Jahresrückblicke sind so eine Sache. Irgendwie geht es immer um Highlights und Katastrophen. Die Zwischentöne scheinen zu fehlen. Man kann eben ein ganzes Jahr nicht in einer zwei Stunden Glitzer-Glamour Fernsehshow abhandeln… Aber eigentlich ist es ja auch nicht nötig alle Ereignisse en detail Revue passieren zu lassen. Vielmehr sollte man darüber nachdenken, was man aus so einem Jahr mitnehmen kann.
Um es vorweg zu nehmen: meiner Wahrnehmung nach hat sich dieses Jahr mehr als alles andere herausgebildet, dass das Verhältnis von Gesellschaft, Medien und Informationen, wenn man so möchte, der Konflikt unserer Zeit ist. Auch wenn die wirtschaftliche Lage der westlichen Industriestaaten scheinbar schlecht ist, so ist sie doch historisch und in Relation gesehen weiterhin überdurchschnittlich gut. Was dagegen wirklich beschäftigt ist das, was gemeinhin als die „Informationsgesellschaft“ bezeichnet wird. Gerade dieses Jahr hat sehr, sehr deutlich gezeigt, dass einerseits der Besitz von Informationen eine gewisse Rolle spielt, andererseits muss die Quintessenz aber sein, dass die Interpretation und das Verständnis von Informationen das viel größere Machtpotential besitzen. Das alte Sprichwort: „Wissen ist Macht“ ist in dieser Gesellschaft viel zu eindimensional.
Ich denke das hat vor allem die, leider völlig verkorkste, Diskussion zum Thema Wikileaks gezeigt. Natürlich sind große Datenmengen kaum überschaubar und die Informationen welche darin stecken sind vielleicht nicht auf Anhieb zu erkennen. Aber das ist doch auch nie die selbstdefinierte Aufgabe von Wikileaks gewesen. Die Plattform hat doch, vor allem auch vor den „großen“ Enthüllungen, immer damit argumentiert eine Plattform für Dokumente aus welchen Lecks auch immer zu sein, dabei die Quellen adäquat zu schützen und letztendlich ein Verzeichnis zur Verfügung zu stellen, in dem jeder gleichberechtigt recherchieren kann. Diese Fakten sind allerdings mehr als nur untergegangen. Die so genannten „alten Medien“ haben sich vielmehr darauf versteift eine Kampagne zu fahren in der sie zunächst einmal die ganze Sache oberflächlich personalisiert und zum anderen die ganze Idee in Frage gestellt hat, ohne auch nur einmal den Versuch zu unternehmen etwas aus den Informationen zu machen, die ihnen auf dem Silbertablett dargeboten werden. (siehe dazu [1] und [2])
An diesem Beispiel aus dem vergangenen Jahr wird das Spannungsfeld „Informationsgesellschaft“ nur allzu deutlich. Einerseits haben wir mittlerweile die Möglichkeit technisch eine Vielzahl von Informationen einzusehen, zu sammeln und zu studieren. Andererseits scheint mir so als haben wir als Gesellschaft noch keinen Weg gefunden mit diesen Möglichkeiten umzugehen und Informationen wirklich zu erfassen.
Etwas enttäuscht muss man da über die, bereits angesprochenen, „alten Medien“ sein. Sie machen sich selber dazu indem sie viele mediale Entwicklungen, wie Wikileaks, verurteilen und durch viel zu sehr personalisierte/emotionalisierte Debatten von der eigentlichen gesellschaftlichen Grundfrage ablenken.
Es rührt in mir ein gewisses Unverständnis, dass viele von denen, deren Aufgabe es ist Informationen aufzubereiten, Zusammenhänge zu erläutern und Meinungsbildung anzuregen schlichtweg nicht in der Lage sind mit neuen Spielregeln und anderen Mitspielern umzugehen.
Die Tatsache, dass sich Informationsströme und Verhaltensweisen verändern heißt ja keinesfalls, dass Journalismus unnötig wird. Er hat mit der grundsätzlichen Aufgabenstellung immer noch zentrale Bedeutung.
Aus meiner Sicht werden alle Fragen rund um den gesellschaftlichen Umgang mit Informationen auch noch die nächsten Jahre bestimmen. Sicher wird auch einigen Leuten schnell klar werden, dass es weder alte noch neue Medien gibt, sondern Aufgaben, die alle Medien zu bewältigen haben. Dazu gehört eben vor allem der kritische Umgang mit Informationen als Kernaufgabe.
Aber auch auf der Seite der Nutzer/Leser/Hörer/Seher sollte dieser kritische Umgang wieder stärker in den Mittelpunkt rücken. Umso mehr die Verfügbarkeit von Informationen als gegeben angesehen wird, desto relevanter wird die Einordnung der selbigen. Technik macht keinen Fortschritt.
Meinungsfreiheit und der offene, kritische Umgang mir Informationen sind wichtige Grundlagen unsere heutigen Gesellschaft. Und wenn wir (und vor allem ich) etwas aus dem vergangenen Jahr mitnehmen können dann ist es wohl, dass der kritische und skeptische Blick auf Informationen DIE Kulturtechnik der sogenannten Informationsgesellschaft sind!
Auf ein interessantes, kritisches und kreatives 2011!