Sind 3-Jährige heute schon zu alt für den Kindergarten?

Von Duunddeinkind

Zunehmend merke ich, wie andere Familien ihre Kinder immer früher fremdbetreuen lassen. Sei es, weil die Eltern aus Angst nicht mehr in den Job zurückzufinden, wieder in ihren alten Beruf zurückkehren müssen, weil sie Geldsorgen haben oder weil sie sich ohne Beruf nicht ausgefüllt fühlen.

Unser Kind außerhalb von unserem Zuhause betreuen zu lassen, wäre für uns derzeit absolut keine Option. Ich muss dazu sagen, dass wir aber auch sehr gesegnet sind, denn ich muss bisher nicht wieder arbeiten gehen und das Gehalt von meinem Partner reicht (gerade so) für uns aus.

Doch so gut wie alle Kinder in der Nachbarschaft gehen mit einem, spätestens aber zwei Jahren bereits in eine Kita. Einige nur für ein paar Stunden, andere wiederum bis zum Abend. So passiert es schon mal, dass uns manchmal richtig langweilig wird, weil wir unter der Woche kaum Spielpartner für Mini-Me finden. Egal ob jünger oder älter, die Kinder sind in einer Einrichtung und wir sitzen Zuhause.

Als ich selbst klein war, kamen Kinder erst mit 3 Jahren in den Kindergarten.

Bei all meinen Freunden und Verwandten war dies der Fall. Ich kenne aus meinem persönlichen Umfeld wirklich niemanden, der vor seinem dritten Lebensjahr fremdbetreut wurde. „Eltern müssen das Recht auf Erziehung zurückfordern“, erklärt der Evolutionsbiologe und Kinderarzt Dr. Herbert Renz-Polster. Doch ist das wirklich so leicht wie es sich anhört?

Ich finde, dass es uns Eltern heute besonders schwer gemacht wird. Politik und Wirtschaft haben logischerweise ihre eigenen Interessen im Kopf und so werden mir nichts dir nichts Krippenplätze geschaffen, damit die Eltern auch ja schnell genug wieder arbeiten gehen können. Der Mensch wird weniger als Mensch gesehen, sondern vielmehr als Arbeitskraft. Man denke auch nur mal an unser Schulsystem. Ganztagsschulen, Mangel an Lehrern und Proteste gegen G8 und G9 sind an der Tagesordnung.

Und noch etwas erklärt Renz-Polster: „Unter dem Diktat des ökonomischen Wettlaufs werden Kinder immer früher auf ihren späteren wirtschaftlichen Nutzen hin erzogen. Sie sollen als Arbeitnehmer ihren Platz in der Wertschöpfungskette finden.“

Versteht mich nicht falsch: Wenn Eltern ihre Kinder früh fremdbetreuen lassen, weil sie es selbst wollen!, dann finde ich das legitim. Dann ist das die Entscheidung der Eltern. Bleibt ihnen aber nichts anderes übrig, dann finde ich es eine Schande für unsere Gesellschaft. Wir leben in materiellem Überfluss, haben alles was man (nicht) braucht, aber schaffen es nicht unsere Kinder daheim großzuziehen? Ich kenne viele Mütter die aufgrund von hohen Krediten oder dem Hausbau, schnell wieder arbeiten gehen müssen. Viel lieber würden die meisten von ihnen, die ersten Jahre beim Kind bleiben, doch das würde nicht gehen. Dann würden die laufenden Raten nicht mehr bezahlt werden können und das Haus müsste ggf. versteigert werden. Mir tuen diese Familien zum Teil wirklich leid. Ich weiß, dass sie oftmals sehr unter dem Druck arbeiten zu müssen leiden.

Wenn ich den Menschen in meiner Umgebung jedoch erzähle, dass mein Kind, frühestens mit 3 Jahren fremdbetreut werden soll, werde ich oft schief angeschaut.

„Wie könnt ihr euch das denn leisten?“, werde ich dann als allererstes gefragt. „Leisten“ können wir es uns nur deshalb, weil wir auf einige Dinge verzichten. Die Ansprüche wurden herunter geschraubt und wir haben unsere Ansichten in einigen Punkten ändern müssen. Andererseits werde ich aber auch gefragt, ob ich mir das wirklich antuen möchte. „Nur daheim sein, dass wäre nichts für mich“, erklärte mir vor einiger Zeit eine Nachbarin. Um ehrlich zu sein, kann ich diese Frau nicht verstehen. Ich habe bevor ich Mutter wurde, gearbeitet und studiert, habe den Hund täglich mehrfach ausgeführt, musste zeitweilig lange Autofahrten auf mich nehmen und hatte immer was zu tun. Doch seitdem ich Mutter bin, weiß ich erst was Arbeit wirklich bedeutet… Ich langweile mich so gut wie nie, habe immer Arbeit und mein Tag dreht sich von morgens bis abends ums Kind.

Ob wir Mini-Me später überhaupt in einen Kindergarten stecken, darüber sind wir uns derzeit auch noch sehr unsicher. Der offizielle Betreuungsschlüssel und die tatsächliche Realität in den Kitas und Kindergärten sind katastrophal, die Bezahlung der Erzieher ist ebenfalls eine Katastrophe und die ganzen Frühförderprogramme sind eine Schande für unsere Gesellschaft. Wir müssen die Arbeit der Erzieherinnen mehr wertschätzen und diese Wertschätzung dann auch gut bezahlen. Eine Erzieherin, die das Leben unserer Kinder – unserer Zukunft – entscheidend prägt, verdient nicht ansatzweise so viel wie ein Beamter. Wir müssen Bedingungen schaffen, in dem das Kind KIND sein darf und müssen von den ganzen Förderprogrammen wegkommen. Kinder sollen frei sein. Sie sollen frei spielen dürfen. Sie sollen frei leben können. Ohne Anleitung. Ohne Plan.

Die derzeitige Situation in unserem System ist wirklich unmenschlich.

Und ich wünsche mir für uns alle, dass sich sowohl Politik, als auch Wirtschaft ein klein wenig zurücknehmen, den Gedanken des ökonomischen Wettlaufs in allen Bereichen endschleunigen und Ruhe einkehren lassen.

Lasst die Kinder, Kinder sein! Lasst die Jugend, Jugend sein! Dann läuft das System auch wieder von ganz alleine, ohne das die Menschen an Burnout, Depressionen oder sonstigen Krankheiten zugrunde gehen.