach kurzem Hin und Her erreichen wir die Scharte und müssen die Skier ausziehen.
Der Wind hat den Großteil des Schnees vom Grat gefegt. Steinblöcke und Grasbüschel ragen aus der Schneedecke. Steigeisen sind hier nur selten nötig. Wir stapfen die letzten Meter zum Gipfel. Ein-, zweimal müssen wir auch an den Felsen fassen.
Unsere Ankunft am Liebeseck begleitet ein geniales Bergpanorama: von den Niederen bis in die Hohen Tauern, von den Berchtesgadener Alpen bis zum Dachstein. Wie das Schilchegg ist auch das Liebeseck ein super Aussichtsgipfel und das Finale unserer Skitour damit perfekt.
Bei der Abfahrt halten wir uns grob an der originalen Aufstiegsspur. Im breiten Kar und im Wald können wir uns kurz richtig austoben, bevor wir unten im Tal in die Hocke gehen, um genügend Geschwindigkeit für den Rückweg zum Parkplatz mitzunehmen.
Nach der heutigen Tour ist uns wieder bewusst geworden, wie einfach man auf bekannten Wegen Neues entdecken kann. Und wie viele ungeahnte Möglichkeiten sich in unseren Heimatbergen eröffnen.
Fakten zur Skitour: übers Schilchegg aufs Liebeseck
- Anstieg: 1.500 Höhenmeter
- Abstieg: 1.500 Höhenmeter
- Länge: 18 Kilometer
- Schwierigkeit: mittel
- Ausgangspunkt: Parkplatz an der Flachauwinklstraße