Sind Jungs ferkelnde Schweine?

Erstellt am 11. Oktober 2012 von Fkblog

Diese Frage muss man sich angesichts der Novellie­rung des Tierschutzgesetzes stellen, in dem der Schenkel­brand bei Pferden und das – betäubungslo­se kastrieren – von Ferkeln wegen der damit verbun­denen Schmerzen verboten werden sollen. An und für sich ist das ein löb­li­ches Ansinnen, wenn es wegen der Zusage unserer Par­lamentarier, das auch in Zu­kunft die Beschneidung von Jungen  - ohne Betäu­bung – erlaubt sein müsse, nicht so einen bitteren Beigeschmack hätte.

hib-Meldung · 2012_09/2012_386/01
Regierung legt Novellierung des Tierschutzgesetzes vor

Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz/Gesetzentwurf – 11.09.2012
Berlin: (hib/EIS) [..]Daneben sieht das Gesetz ein Verbot für die betäubungslose Ferkelkastration bis zum Jahr 2017 vor und ein Verbot des Schenkelbrandes bei Pferden. hib-Mel­dung

Nun folgt ein Auszug aus dem Gesetzentwurf, Seite 42:

Zu Nummer 5
(Änderung § 5 Absatz 3)

Zu Buchstabe a: Gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1 darf an einem Wirbeltier ein mit Schmerzen verbundener Eingriff nicht ohne Betäubung vorgenommen werden. § 5 Absatz 3 Nummer 1a enthält eine Ausnahmeregelung für das Kastrieren von unter acht Tage alten männlichen Schweinen.

Diese Ausnahmeregelung wird aufgehoben. Gemäß der Übergangsrege­lung in § 20 Absatz 1 soll sie aber noch bis zum 31. Dezember 2016 anwendbar sein. Die Durchführung des Eingriffs ohne Betäubung ist für das Ferkel mit Schmerzen verbunden. Gemäß § 1 Satz 2 darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.

Inzwischen stehen mit der Durchführung des Eingriffs unter Narkose, der Immunokastration oder dem Verzicht auf die Kastration durch Ebermast verschiedene Alternativen zur betäubungslosen Kastration zur Verfügung, die die Belastung der Tiere reduzieren und auch die Praktikabilität und den Verbraucherschutz berücksichtigen. Ein vernünftiger Grund, Ferkeln durch den Verzicht auf eine Betäubung bei der chirurgischen Ferkelkas­tra­tion Schmerzen zuzufügen, besteht daher nicht mehr. Der Gesetzentwurf – Drs. 17/10572

Mit Fug und Recht kann man nun behaupten, dass der Tierschutz in Zukunft einen höheren Stellenwert als Jungen und männliche Babys in unserer Gesellschaft hat. Deutliche Worte kommen immer mehr von jüdischen Mitbürgern im In- und Ausland.

Enosch: „Viele wollen sich mit Beschneidung freikaufen“

Die Beschneidung sei das “am besten akzeptierte Verbrechen in der Welt­geschichte”, sagt der israelische Antibeschneidungsaktivist Enosch.

Die Presse: Was halten Sie von der in Europa aufgekommenen Beschnei­dungsdebatte?

Jonathan Enosch: Wir waren sehr froh, dass ein deutsches Gericht den unmoralischen Vorgang der Beschneidung verurteilt, ausgerechnet ein deutsches Gericht. Das Absurde ist, dass Juden und Muslime plötzlich zu besten Freunden werden, um Hand in Hand dagegen zu kämpfen. Schade, dass sie offenbar Erfolg damit hatten.[..]

Die Presse: 1999 ist ihre Organisation „Ben Shalem“ vor den Obersten Gerichtshof in Israel gezogen. Was haben Sie damit erreicht?

Jonathan Enosch: Die Richter entschieden grundsätzlich nicht gegen die Beschneidung, verschärften aber die Bestimmungen zum Schutz des Kindes. Kurz vorher waren in Boston sechs Kinder an Herpes gestorben, nachdem der Beschneider ihnen mit herpesinfizierten Lippen das Blut aus der Wunde saugte.

Die Presse: Der damalige Innenminister Elijahu Swissa von der ultraortho­doxen Schas-Partei war derart erbost über die Petitionäre, dass er dazu aufrief, sie aus dem Fenster zu werfen. Wie erklären Sie sich eine so drastische Reaktion?

Jonathan Enosch: Die Orthodoxen behaupten, dass die Beschneidung das Fundament des Judentums ist, der Bund mit Gott, der dem Volk der Juden sein Überleben sichert. Was viele Leute nicht wissen, ist, dass die ursprüngliche Beschneidung, so wie sie Abraham an sich selbst vor­nahm, viel sanfter war als heute üblich. Abraham schnitt nur die Spitze seiner Vorhaut ab. Heute ist die Prozedur weitaus grausamer und gefähr­licher.[..] Die Presse

Auch Eran Sadeh, Gründer von Protect the Child in Israel, hat ein Statement zum Thema abgegeben.

Shalom

Mein Name ist Eran Sadeh. Ich bin Israeli. Ich bin Jude.

Ich bin aus Israel gekommen, um an Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Mitglieder des Deutschen Bundestages und die deutschen Bürgerinnen und Bürger und alle Eltern weltweit zu appellieren, die beabsichtigen, ihr Kind beschneiden zu lassen.[..]

Ich fand Berichte darüber, dass alleine in Israel hunderte von kleinen Jun­gen zu Notaufnahmen und Operationssälen gefahren werden, um dort Komplikationen nach der Amputation der Vorhaut zu behandeln.[..]

Das wird in einem Land nicht passieren, das die Menschenrechte von Kin­dern, insbesondere das Recht auf körperliche Unversehrtheit, und deren Recht auf gleichen Schutz durch das Gesetz achtet. Jüdische Religions­vertreter in dem Versuch jegliche Kritik an Beschneidung abzuwehren, be­zichtigen Deutschland des Antisemitismus. Diese Anschuldigung verur­tei­le ich.[..] die Petition.de

Ich befürchte, das Eran Sadeh angesichts der Macht der deutschen jüdischen Lob­by, welche die Antisemitismuskeule schon bei vergleichsweise harmlosen Sätzen benutzt, Unrecht haben wird. Es wird in Deutschland ein entsprechendes Gesetz geben, welche die Beschneidung bei Jungen zulässt.

Michael Wolffsohn hat auf Welt Online einen guten Artikel zum Thema geschrieben.

Umstrittenes Ritual
Nicht die Beschneidung macht den Juden

Die Bibel verrät an mehreren Stellen, dass Beschneidung der Knaben von jeher umstritten war. Vermutlich wurde der Brauch sogar eine Zeitlang durch das Ritual der Taufe ersetzt.[..] Welt Online

Für mich ist natürlich immer wieder erfreulich zu lesen, dass sich Menschen durch die Debatte tatsächlich “bekehren” lassen und auf einmal feststellen, dass die Be­schneidung bei Jungen, die ja in der westlichen Welt überwiegend verharmlosend dargestellt wird, doch nicht so harmlos ist. Wenn dann auch noch Unverständnis über Feministen zum Ausdruck gebracht wird, ist das natürlich doppelter Balsam. Der Blog “Evidenz-basierte Ansichten” hat genau das getan mit seinem Beitrag Beschneidung: Ignoranz und Sexismus. Wie die FAZ allerdings dazu kommt, einen Beitrag zu schreiben, der die Überschrift enthält: Geschichte der Beschneidung -Kein Kind ist je daran gestorben“, das geht mir nicht in den Sinn.

Das Schweizer Medium “20 Minuten Online” hat eine Umfrage erstellt, bei der 7.933 Personen teilgenommen haben. Das Ergebnis war, die Mehrheit würde Beschneidun­gen verbieten.

Homepage von Beschneidungen von Jungen: Todesfälle durch Beschneidung · “Verantwortlich durchgeführte Beschneidungen” und ihre Folgen

Tags: Beschneidung, Genitalverstümmelung, Gesetzentwurf, Gleichberechtigung, Jungenbenachteiligung, Menschenrechte