Eine Tour mit sonnseitigem Aufstieg, einer rassigen Nordabfahrt und toller Aussicht zwischen Bayern und Salzburg.
Treffen sich zwei Bayern und zwei Lammertaler an der deutsch-salzburgerischen Grenze. So beginnt nicht der neueste Preißen-Witz, sondern unsere Skitour auf das Kammerlinghorn in den Berchtesgadener Alpen.
Wir starten unseren Grenzgang in Weißbach bei Lofer – auf der österreichischen Seite der Berchtesgadener Alpen. Noch. Unsere Tour wird uns heute exakt entlang der Landesgrenze auf den Gipfel des 2.484 Meter hohen Kammerlinghorns führen. Die Abfahrt erfolgt nordseitig auf deutschem Boden. Hinauf in Österreich, hinab in Deutschland. Eine Kombination, die man besonders an Tagen schätzt, an denen man in der Sonne aufsteigen und auf der Nordseite im Pulverschnee abfahren will.
Diesen Hintergedanken haben auch wir heute, als wir am Parkplatz in Hintertal bei Weißbach unsere Tourenausrüstung aus dem Auto kramen. Es ist kalt. So kalt, dass dir beim Atmen die Nasenflügel zusammenfrieren.
Die Daunenjacke bleibt erstmal an. Auch die Outfits der anderen Tourengeher lassen fast vermuten, sie würden zu einer Polarexpedition aufbrechen und nicht zu einem gewöhnlichen Gipfel in den Ostalpen. Die meisten von ihnen peilen das Seehorn an.
Auch wir waren schon am Seehorn. Den Tourenbericht dazu gibt’s hier!
Das Kammerlinghorn ist technisch schwieriger und höher als das Seehorn – darum ist der Gipfel nicht ganz so stark frequentiert wie der Nachbarberg.
Österreich – Aufstieg auf der Südseite
Die ersten 1.000 Höhenmeter legen wir auf österreichischem Boden zurück. Vom Parkplatz weg laufen wir uns auf der Straße Richtung Hirschbichlpass warm. An der zweite Kreuzung biegen wir rechts ab. Wenig später verlassen wir den Wald und gelangen auf die schöne Wiese der Kammerlingalm.
Dort halten wir uns rechts und steigen entlang des Sommerweges zum Waldrand auf. Der Schnee funkelt in der Morgensonne. Die Äste der Fichten, die hier sehr nahe aneinander stehen, biegen sich unter der frischen Schneelast. Immer wieder müssen wir unter den Nadeln durchtauchen und bekommen die ein und andere Schneedusche ab.
Im Mittelteil wird das Gelände ordentlich steil. Mühsam schlängeln wir uns in vielen Serpentinen zwischen den Baumstämmen hindurch. Die Spur weicht nie weit vom Sommerweg auf das Kammerlinghorn ab.
Im steilen Wald machen wir schnell Höhenmeter. Bald lugen die Loferer- und Leoganger-Steinberge über die Baumwipfel. Als der Wald lichter wird, flacht auch das Gelände ab. Wir befinden uns jetzt direkt auf der Grenze zwischen Österreich und Deutschland.
Grenzgang zum Kammerlinghorn
Gemütlich schreiten wir von Grenzstein zu Grenzstein. Ein breiter, nach Westen ausgerichteter Rücken führt uns hinauf zum Karlkopf – einem kleinen Vorgipfel des Kammerlinghorns. Das Gelände ist dem Wind stark ausgesetzt und der Rücken deshalb oft abgeblasen. Wir ziehen unsere Skier über eine knusprige Schneeschicht. Der Grip ist gut. Und auch die Aussicht wird immer besser.
Wir brechen durch die Nebeldecke und können endlich den Schlussanstieg auf das Kammerlinghorn einsehen. Den Karlkopf lassen wir links liegen und fahren zu seiner rechten Seite ein kurzes Stück mit Fellen ab.
Nur noch der Gipfelhang trennt uns von einer der schönsten Erhebungen in den Berchtesgadener Alpen. Doch der hat es in sich. Zwar sehen die 300 Höhenmeter aus wie ein Katzensprung, aber der Anstieg zieht sich. Ehe das Gipfelkreuz in Sicht kommt, haben wir Zeit genug, die Umgebung auf uns wirken zu lassen.
Nebel hüllt die Täler ein. Nur die Gipfel der höchsten Berge ragen darüber hinaus. Hinter uns der mystisch verschleierte Wilde Kaiser, die steilen Flanken der Loferer Steinberge und je höher wir steigen, umso mehr offenbaren sich die Berchtesgadener Alpen.
Am Seehorn herrscht Hochbetrieb. Die Schneedecke des Nachbargipfels ist von vielen Spuren zerfurcht. Die Hänge machen Lust auf unsere Abfahrt. Sie wird uns auf der Nordseite durch eine steile Rinne zum Hirschbichlpass führen.
Während wir mit den Gedanken schon bei der Abfahrt sind, taucht plötzlich das Gipfelkreuz hinter einer Schneekuppe auf. Wir sind wieder ganz da. Im Hier und Jetzt. Scheiße es ist kalt! Bevor wir uns „Berg Heil“ wünschen, schlüpfen wir in unsere Daunenjacken. Erst dann lässt das Zittern unserer Muskeln soweit nach, dass wir diesen Bergmoment voll auskosten können.
Tief verschneit liegen die Berchtesgadener Alpen vor uns: der Große Hundstod, der Hochkönig, die Teufelshörner, die Hocheisspitze, der Watzmann – dazwischen schiebt der eisige Nordwind Nebelbänke hin und her.
Ein besonderer Hingucker ist das Gipfelkreuz, das das Kammerlinghorn schmückt. Man kennt ihm an, dass es hier schon vielen harten Wintern getrotzt hat. Kälte und Sonnenlicht haben sein Holz spröde werden lassen. Bleich ragen die Balken von dem Edelweiß ab, das die Mitte des Kreuzes ziert.
Wir machen uns bereit für die Abfahrt. Bereit für den Länderwechsel.
Deutschland – Abfahrt auf der Nordseite
Für die Abfahrt gibt’s mehrere Optionen. Man könnte zwar auch entlang der Aufstiegsspur abfahren, die besseren Linien findet man aber an der Nordseite des Kammerlinghorns. Dort stehen uns zwei Rinnen offen: eine westlich und eine östlich des Karlkogel.
Wir fahren über die Gipfelflanke zur östlichen Rinne ab, die ins Kleineis hinunter führt. Erneut zieht Nebel über den Rücken und verwehrt uns die Sicht in die Rinne. Die Einfahrt ist steil und wir wollen nicht riskieren, in dem unbekannten Gelände die Orientierung zu verlieren. Wir entscheiden uns gegen die Abfahrtsvariante und müssen einige Meter zurück stapfen.
Langsam tasten wir uns im Nebel Richtung Kalkkogel vor. Weiter unten wird die Sicht wieder besser und wir können in die westliche Kalkkogelrinne einfahren. Die Rinne ist mäßig steil und wir finden nach mehreren schönen Tagen sogar nicht einige Flecken unverspurten Pulverschnee.
Die Rinne mündet in ein flaches Waldstück, durch das wir über die Mittereisalm zurück zur Hirschbichlstraße gelangen. Wir steigen etwa 50 Höhenmeter zum Hirschbichlpass auf und fahren dann entlang der Straße zurück zum Parkplatz in Hintertal.
Im Frühjahr, wenn der Schnee im Tal schon saftigen Wiesen weicht, kann es sein, dass man die Ski das letzte Stück zum Parkplatz tragen muss.
Entzückt von der genialen Tour, der super Aussicht und der langen Abfahrt, klopfen wir unsere Skischuhe ab und laden unser Material ins Auto. Das war er also, unser Ausflug ins Nachbarland.
Die Grenz-Gang verabschiedet sich. Die eine Hälfte fährt zurück ins Lammertal, die andere nach Berchtesgaden.
Tourdaten
- Höhenmeter: 1.700 inkl. Gegenanstiege
- Länge: 15,5 Kilometer
- Dauer: 6 Stunden für Aufstieg und Abfahrt
- Schwierigkeit: anspruchsvoll