Skifahren und Muskelaufbautraining

Von Mario Elsen

Wenn du den Weg von der Umkleide bis zum Parkplatz deines lokalen Fitnessstudios in Rekordzeit zurückgelegen musst, weil du in deinen kurzen Sportklamotten nur eine marginale Zeitspanne in der arktischen Temperaturen aushalten kann und dein Protein-Shake schon nach wenigen Sekunden an der Luft zum anabolen Eisblock gefriert, weißt du, dass jetzt Winter ist. Zeit zum Skifahren.

Die gute Nachricht: Winterzeit ist Trainingszeit! Während sich die übrige Hälfte der Bevölkerung in Glühwein, Schmalzkuchen und Lebkuchen verliert, kannst du in der kalten Jahreszeit fast ungestört deinem Bedürfnis nach schweren Gewichten nachgehen. Aber was ist, wenn du dein Muskelaufbautraining im Winter pausieren musst, weil du mit deiner Familie oder deinen besten Freunden im alljährlichen Skiurlaub bist?

Dieser Artikel rüstet dich mit Wissen rund um das Thema Skifahren und Muskelaufbau, mit dem du auf deiner nächsten Après-Ski Party so richtig (oder auch kein bisschen) auffahren kannst: Kann ich durch Skifahren Muskeln aufbauen? Welche Muskeln sind beim Skifahren besonders wichtig und wie stark werden sie beansprucht? Wie kann ich mich durch Muskelaufbautraining optimal auf das Skifahren vorbereiten? Fangen wir an.

Skifahren und Muskelaufbau - Vorbereitung ist alles

Damit dein Skiausflug nicht schon nach wenigen Abfahrten auf der "Skiautobahn" beim örtlichen Pistendoktor endet und du deinen zärtlichen Füße für den Rest des Skiurlaubs im bunten Gips verstecken musst oder du die Bestenliste der täglichen Pistenabfahrten nur von unten gesehen anführst, solltest du beim und vor dem Skifahren so einige Dinge berücksichtigen, die für so ziemlich jeden Extremsport gelten.

An dieser Stelle möchte ich aber darauf hinweisen, dass sich dieser Artikel primär mit einer (im Bezug zum Skifahren) verletzungspräventiven und leistungsorientierten Trainingsgestaltung für dein Muskelaufbautraining im Fitnessstudio beschäftigt und nicht das alpine Skifahren als gleichwertigen Ersatz für ein intensives Muskelaufbautraining ansieht. Falls dein einziges Trainingsziel "mehr Bizeps" lautet, solltest du nicht nur deine gesellschaftliche Rolle grundlegend überdenken, sondern auch Abstand von diesem Artikel nehmen. Skifahren ist nämlich keine Sportart, die dein Verlangen nach massiven Muskelzuwächsen in kürzester Zeit befriedigen kann.

Auch wenn das gemütliche Ski-Langlaufen am Sonntag Nachmittag nicht unbedingt zu den Extremsportarten zählt, kann das Alpine Skifahren durchaus als Extremsportart gewertet werden. Das liegt aber nicht zuletzt am relativ hohen Verletzungsrisiko, sondern vielmehr an dem komplexen Zusammenwirken vieler differenter Trainingsparameter, physiologischer Eigenschaften und deinem persönlichen Trainingszustand. Im Folgenden will ich die wesentlichen Faktoren beschreiben, die deine Leistung und Verletzungsanfälligkeit beim Skifahren entscheidend beeinflussen. Im zweiten Teil dieses Artikels gehen wir dann auf die jeweiligen Trainingsmöglichkeiten ein, welche die genannten Faktoren optimieren können.

    Rumpfstabilität: Die Stabilität im Rumpfbereich ist - wie in so vielen Sportarten - wohl einer der wichtigsten Faktor für ein verletzungspräventives und leistungsorientiertes Training. Nur wenn dein Rumpf - genauer gesagt die Rumpfmuskulatur - die nötige Stabilität aufweist, können deine Rückenmuskeln, vorderen, queren und seitlichen Bauchmuskeln sowie der gesamte Gelenkapparat im Hüftbereich die enorme trainingsinduzierte Belastung bei einem alpinen Wettkampf oder einer außerordentlichen schnellen Abfahrt von der schwarzen Piste wegstecken und deine empfindliche Wirbelsäule vor schädlichen physikalischen Einwirkungen schützen. Somit ist eine trainierte Rumpfmuskulatur das A und O für jeden Skifahrer!
    Agilität: Die Agilität oder Beweglichkeit beschreibt in diesem Fall die maximale Bewegungsamplitude deiner Gelenke, also dem größten Winkel zwischen einer Muskelstreckung und Muskelverkürzung, die primär durch die Dehnfähigkeit deiner Bänder, Sehnen und Muskulatur beeinflusst wird. Eine überdurchschnittliche Bewegungsamplitude wirkt sich begünstigend auf die Verletzungsprävention aus und kann durch ein Beweglichkeitstraining langfristig verbessert werden. Mit einer gesteigerten Beweglichkeit verringerst du die Gefahr von Muskel- und Bänderrissen, die durch eine übermäßige physikalische Druck- oder Zugbelastung (z.B. in Folge eines Sturzes) deines Bewegungsapparates ausgelöst wird.
    Gleichgewicht: Häufiger Lastwechsel bzw. die ständige Verlagerung des Körpergewichtes macht eine trainierte Muskelkoordination sowie einen überdurchschnittlichen Gleichgewichtssinn unabdingbar. Nur wenn du die ständigen Lastwechsel genau koordinieren kannst, kannst du bei der Abfahrt wertvolle Sekunden sparen und den Verlust von Geschwindigkeit vermeiden.
    Energiebereitstellung: Beim Thema Energiebereitstellung geht es leider nicht um die großen Teller voller Kaiserschmarrn, die dir von den attraktiven Angestellten der holzigen Alpenhütten serviert werden, sondern um ein zentrales Thema, das sich durch so ziemlich jeden unserer Artikel zieht. Ein Thema, mit dem sich bisher nur wenige Athleten ausreichend intensiv beschäftigt haben. Genau das ist auch der Grund dafür, warum viele unerfahrene Athleten keine Trainingsfortschritte machen. Wer nicht weiß, wie sein eigener Körper in allen erdenklichen Situationen den Energiebedarf seiner Muskulatur decken kann, der wird niemals Höchstleistungen im Training erreichen. Das gilt sowohl für das Skifahren als auch für ein konventionelles Muskelaufbautraining.

Hochleistung-Skifahren: Muskelaufbautraining par Excellence

Natürlich lassen wir dich mit den eben genannten Begriffen Rumpfstabilität, Agilität, Gleichgewicht oder Energiebereitstellung nicht einfach im Schneeregen stehen. In dem zweiten Teil dieses Artikels gehen wir auf die trainingsspezifischen Möglichkeiten ein, mit denen du deine Leistung beim Skifahren im Rahmen eines klassischen Muskelaufbautrainings optimieren kannst.

Gleichgewichtstraining, Beweglichkeitstraining und adäquates Aufwärmtraining

Schon deine Leistung beim Krafttraining hängt in einem von dir wahrscheinlich unbeachteten Ausmaß davon ab, wie effektiv dein Aufwärmtraining ist. Weil der gesamte Zusammenhang zwischen Aufwärmung, Beweglichkeitstraining und Gleichgewichtstraining ziemlich umfangreich ist, wollen wir hier nur kurz erläutern, warum das Aufwärmtraining so leistungsrelevant ist.

Ein adäquates Aufwärmtraining ist ein oft unterschätzter Leistungsparameter, der nicht nur deine Trainingsfortschritte beeinflussen kann, sondern auch maßgeblich für eine effektive Verletzungsprophylaxe im Training ist.

So ziemlich alle biochemischen Regulationsprozesse, die in deinem Körper ablaufen, sind einer gewissen metabolen Trägheit unterworfen. Das heißt, dass es immer einige Zeit dauert, bis diese Prozesse optimal arbeiten. Man muss sie schon dazu zwingen, effektiv zu arbeiten. Diese Trägheit ist jedoch nicht für alle Systeme gleich, sondern zum Teil sehr unterschiedlich und führt somit zu einer häufig auftretenden Divergenz bei zusammenarbeitenden Systemen. Das Aufwärmen fokussiert dabei das angleichen der metabolen Aktivität aller funktionellen Systeme durch eine gezielte Anhebung der Körperkerntemperatur.

Nach der Reaktionsgeschwindigkeits-Temperatur-Regel ist mit jedem Grad Erhöhung der Körperkerntemperatur ein Anstieg von 13% bei den Stoffwechselvorgängen festzustellen. Die parallel erfolgende Weitung der Kapillargefäße im arbeitenden Muskel optimiert die Sauerstoff- und Substratversorgung aufgrund einer verbesserten Durchblutung, die beim Skifahren nicht nur für die klassische "Rote Birne" sorgt, nachdem du mit dem ersten Glühwein auf der anschließenden Après-Ski-Party deine Skibrille endgültig zum Beschlagen gebracht hast.

Neben der Körperkerntemperatur steigt aber auch die Temperatur des eigentlichen Gewebes, in deren Folge die Enzymaktivitiät signifikant ansteigt und den Wirkungsgrad der Substratverarbeitung (also der Energieversorgung, dazu später mehr) ebenfalls rapide ansteigen lässt. Das betrifft vor allem die Prozesse der aeroben und anaeroben Energiebereitstellung. Somit verbessert die steigende Gewebetemperatur im Endeffekt deine gesamte Leistungsfähigkeit und erhöht die Chancen, dass dich der Alpin-Talent-Scout vielleicht doch noch entdeckt. Auch die Kontraktionsgeschwindigkeit der Muskeln steigt bei einer Temperaturerhöhung von 2°C um bis zu 20%, was eine enorme Beschleunigungssteigerung darstellt und beim Skifahren die entscheidenden Sekunden beim Lastwechsel ausmachen kann (Jürgen Weineck, Sportbiologie, 10. Auflage, Spitta 2010, 765).

Spätestens hier sollte dir einleuchten, dass du beim Skifahren nicht auf deine alltägliche Trainingskleidung aus Tankt-Top und Sporthose zurückgreifen kannst, sondern wärmeregulierende Ski-Bekleidung wie von xspo.de wählen solltest, damit deine Körperkerntemperatur in der kalten Umgebung der Skipisten nicht zu schnell abfällt und dein Leistungsniveau in den Keller zieht. Muss ja nicht sein.

Welche Aufwärm- und Gleichgewichtsübungen können sinnvoll ein ein vorbereitendes Krafttraining integriert werden? Als geeignete Assistance-Übungen für das Skifahren haben sich folgende Übungen bewiesen:

  • Plyometrisches Training stellt gerade für Skifahrer eine geniale Trainingsergänzung dar, kann sogar als eigenes Intervalltraining bezeichnet werden und ganze Trainingseinheiten ausfüllen
  • Seitlicher Sprung ("lateral Jump") - 3×5 pro Seite
  • Einbeiniges Hüpfen, einbeinige Kniebeugen mit geringen Gewichten
  • Einbeinige Gleichgewichtsübungen oder Balancieren (mit geschlossenen Augen)

Statisches und dynamisch Krafttraining

Die Arten der Kraft sind eine elementare Trainingsgrundlage für ein gezieltes Muskelaufbautraining, weil so ziemlich jede Trainingsmethode die dynamische Muskelkraft einsetzt, um die eigentlichen Hypertrophiereize für das Muskelwachstum zu setzen. Dynamische Kraft bzw. Muskelarbeit ist die wichtigste Kraftform für Fitnesstraining jeder Art und lässt sich in positiv (überwindend) und negativ (nachgebend) dynamische Muskelarbeit aufgliedern.

Bei der positiven dynamischen Kraft spricht man von Muskelarbeit, für die erst eine Kontraktion oder Dehnung der Muskelfasern ausgeführt werden muss. Die dynamische Kraft unterteilt sich in unserer Trainingstheorie nun in Maximalkraft, Schnellkraft und Kraftausdauer, auf denen alle weiteren Trainingsmethoden aufbauen und beim Thema Energiebereitstellung wieder aufgegriffen wird.

Im Gegensatz zur dynamischen Kraft entwickelt sich bei der statischen Kraft bzw. Muskelarbeit eine Muskelspannung, ohne dass dafür eine sichtbare Streckung oder Verkürzung der Muskulatur notwendig ist. Beim Skifahren kommen sowohl die statische als auch die dynamische Muskelarbeit zum Einsatz. Denken wir wieder an unsere Lastwechsel, die oftmals in einer Position in der Hocke durchgeführt werden, erscheint die statische Kraft auf einmal ziemlich Relevant.

Die elementaren Grundübungen Kniebeugen und Kreuzheben stellen wohl die beste Ergänzung dar, um die dynamische und statische Kraft effektiv zu steigern. Gerade Kniebeugen und alle denkbaren Kniebeugen-Varianten weisen ein anspruchsvolles Bewegungsmuster auf, das der muskulären Belastung beim Skifahren (besonders in der Position der Hocke) aussergewöhnlich nahe kommt.

Aufbau von stabilisierender Muskulatur im Rumpfbereich

Wo wir schon bei Kniebeugen und Kreuzheben sind - diese Grundübungen sind die beste Möglichkeit, mit der du deine Rumpf- und Rückenmuskulatur gezielt zur Hypertrophy bewegen kannst, damit deine Wirbelsäule funktionell durch bekräftige Muskelpakete gestützt wird und physikalische Belastungen wie Torsion, Stauchung oder Streckung besser wegstecken kann. Ohne eine gekräftigte Rücken- und Bauchmuskulatur würde deine Wirbelsäule bei einem schweren Sturz vermutlich einfach durchbrechen wie eine trockene Salzstange. Also nimm dein verletzungspräventives Training ernst und absolviere einen geeigneten Trainingsplan, der in jedem Fall Kniebeugen und Kreuzheben als Grundübung implementiert!

Verstehe und optmiere deine Energiebereitstellung

Entgegen vieler Meinungen und Mythen, steht für deine Leistung beim Skifahren nicht deine (aerobe) Ausdauer an oberster Stelle, die durch regelmäßiges und langanhaltendes Cardiotraining optimiert wird, sondern vielmehr die anaerobe Form der Energiebereitstellung. Um die Zusammenhänge kurz erläutern zu können, müssen wir hier einen kurzen Physiologie-Crashkurs absoliveren.

In Abhängigkeit der Belastungsintensität und Belastungsdauer greift dein Körper nämlich zunehmend auf andere Energieträger als das ATP (Adenosin-Tri-Phosphat) zurück, damit die Kontraktionsfähigkeit deiner Muskulatur aufrecht erhalten werden kann. Hier kommen die Kohlenhydrate als physiologische Leistungsgrundlage ins Spiel.

Dein Körper hat eine Vielzahl von Systemen der Energiebereitstellung entwickelt, die jedoch stark voneinander abhängig sind. Wird ein System überlastet, hat es weitreichende Folgen für die Leistungsfähigkeit der anderen Systeme. Die erste intensive Muskelkontraktion, die du z.B. beim Training absolvierst, wird vollständig über dein körpereigenes ATP versorgt. Je intensiver das Training ist (die Trainingsintensität wird allgemein über die höhe der zu überwindenden Belastung bzw. Gewichte bestimmt), desto wichtiger wird eine zügige ATP-Regeneration für die Muskelleistung.

Ist der ATP-Vorrat nach rund einer Sekunde erschöpft, kann für 5-7 Sekunden das Kreatinphosphat die schnelle ATP-Resynthese vorantreiben. Doch auch dieser Prozess findet ein schnelles Ende und kann bei andauernder Belastung von mäßiger Intensität noch rund 45 Sekunden durch die Verstoffwechselung von gespeichertem Glykogen aufgefangen werden. Weil du dich aber hoffentlich länger als 45 Sekunden auf den Skier halten kannst, gewinnt die aerobe Energiebereitstellung mit zunehmender Belastungsdauer bzw. im Laufe deiner tadellosen Pistenabfahrt an Bedeutung und sorgt für eine gesteigerte (oxidative) Verbrennung von Kohlenhydraten und Körperfett, die noch rund 30-45 Minuten die Überhand hat, bevor dein Stoffwechsel fast ausschließlich auf eine (nicht so effiziente) aerobe Oxidation von Fettsäuren umsteigt.

Wie kann ich meine Energiebereitstellung für ein alpines Skifahren optimieren?
  • Kohlenhydrate (Glykogen) sind die Leistungsgrundlage für dein Training. Halte deine Glykogenspeicher also stets maximal gefüllt. Womit wir wieder beim Thema Kaiserschmarrn wären...
  • Absolviere etwa 2-3 Trainingseinheiten pro Woche, die in ihrer Intensität einem Intervalltraining sehr nahe kommt, also eine gezielte Kombination von schnellkraftintensiven und ausdauerintensiven Belastungen mit kurzen Pausen ermöglicht.
  • Auch beim Skifahren kann die zusätzliche Supplementation von Kreatinphosphat sinnvoll sein, damit die Zeitspanne, in der das ATP durch die anaerobe alaktazide Energiebereitstellung resynthetisiert werden kann, maximiert wird.
  • Periodisiere dein Training und wechsel zwischen Intervalltraining, Krafttraining und spezifischem Muskel-Ausdauertraining (Ski-Hocke) und implementiere Grundübungen wie Kniebeugen und Kreuzheben in viele Trainingseinheiten!

Damit haben wir unseren kleinen Physiologie-Exkurs auch schon beendet. Trotzdem gilt: Wenn du langfristig die absolute Kontrolle über deine Trainingserfolge haben willst, kommst du um das Thema Energiebereitstellung nicht herum. Willst du im Mittelmaß versinken? Nur zu. Falls nicht, solltest du dich mit den fundamentalen Grundlagen beschäftigen, die wir in unserem Hypertrophy Guide für Männer und Frauen gezielt aufgreifen.