Die modernistischen Eskapaden von Ferran Adria und seinen Weggefährten erzeugen in mir stark widersprüchliche Gefühle. Auf der einen Seite eröffnen die Ideen eine völlig neue Welt kreativer Möglichkeiten. Auf der anderen Seite lehnen wir exakt dieselben Pülverchen, die wir in der modernen Küche so begeistert verwenden, leidenschaftlich ab, sobald die große böse Lebensmittelindustrie damit hantiert.
Außerdem verleiten die modernistischen Pülverchen und Methoden zu Blendwerk, mittelmäßiger Show und sinnlosem Einsatz. Es ist einfach zu verlockend, für den schnellen Showeffekt irgendwelche Flüssigkeiten sinnfrei zu verkapseln, aufzuschäumen oder in Trockeneis zu schmeißen. Hier muss sich jeder an die eigene Nase fassen. Meine Grundregel ist: bietet das Pulver einen substantiellen Nutzen und für das jeweilige Rezept einen echten Mehrwert – super! Erzeugt es aber nur Effekt und Blenderei: fott damit!
Ein wirklich erstaunliches und nachhaltig empfehlenswertes Pülverchen ist Iota Carrageen: denn man kann mit Iota phantastisch cremig-schmelzende Texturen erreichen. Panna Cotta geht nicht besser…
Genau wie Agar ist Iota Carrageen ein Polysaccharid, das aus roten Algen gewonnen wird. Iota bildet, im Gegensatz zu Kappa Carrageen, sehr weiche, elastische Gele in calciumhaltigen (Milchprodukte!!!!!) Umgebungen (vgl. Vilgis, 2007, S. 77).
Iota wird in kalter oder warmer Flüssigkeit aufgelöst und dann auf mindestens 80 Grad Celsius erhitzt. Beim Abkühlen wird es fest.
Einsatzmöglichkeiten
Ich setze Iota für vier Zubereitungen ein: Gele, Schäume, Emulsionen und Eis.
Gele
Iota ist in der Lage, Gele von phantastischem Schmelz zu produzieren. Ich kenne kein anderes Geliermittel, mit dem man eine ähnlich schmelzige, cremige Panna Cotta zaubern kann. Im direkten Vergleich zur klassischen Gelatine hat Iota einen weiteren substantiellen Vorteil: sie zieht nicht nach. Das bedeutet: mit Gelatine gelierte Gele verändern auch nach dem „Festwerden“ kontinuierlich ihre Textur – sie werden härter. Das ist mit Iota nicht so – die Textur bleibt stabil.
Für die Panna Cotta
200 ml Sahne
50 ml Milch (für die vegane Variante Milch und Sahne durch geeignete Substitute ersetzen. Dabei ggfs. Calcium zufügen, sonst funktioniert das Iota nicht wie es soll.)
1 EL Zucker
1 Schuss Ahornsirup
0,75 g Iota Carrageen
Milch, Sahne und Zucker erhitzen bis sich der Zucker aufgelöst hat. Dann das Iota sorgfältig einrühren und aufkochen. Den Ahornsirup einrühren, das Ganze in ein Gefäß oder, wie in diesem Fall, in Silikonformen füllen und kalt stellen.
Himbeercoulis
150 g Himbeeren (TK)
30 g Puderzucker
1 Schuss Orangenlikör
Xanthan zum Abbinden
Die Himbeeren auftauen lassen, dann mit allen Zutaten fein pürieren und passieren. Ggfs. mit wenig Xanthan abbinden.
Xanthan erzeugt schnell eine schleimige Textur. Deshalb sollte man nicht mehr als 0,1% Xanthan relativ zur Grundmasse einsetzen.
In eine Spritzflasche füllen.
Anrichten
Die Gugelhupfe aus der Form stürzen, in einem tiefen Teller anrichten und mit dem Himbeercoulis füllen.
Nach meiner Erfahrung ist die Textur noch besser, wenn die Panna Cotta Raumtemperatur hat. Dann lässt sie sich allerdings schlechter stürzen. Deshalb besser erst stürzen und dann im Teller Temperatur nehmen lassen.
Wichtig!
Die Produkte der verschiedenen Hersteller liefern unterschiedliche Ergebnisse. Ich habe die Panna Cotta mit Iota von Texturas Ferran Adria und Iotazoon von Biozoon ausprobiert. Die Panna Cotta wird mit Iota von Ferran Adria erheblich cremiger als mit Iotazoon. Woran das liegt kann ich nur vermuten: beide Produkte enhalten neben Iota jeweils einen weiteren Inhaltsstoff: bei Ferran Adria ist das Natriumchlorid, bei Biozoon Maltodextrin.
Schaum mit dem ISI Siphon
Iota eignet sich, zum Beispiel in Kombination mit Lecithin, sehr gut zur Herstellung von Schäumen. Im Vergleich zur Gelatine produziert es deutlich leichter und luftiger wirkende Schäume mit einer Textur, die sich auf der Zunge sofort aufzulösen scheint.
Iota ist damit weder besser noch schlechter als Gelatine für Schäume geeignet. Die Auswahl des Geliermittels hängt einfach von der erwünschten Textur ab.
Basis Milchschaum mit Iota
1 g Iota Carrageen (0,5 %)
2 g Soja-Lecithin (1 %)
200 ml Flüssigkeit (Milchprodukt)
Iota Carrageen und Lecithin in der kalten Flüssigkeit auflösen und dann kurz aufkochen. Am besten mindestens 30 Minuten reifen lassen. Dann entweder mit dem Zauberstab aufmixen oder in einen ISI-Siphon geben und begasen. Kalt stellen bis zur Verwendung.
Emulsionen
Iota eignet sich nicht nur zum Gelieren sondern auch zum Emulgieren.
Passionsfrucht-Creme
5 Passionsfrüchte
100 g Orangensaft
100 g Passionsfruchtsaft
100 g Pflanzenöl
3 g Iota
Das Passionsfruchtmark mit den Säften um die Hälfte einkochen. 150 g davon durch ein Sieb geben und Iota einmixen. Dann noch einmal aufkochen lassen. Die Masse auf Zimmertemperatur abkühlen und langsam das Pflanzenöl einmixen (vgl. Port Culinaire 12, S. 97).
Eis
Iota eignet sich synergetisch mit Johannisbrotkernmehl und Guarkernmehl sehr gut zur Eisherstellung. Alle notwendigen Infos gibt es dort.
Weiterführende Links
Eine umfangreiche Abhandlung über Iota und die Einsatzmöglichkeiten gibt es bei Martin Lersch.